Fahne
Eine Deutschlandfahne vor der abgerissnen Carolabrücke in Dresden / picture alliance/dpa | Robert Michael

Sachpolitik, Parteienbetrieb, Politiker - Deutschland in der dreifaltigen Krise

Deutschland steht nicht nur vor den Scherben fataler sachpolitischer Fehler, vor allem bei der Einwanderung. Zugleich leidet sein Parteienbetrieb unter Sklerose. Und große Politikerpersönlichkeiten, die die Kraft zur Reform gegen Widerstand aufbrächten, fehlen.

Ferdinand Knauß

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

So erreichen Sie Ferdinand Knauß:

Deutschland steckt in der Krise. In der einen oder anderen Weise tut es das vermutlich schon immer – wie die meisten anderen Länder auch. Vor einer „Entscheidung“ oder einem „Wendepunkt“ (so die Bedeutung des griechischen Wortes krisis) in einer unsicheren, schwierigen, gefährlichen Entwicklung, die im schlimmsten Fall in eine Katastrophe münden kann, steht immer irgendein Teil eines Landes: seine Wirtschaft oder sein sozialer Zusammenhalt, seine politischen Parteien oder verschiedene Eliten, seine Infrastrukturen oder seine Ökosysteme. Doch derzeit beschleicht immer mehr Menschen das Empfinden, dass mehr oder weniger fast alles in diesem Land krisenhaft sei. 

„Viele Bürger sagen, Köln funktioniert nicht mehr“, stellt der  Kölner Oberbürgermeisterkandidat der SPD fest. Dasselbe gilt sicher für viele Bürger auch anderswo in Deutschland – vielleicht mit geringen regionalen Unterschieden. Wer noch einen anderen Gewährsmann für diese Feststellung verlangt, kann den Bahn-Ökonomen Thomas Ehrmann zitieren: „Die Bahn ist der Punchingball für eine tief sitzende Dysfunktionalität im Land“ .

Cicero Plus

Ohne Abo Lesen

Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Stefan | Mi., 20. August 2025 - 19:11

Zitat:
Und große Politikerpersönlichkeiten, die die Kraft zur Reform gegen Widerstand aufbrächten, fehlen.
Ja, Herr Knauß glauben sie nicht, daß genau das so gewollt ist, wenn man von den Altparteien her stets die AfD diffamiert und so die einzigste echte Opposition quasi mundtot gemacht wird ???

die Zentralräte und zusätzlich noch die aus allen Löchern kriechenden Kriegstreiber (auch "Experten" und Politikwissenschafler genannt). Also ein Riesenwasserkopf der mit üppigen Steuergeldern gesponsert wird. Und diese Herrschaften werden mit allen Mitteln ihre Pfründe verteidigen da müsste schon ein Milei kommen damit sich da was ändert. Jedenfalls diese Regierung wird weiterwursteln wie gehabt zur Not hat man ja noch die AfD als Buhmann.

Karl-Heinz Weiß | Mi., 20. August 2025 - 19:36

Friedrich Merz hatte den richtigen Ansatz: Halbierung der AfD als sein wichtigstes politisches Vorhaben.
Welchen Ansatz hat er dabei verfolgt ? Die "verirrten" früheren Wähler der etablierten Parteien von der "Unsinnigkeit" ihrer Wahlentscheidung für die AfD zu überzeugen.
Was wäre aber notwendig? Die Unsinnigkeit der Merkelschen Migrationspolitik einzugestehen und konsequent umzusteuern, notfalls auch als Anführer einer Minderheitsregierung. Die von ihm gewählte Strategie (Schuldenorgie, Duldung der SPD-Blockadepolitik) ist"grottenschlecht".

