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Rot-Rot-Grün - An Rhein und Ruhr enden die Träume

Die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen nährt Spekulationen über ein künftiges Bündnis von SPD, Grünen und Linken im Bundestag. Solche Denkspiele könnten an den Linken in NRW scheitern

Stefan_Laurin

Autoreninfo

Stefan Laurin ist freier Journalist und Herausgeber des Blogs Ruhrbarone. 2020 erschien sein Buch „Beten Sie für uns!: Der Untergang der SPD“.

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Daran, dass SPD und Grüne auf absehbare Zeit genug Stimmen für eine rot-grüne Koalition im Bundestag zusammen bekommen, glauben selbst unerschütterliche Optimisten nicht mehr. Eine linke Mehrheit im Bund ohne die Linkspartei ist reine Utopie. Thüringen gilt vielen daher auch als Test für eine künftige Zusammenarbeit im Bund. Und tatsächlich taugt der Linken-Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, nicht als Schreckgespenst: Gewerkschafter, Christ, moderat im Auftritt wirkt Ramelow seriös. Auch als Minister einer Bundesregierung kann man sich einen wie ihn vorstellen. Sicher, mit einer Bundesregierung nach Thüringer Art würde das Land nach links rücken, aber Arbeiter und Soldatenräte kaum am nächsten Tag Fabriken und Rathäuser besetzen.

Viele Linke im Osten haben sich längst mit der bundesrepublikanischen Wirklichkeit arrangiert. Die einen aus Überzeugung, die anderen aus Opportunismus. Sie regieren in Städten und Ländern mit und sind oft mehr Pragmatiker der Macht als an Utopien orientierte Ideologen.

NRW-Linke nicht regierungsfähig
 

Doch SPD und Grüne würden nicht nur mit den Ost-Linken über eine gemeinsame Bundesregierung verhandeln. Gerade einmal fünf Bundestagsabgeordnete stellen die linken Pragmatiker aus Thüringen, fünf die Brandenburger, die mit der SPD sogar das Überleben des Braunkohletagebaus beschlossen haben. Zehn alleine hingegen kommen aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband der Linken. Regierungsbeteiligungen und Kompromisse sind hier Fremdworte.

Schon während der Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen nach der Landtagswahl 2010 zeigten die NRW-Linken, dass sie nicht an einer Regierungsbeteiligung interessiert waren. Ihnen ging es um „rote Haltelinien“. Kürzungen im Bereich des öffentlichen Dienstes waren Tabu und auch die Verbrechen des DDR-Regimes wurden verharmlost. NRW-Ministerpräsidentin Kraft sagte damals dem ZDF: „Ich war teilweise entsetzt über das, was ich gehört habe!“

In den NRW-Landtagswahlkampf 2012 zog die Partei dann mit der Forderung nach generellen Lohnerhöhungen und einer Millionärssteuer, über die ein Landtag nicht zu entscheiden hat. Als Ergebnis des Wünsch-Dir-was-Wahlkampfes flog die Partei nach nur zwei Jahren wieder aus dem Landtag raus.

Bundestagsabgeordnete der Linken aus NRW zeichnen sich seit Jahren vor allem als beinharte Ideologen ohne jede Rücksicht auf die deutsche Geschichte aus: Auf einem Palästinenserkongress in Wuppertal 2011 ließ sich die Herforder Bundestagsabgeordnete Inge Höger mit einem Schal mit den Umrissen einer Karte Palästinas fotografieren. Israel war dort nicht zu sehen. Höger stand auch hinter einer Aktion von Israelgegnern, die Linken-Fraktionschef Gysi im November bis auf die Toilette des Bundestags verfolgten. Über Tausend Mitglieder der Partei stellten sich danach in einem offenen Brief gegen die Abgeordnete.

Die Bochumerin Sevim Dagdelen hat in mehreren Kirchen im Ruhrgebiet Hausverbot, seitdem sie nach Ende einer Rede des damaligen Präsidenten Israels Shimon Peres im Bundestag gemeinsam mit Sarah Wagenknecht (NRW) und Christine Buchholz (Hessen) sitzen blieb. Peres, sagte Dagdelen, habe „seine Rede zur ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran genutzt.“ 

Als Opel 2013 die Schließung des Bochumer Werks ankündigte, forderte Dagdelen ein Verbot von Massenentlassungen und die Beteiligung der öffentlichen Hand an dem Unternehmen. Wenige Jahre zuvor wollte sie die Verstaatlichung des Nokia-Werks in Bochum Riemke.

Auch an der Landesspitze der Partei sieht es nicht besser aus. NRW-Linken-Chef Ralf Michalowsky beteiligte sich im Juli in Dortmund an einer Demonstration gegen Israel, an der auch Neonazis teilnahmen. Nur wenige Tage zuvor war es nach einer antiisraelischen Kundgebung der Linken in Essen, auf der auch Michalowsky sprach, zu Ausschreitungen gekommen. Mit Mühe konnte die Polizei damals einen Angriff auf die Alte Synagoge in der Essener Innenstadt verhindern.

Die reine Lehre
 

Der Jugendverband Solid  ist in NRW in einem desaströsen Zustand. Der rote Nachwuchs hat sich in Flügelkämpfe zerbissen, die an die westdeutsche Linke der 70er Jahre erinnern: Stalinisten und Trotzkisten kämpfen seit Monaten um die Macht. Der Ausgang dieses Streites ist offen.

Die Basis trägt diesen Politikstil mit. In Großstädten wie Essen oder Köln bestimmen ehemalige Kader des maoistischen Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) das Bild. Auf einem Sommerfest im Bergischen Land plaudert ein Parteivorstand ausgiebig mit Neonazis. Für das aus Duisburg stammende Landesvorstandsmitglied Jürgen Aust ist Israel ein „zutiefst koloniales Projekt“.

Es ist unvorstellbar, dass der Landesverband Nordrhein-Westfalen und seine Abgeordneten sich jemals der Disziplin einer Koalitionsvereinbarung mit SPD und Grünen im Bund unterwerfen würden. Hier gilt die reine Lehre einer weder durch die Wirklichkeit noch politischer Rücksichtnahme getrübten Ideologie noch etwas. Kompromisse werden verachtet und noch die kleinste Leuchte in dem heruntergekommensten Vorort fühlt sich zum Weltpolitiker berufen. Antiimperialisten würden jeden Kompromiss in der Außenpolitik verhindern. Keine rot-rot-grüne Koalition könnte das Sperrfeuer des Wahnsinns, das aus Nordrhein-Westfalen käme, überstehen.

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