
- Datenschutz in der Corona-Krise
Das Stasimuseum in der Berliner Normannenstraße hat sich der Erinnerung an die SED-Diktatur verpflichtet. Der Vorsitzende des Vereins, welcher die Ausstellung in der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) organisiert, ist selbst Opfer des Überwachungsstaates geworden. Im Verordnungsregime der Corona-Krise werden seine Erinnerungen plötzlich wieder erschreckend lebendig.
Sein braunes Hemd mit den Streifen an den Ärmeln sieht ein wenig nach DDR-Trainingsanzug aus. Fast wirkt der 66-jährige Jörg Drieselmann darin so, als hätte er eben erst rübergemacht. Der hagere Brillenträger mit dem grau-weißen Bart gibt außerhalb von hochoffiziellen Anlässen nicht viel auf Form. Vielleicht, weil der Schritt zum Uniformen nicht weit ist. Und dem einheitlichen Denken hat der Mann, der jahrelang das Stasimuseum leitete, für immer den Rücken gekehrt. Drieselmann ist lieber ehrlich und direkt als diplomatisch und diskret. Schon in jungen Jahren ist ihm das zum Verhängnis geworden.
1974 schreibt der damals 18-Jährige in seiner Heimatstadt Erfurt einige Zahlen auf ein Plakat. Zahlen, über die die meisten sich schon nicht getraut hätten zu sprechen: die Zahlen der Menschen, welche laut ZDF beim Übertreten der innerdeutschen Grenze getötet wurden. Das MfS verschleierte die Todesfälle gegenüber der Öffentlichkeit und „legendierte“ sie mit mehr oder minder fadenscheinigen Geschichten. Darauf wollte Drieselmann aufmerksam machen. Das Plakat nimmt er mit zu seinem Arbeitsplatz in einem „volkseigenen“ Betrieb. Dort findet es ein Spitzel, und Drieselmann wird wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verhaftet und anschließend zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Doch der junge Dissident sitzt nur zwei davon ab, das erste Jahr in der Untersuchungshaft in Erfurt, das zweite im Strafvollzug im Gefängnis Cottbus.