Christa Wallau | Mi., 20. August 2025 - 19:42

dann treten mit Sicherheit wieder Politiker ins Licht der Öffentlichkeit, die das Zeug haben,
Menschen zu begeistern, d. h. echte Hoffnungsträger für sie zu werden.
Die Frage ist nur: Aus welcher Ecke kommt der
begabteste dieser charismatischen Personen?
Wird es ein Linker sein, einer aus der sog. Mitte der Gesellschaft oder ein Rechter?
Bei Letzteren sehe ich da große Chancen für Björn Höcke.
Es kann sowohl ein Mann sein wie eine Frau.
Auf inhaltliche Überzeugungskraft kommt es an, aber auch auf persönliche Ausstrahlung und Integrität.
Wer schafft es im entscheidenden Moment, die meisten Menschen für sich zu begeistern?
Wem schenken sie neues Vertrauen, nachdem ihr Vertrauen in die "alten Köpfe" fast ganz verloren gegangen ist?
Wir gehen in Deutschland aufregenden und sehr unsicheren Zeiten entgegen - wirtschaftlich wie politisch.
Bürgerkriegsähnliche Zustände sind für die Zukunft nicht auszuschließen. Und das Ende ist völlig offen.

Wollen wir wirklich einen "Charismatiker" an der Spitze unseres Landes haben? Waren die letzten (z. B. Göbbels oder auch "der fliegende Robert) wirklich erfolgreich für das Land oder haben sie mehr Schaden angerichtet?

Mir wäre ein "guter Handwerker", der viel von seinem "Fach" versteht, das Land mit Weitsicht und Überzeugung durch gute Argumentation nach vorne bringt viel lieber.

Frau Weidel traue ich genau das zu. Leider kann sie es in unserem ÖRR nicht zeigen, weil man sie nicht argumentieren lässt. Sie benötigt nur noch jemanden, der Ihre Gedanken in kurze Sätze fasst.

die entscheidende Frage, lieber Herr Wienroth.
In unsicheren Zeiten u. Staatskrisen sind es einfach immer solche Leute, die das Ruder an sich reißen - das lehrt die Geschichte.
Natürlich wäre ein "guter Handwerker", wie Sie einen kompetenten, vernünftigen und bürgernahen Politiker nennen, viel besser für jeden Staat, aber ein solcher schafft es in schlechten Zeiten fast nie, die Menschen von sich zu überzeugen. Da sind die lauten Begeisterer mit ihren großen Versprechen im Vorteil.
Wie gesagt: Es ist dann nur noch die Frage, aus welcher "Ecke" der bejubelte "Retter" kommt.
Wer auch immer diese Person in Deutschland sein wird: Die Aufgabe, die sie übernimmt, ist gewaltig! Daß es dabei ohne Verwerfungen u. Ungerechtigkeiten abgeht, darf niemand annehmen. Wer eine Karre aus dem Sumpf ziehen will, braucht enorme Kraft u. einen starken Willen. Und er macht sich immer schmutzig dabei!
Schuld daran tragen diejenigen, welche den Karren leichtfertig u. ohne Not in den Dreck gefahren haben.

Franz Jürgens | Mi., 20. August 2025 - 20:13

Anders als der Autor, der nirgendwo in der Politik Führungsstärke erblickt, sehe ich in Alice Weidel eine Politikerin mit großen politischen Begabungen und einer großen Stärke.

Ingofrank | Mi., 20. August 2025 - 20:53

Führenden der etablierten Parteien fehlen, ist hinreichend bekannt und vor allem bewiesen !
Das dies in der AfD als größte und einzige Oppositionspartei (weil als einzige Partei konträr zum Grün, links schwarzen Einheitsbrei stehend) genau so ist, ohne Carisma und Durchsetzungskraft ist lediglich eine Annahme !. Den Beweis der politischen Unfähigkeit wie von den etablierten Parteien, der Jurnallie und dem ÖRR unterstellt, steht allerdings noch aus……
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

Markus Michaelis | Mi., 20. August 2025 - 21:09

Ja - Sachpolitik, Parteien, Politiker. Da gibt es sicher berechtigte Kritik. Für mich setzt ein zentraler Punkt aber auch bei der "demokratischen Mitte" (oft Wohlstands-Bildungsbürgertum) selber an. Teilweise setzen die Politiker einfach die Forderungen dieser Gruppen um.

