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Schwarz-Rot - Nachwuchspolitiker kritisieren Koalitionsvertrag

Die Jusos wollen den Koalitionsvertrag nicht, junge CDU-Politiker fordern Reformen. Was bewegt sie?

Autoreninfo

Funk, Albert

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Die Jusos stimmen gegen den Koalitionsvertrag, eine nicht ganz unprominent besetzte Riege jüngerer CDU-Politiker legt ein Manifest vor, das man als Kritik an wesentlichen Vertragspunkten lesen kann. Ist da etwa eine Revolte der Jungen im Gange – in den entscheidenden Tagen des SPD-Mitgliederentscheids? Oder sind es Stürme im Wasserglas? Weder das eine noch das andere, muss man wohl feststellen. Es ist einfach so, dass die Jungen in SPD und CDU die große Koalition praktisch schon abgehakt haben.

Sie wird kommen, aber sie wird auch wieder gehen. Die Jungen wollen andere Bündnisse. Sie schauen schon auf die Wahl 2017 – die Jusos mit Blick auf Rot-Rot- Grün, die Jungunionisten in Richtung einer neuen „bürgerlichen“ Mehrheit, für die man auch die Grünen als potenziellen Partner sieht.

 

 

Wieso lehnen die Jusos den Koalitionsvertrag so strikt ab?

Die neue Juso-Chefin Johanna Uekermann hat die entschiedene Ablehnung der Vereinbarungen mit der CDU und der CSU vor allem mit drei Punkten begründet: keine Steuererhöhungen für Reiche, keine Bafög-Erhöhung, falsche Flüchtlingspolitik. Dass von der Bürgerversicherung nichts im Koalitionsvertrag steht, missfällt den Jusos ebenso wie das Fehlen jedes Hinweises zur Sicherung des Rentenniveaus. Uekermann hätte nichts gegen Neuwahlen. Natürlich begrüßen die Jusos, dass der Mindestlohn kommen wird. Aber das Programm von Schwarz-Rot ist ihnen nicht links genug.

Schon Kanzlerkandidat Peer Steinbrück war nicht ihr Mann, die sachliche Verhandlungsstrategie der Parteiführung war nicht nach ihrem Geschmack. Den Werbeaufwand, den die Parteioberen im Mitgliederentscheid treiben, sehen aktive Jusos als Bevormundung. Und da sie nun einmal traditionell links von der Mutterorganisation stehen, sind sie sich auf ihrem Bundeskongress in Nürnberg einfach nur treu geblieben. Parteichef Sigmar Gabriel dürfte das einkalkuliert haben.

Was lässt sich aus der Ablehnung der Jusos für den Mitgliederentscheid ablesen?

Dass viele aktive Jungsozialisten den Koalitionsvertrag ablehnen werden, war von Beginn an klar. Und in Nürnberg saßen natürlich vor allem aktive Jusos. Die Jugendorganisation unterscheidet sich hier nicht von der Gesamt-SPD. Die Mitglieder, die sich stark engagieren in Parteiarbeit und Programmatik, stufen sich weit links von der SPD-Wählerschaft ein. Diese tendiert stärker zur politischen Mitte und dürfte für den weniger aktiven Hauptanteil der Partei repräsentativer sein. Auch bei den Jusos sind nicht alle linke Flügelstürmer.

70000 Mitglieder hat die Truppe, davon haben etwa 52000 ein SPD-Parteibuch (der Rest ist nur Juso-Mitglied). Da alle SPD-Mitglieder unter 35 Jahren automatisch Mitglied der Jusos sind, aber keineswegs alle dort auch aktiv mitmachen, wäre es also falsch, aus der Ablehnung in Nürnberg auf 50000 Nein-Voten aus der Parteijugend zu schließen. Die Nervosität der Parteiführung geht eher auf die Älteren zurück, denn die sind das stärkere Lager in der SPD.

