
- „Ich habe nicht gefoult, ich bin der Gefoulte“
Vor einem Jahr wurde Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt. Seine Wahl mit Stimmen der AfD brachte die Bundespolitik zum Beben. In der eigenen Partei ist der 55-Jährige heute isoliert, seine politische Mission sieht er aber als nicht beendet an.
1965 in Aachen geboren, zog Thomas Kemmerich nach abgeschlossenem Jura-Studium 1990 nach Erfurt. Dort baute er die Friseurkette Masson AG auf, deren Vorstandsvorsitzender er heute ist. 2006 trat er in die FDP ein, seit 2015 ist er Landesvorsitzender. 2019 führte er die Partei zurück in den Thüringer Landtag.
Herr Kemmerich, vor knapp einem Jahr wurden Sie mit Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt – wenige Tage später traten Sie zurück. Sie hatten nun fast ein Jahr Zeit, um über den 5. Februar 2020 nachzudenken. Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie etwas anders machen?
Ich würde vieles anders machen. Zu einer ehrlichen Einschätzung gehört für mich aber dazu, die Zeit seit der Landtagswahl 2019 zu betrachten. Die ungewöhnliche Situation, ein Parlament zu haben, in dem es keine Mehrheiten nach klassischen Farbkonstellationen mehr gab, war am 27. Oktober 2019 entstanden. Rückblickend sind allen politisch Agierenden Fehleinschätzungen und Fehler unterlaufen, auch mir. Ramelow etwa unterschrieb am Abend vor der Ministerpräsidentenwahl noch einen Koalitionsvertrag – ohne erkennbare Mehrheit. Am 5. Februar ging ich aus dem Haus und sagte zu meiner Frau: Ich bin froh, wenn ich die fünf Stimmen meiner Fraktion bekomme. Bodo Ramelow war vor der Wahl zu Gast in unserer Fraktion und hat es ausdrücklich begrüßt, dass jemand aus der demokratischen Mitte antritt.
Legen Sie eigentlich noch manchmal die Cowboystiefel an?
(Hebt seine Beine in die Höhe): Ja, täglich. Die hatte ich auch bei der Wahl zum Ministerpräsidenten im letzten Februar an.
Wäre es nicht besser gewesen, Sie wären nicht angetreten? Ramelow wäre dann mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt worden, hätte aber keine Mehrheit im Parlament gehabt. Der Schwarze Peter wäre auf seiner Seite gewesen.