Wenn der Job nicht mehr gebraucht wird, stehen einem oft Hunderttausende Abfindung zu, man wahr wirtschaftlich+gesellschaftlich lange so erfolgreich, dass man sich alle Aufgaben zutraut (Klima, EU, Völkerrecht ...).

Vor realen Aufgaben steht man aber oft hilflos. Der synodale Weg will die Menschheit vertreten, fordert aber Dinge, die halb Afrika abspalten würden. Man will die offene Gesellschaft, aber schon Differenzen zwischen Linke und BSW oder grüner linker Flügel und Merz-CDU (die im Weltmaßstab praktisch identisch sind) sind vollkommen unüberbrückbar ohne jede Lösung. Diese Liste ist endlos.

Die demokratische Mitte scheint mir zu weltfremd und selbst überschätzend geworden zu sein.

Mir geht es nicht um die einzelnen Punkte. Der Synodale Weg etwa ist zufällig herausgegriffen und nichts daran ist falsch. Man kann all das als Idee haben und fordern, die meisten anderen Ideen und Ziele auch. Man kann nur nicht alle zusammen fordern und dann noch erwarten, dass die widerspruchsfrei zusammenpassen und mit den vorhandenen Ressourcen umsetzbar sind. Wenn man den einen Weg geht, wird man das gegen andere Menschen und deren Ziele durchsetzen müssen, dafür dann an anderen Punkten nachgeben müssen.

Dieses Abwägen kann ich nicht mehr erkennen. Ich habe das Gefühl, dass es einen immer längeren Katalog an immer spezielleren Alternativlosigkeiten gibt, von dem man erwartet, dass alle Menschen den gesamten Katalog unterstützen müssen. Das scheint mir alles zu weit weg von den realen Gegensätzen in der Welt.

Urban Will | Mi., 20. August 2025 - 22:13

läuft, sich aber nicht wirklich traut, Lösungen zu nennen oder zumindest vorzuschlagen oder aller mindestens versucht, darüber nachzudenken.
Die Brandmauer wird dann halt hoffentlich deswegen zusammenfallen, weil sie kaputt geredet wurde. Nicht dahingehend, dass man ihren Sinn und ihre Folgen knallhart analysiert, sondern dahingehend, dass man mit Banalitäten und Binsenweisheiten über sie daher schreibt, bis die Finger bluten.
Aber das sind alles nur Worthülsen.
Ja, es stimmt alles, was hier geschrieben wurde, aber ES GIBT KLARE SCHULIDIGE!!! Und die werden noch immer hofiert, bzw. regieren noch immer.
Benennt sie endlich, werft sie auf die Müllhalde der Geschichte, schreibt einen Wechsel herbei, denn der Deutsche denkt nunmal nicht, aber er lässt sich gerne leiten.
Ihr müsst nicht lügen oder täuschen, IHR MÜSST NUR SCHREIBEN, WAS IST UND WER ES VERURSACHT HAT UND WER ES ÄNDERN MÖCHTE!.
Ist das denn so schwer?
Natürlich brauchen wir die komplette Wende. Und die geht nur über die AfD.

Michael Kaufmann | Mi., 20. August 2025 - 23:57

Das kann sich erst ändern wenn wir eine Sitzvergabe per Wählerschaft haben.
Dann hat durch nicht Sitzvergabe das nein ein Gewicht und die Politik muss sich messen lassen. Sonst wird im Bundestag keiner mehr sitzen usw.
Ansonsten kann jeder Selbstdarsteller ohne Konsequenzen weiter hampeln, auf Kosten aller.
Das .in Sternchen schenk ich mir, die BH Quote tut da auch nix richten.