Auch junge Unions-Politiker kritisieren den Koalitionsvertrag

Die Junge Union hat der Parteichefin schon vor einiger Zeit klargemacht, dass ihr einiges nicht wohlgeraten erscheint im Koalitionsvertrag. Vor allem beim Thema Generationengerechtigkeit. Ihr missfällt die absehbare Rentenpolitik von Schwarz-Rot – zu altenfreundlich, zu wenig nachhaltig. Angela Merkel hat dafür Verständnis gezeigt, aber auch in der Union gilt: Die Alten sind die stärkeren Bataillone (was ja schon die SPD zur Abkehr von der Rente mit 67 bewog). Eine Riege von CDU-Jungpolitikern (sie reicht bis zu den Mittvierzigern) hat sich nun dagegen formiert. Ihr Manifest „CDU 2017“, am Sonntag veröffentlicht, ist der Auftakt. Es wird auch ein bisschen Schwung in den kleinen CDU-Parteitag bringen, der an diesem Montag in Berlin zusammenkommt, um den Koalitionsvertrag abzusegnen.

Zu der Gruppe gehören neben JU-Chef Philipp Missfelder immerhin 29 Bundestagsabgeordnete, darunter bekanntere Namen wie Jens Spahn, Michael Kretschmer und Günter Krings. Aus den Ländern sind der umtriebige thüringische Fraktionsschef Mike Mohring oder Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja dabei. Es ist unwahrscheinlich, dass die Gruppe ohne Abstimmung mit der Parteiführung agiert. Die weiß auch, dass die große Koalition zwar unter den CDU-Mitgliedern eher geschätzt wird als bei den SPD-Aktiven.

Aber langsam dürfte die Einsicht wachsen, dass man den Wahlkampf wie schon 2005 und 2009 letztlich vermasselt hat. Zwar ist die Union mit 41,5 Prozent stärkste Partei, aber man ist eben nicht stark genug. Die „2017er“ merken an, die Wahl habe eine Mehrheit rechts der Mitte gebracht habe, die nur wegen der Fünfprozenthürde nicht zum Zuge kommt. „Wenn die Union es richtig macht, können wir dauerhaft bürgerliche Mehrheiten gewinnen“, stellen sie fest. Die FDP – zu Regierungszeiten zunehmend ungeliebt – wird nun plötzlich wieder als „der verlässliche Partner in früheren Koalitionen bezeichnet“, man will in „verbindlichem Austausch“ bleiben. Auch Offenheit für Bündnisse mit den Grünen wird postuliert, „um persönliche Kontakte weiter auszubauen und inhaltliche Gemeinsamkeiten zu suchen“.

Woran stoßen sich die jungen Unions-Kritiker besonders?

Der einzig echte Kritikpunkt in dem Papier der „2017er“ aber betrifft eben jenen heiklen Dissens in der Partei um die Rente. „Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket inklusive der abschlagsfreien Rente mit 63 die Erfolge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefährden, bleibt“, heißt es. Sozialleistungen sollen nicht ausgebaut werden, jedenfalls nicht zugunsten der Alten. Das ist wohlkalkuliert, denn die Rentenpolitik wird künftige Wahlkämpfe noch stärker prägen als jetzt. Es geht um die Stimmen der arbeitenden Mitte zwischen 20 und 50 Jahren, der wahlentscheidenden Gruppe.

Was dann zur Debatte stehen wird, zeigt ein Blick in den gerade erst vorgelegten Rentenreport der OECD. Die OECD erwartet, dass spätestens 2050 das Renteneintrittsalter überall bei „mindestens 67 Jahren“ liegen werde. Die Renten würden niedriger ausfallen als früher. Dabei sind es laut OECD weniger die ärmeren Schichten, die gefährdet sind, sie würden schon jetzt von Einschnitten am ehesten ausgenommen und kämen auf 70 Prozent ihrer Arbeitseinkommen. Aber die breite Mitte müsse damit rechnen, nur noch bei 54 Prozent zu landen - mit dem Risiko „starker Einbußen beim Lebensstandard“. Die Jungunionisten zielen auf die Angst der Mittelschicht vor dem Abstieg. Aber auch für die Linke hält der OECD-Report etwas bereit. Die Wohlstandsunterschiede zwischen den Rentnern würden wachsen, konstatiert die Organisation, und Frauen blieben benachteiligt.

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