Christoph Kuhlmann | Do., 21. August 2025 - 07:24

Das war mal wenn eine Partei 5 % gewann oder verlor. Inzwischen haben wir bei jeder Wahl ganze Serien davon. Das Parteien-System ändert sich, aber man muss das historisch sehen.

Ernst-Günther Konrad | Do., 21. August 2025 - 09:13

Wir sollten nicht vergessen, dass diese Frau dafür gesorgt hat, dass keiner neben ihr hoch kam, der nicht ihre Agenda verfolgte und sich unterwarf. Da war nichts mit aufmucken, selber denken und Karriere machen. Wir sehen doch an Typen wie Wüst und Günter und vielen anderen CDUlern, was aus denen geworden ist. Und Merzel rundet das Bild an Inkompetenz und merkelscher Unterwürfigkeit ab. Sie hat sich nicht gescheut, selbst Politgrößen mit einstmals standhaften Ruf zu Marionetten zu machen. Seehofer, Gröhe und andere wurden gemoppt und aufs Abstellgleis verbannt. Und die ließen es mit sich machen. Warum wohl? Womit wurden die erpresst? Wo sollen sie herkommen, die standhaften, ehrlichen, charakterstarken und noch selbstständig denkenden Politiker, die sich aus dem Sumpf lösen und mal aufbegehren? Und was wurde gerne aus dem Nähkästchen geplaudert, wurden eigentlich hinter vorgehaltener Hand bewusst und gewollt Sachen in die Öffentlichkeit gebracht, um einzelnen Politikern zu schaden.

Walter Bühler | Do., 21. August 2025 - 10:49

Ihrer Analyse, Herr Knauß, stimme ich zu. Aber ich muss die "Dreifaltigkeit" der Krise unserer Demokratie zu einer "Fünf-Faltigkeit" erweitern.

Ebenso dramatisch ist nämlich der Niedergang der Geisteswissenschaften, insbesondere der Sozial- und Politikwissenschaften. Die ideologische Vorherrschaft des Marxismus hat sie in zahllosen Varianten zu Pseudo-Theologien gemacht. Universitäten sind zu Priesterseminaren der linken Sekten verkommen.

Auch andere Wissenschaften sind davon infiziert worden. Aber davon wurde auch die Entstehung eines Journalismus bewirkt, der die politische Entwicklung gezielt in ideologische Nebel einhüllt und über ideologische Karriere-Netzwerke die personelle Entwicklung in den politischen Parteien prägt.

Der fünfte Punkt ist schließlich die infantile Schlaraffen-Mentalität, die wir uns haben anerziehen lassen. Dieser schlafwandlerische Hedonismus gaukelt uns vor, dass uns selbst niemals etwas passieren könne - was ja bekanntlich nicht stimmt.
---
Nix für ungut.

Ist es nicht so, dass dem Dreifaltigkeitselend der Politik die Dreifaltigkeitsmisere ihres Korrektivs ggü steht, nämlich die der Medien, der Justiz und der Wählerschaft, die alle 3 nicht ihrer Funktion nachkommen, nämlich zu kontrollieren, zu korrigieren und kritisch zu hinterfragen? Und liegt all diesem letztlich nicht eine gravierende Bildungsmisere zugrunde?
Der Verlust des aufklärerischen Denkens und die Unlust sich seines eigenen Verstandes zu bedienen?
Wenn die CDU den Willen und die Kraft hätte, endlich Axt an die Finanzierung zu legen, würde sie ad hoc weniger unter Druck und Befeuerung stehen.
Wer finanziert denn „unproduktive“ Wissenschaften und einen indoktrinierenden ÖRR, wer leistet sich problemschaffende staatl. Beauftragte und subventioniert auch noch „NGO“-Akteure einer sogenannten „Zivilgesellschaft“?
Bis es mal soweit sein könnte, dass auch hier die „Kettensäge“ für einen schlanken Staat rausgeholt wird, wird noch viel, viel Wasser den Rhein runterfließen ...