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Regierungskrise in Berlin - Wowereit löst Senat auf

Klaus Wowereit tritt als Regierender Bürgermeister von Berlin zurück. Damit grätscht er in die Karriere acht weiterer Berliner Spitzenpolitiker: denn mit ihm muss der gesamte Senat gehen. Über die unfreiwilligen Auswirkungen eines freiwilligen Rücktritts

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Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Dieser Tage erinnert das neue Berlin ein wenig an das alte Ägypten. Wenn ein Pharao starb, dann gingen auch seine Getreuen mit ihm: Häufig wurde der gesamte Hofstaat rituell getötet und in Nebengräbern untergebracht oder gleich mit eingemauert. So blutig werden die Konsequenzen von Wowereits politischem Ende zwar nicht sein. Fakt ist aber, dass er nicht alleine geht, sondern die gesamte Berliner Regierung – der „Senat“ – gemeinsam abtreten muss.

Seit 2006 ist das Schicksal des Regierenden Bürgermeisters das des Senats


Ramona Pop, Fraktionschefin der grünen Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus, lehnt sich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn sie gegenüber Cicero Online sagt: „Damit hat Wowereit faktisch eine Regierungskrise ausgelöst.“ Man könnte sich auch Freud’sch verhören und sagen: „Er hat die Regierung aufgelöst.“ Es wäre noch immer richtig. Denn wie die Berliner Verfassung seit 2006 anweist, endet mit der Beendigung des Amtes des Regierenden Bürgermeisters „auch die Amtszeit der übrigen Senatsmitglieder“.

Seit jenem Jahr ernennt der Regierende Bürgermeister die Senatoren. „Bis dahin hatte er keine Richtlinienkompetenz. Das wollten wir ändern“, sagt der damalige und gegenwärtige Vorsitzende des Innenausschusses Peter Trapp (CDU). Das „Wir“ schließt alle Parteien ein: Sowohl im Innen-, als auch im Hauptausschuss war die nötige Änderung unstrittig. Das Abgeordnetenhaus nahm das „Gesetz zur Neuregelung der Senatsbildung“ einstimmig an.

Doch was die Zusammenarbeit innerhalb des Senats erleichtern soll, wird jetzt zum Unsicherheitsfaktor.

„Es kann sein, dass es in ein Hauen und Stechen übergeht“


Die Zeit bis zum 11. Dezember wird eine Zeit potenzieller Dauerkonflikte. Es ist völlig unklar, wer der nächsten Landesregierung angehören wird. Noch weiß niemand, wer aus dem Weg geräumt werden muss, um das eigene Überleben zu sichern.

Im Gegensatz zu den sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern, können die vier CDU-Senatoren nach einer kurzen Pause im Dezember damit rechnen, weiter regieren zu dürfen. Denn laut Koalitionsvertrag, der bis 2016 gilt, hat allein ihre Partei das Vorschlagsrecht für die Chefs der ausgehandelten Senats-Ressorts. Weder aus der Opposition noch aus der CDU selbst sind Stimmen zu hören, die den Ausbruch eines Kampfes um die vier schwarzen Senatsplätze vorhersagen.

Ganz anders die Sozialdemokraten. Die Linken beobachten ein bisschen hämisch, aber vor allem gespannt den ehemaligen Koalitionspartner SPD. „Es kann sein, dass es in ein Hauen und Stechen übergeht“, sagt der Landesverbandsprecher der Linken. „Es ist wirklich schwer vorhersagbar.“

Schon jetzt schauen sich daher die ersten SPD-Senatoren hilfesuchend nach jemandem um, der sie bewahren könnte. Viele Blicke wandern zum SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß und zum SPD-Fraktionschef Raed Saleh.

Stöß und Saleh gehen beide ins Rennen um die Nachfolge Wowereits. Bildungssenatorin Sandra Scheeres lässt schon einmal über ihren Sprecher ausrichten, sie habe „mit beiden immer gut zusammengearbeitet“. Die SPD-Frau weiß: Sich auf einen der beiden festzulegen, kann ungut enden. Denn die Berliner SPD ist zerstritten.

Vielleicht-schon-nein-doch-nicht-Kampfkandidatur


Der Kampf von Stöß und Saleh um Wowereits Nachfolge ist kein Zufall. Im April hatte Saleh, dem Wowereit wohlgesonnen ist, mit seiner Vielleicht-schon-nein-doch-nicht-Kampfkandidatur für den Landesvorsitz Stöß vor aller Augen gleichsam grob angerempelt. Stöß steht erst dem Landesverband vor, seit er 2012 die Kampfabstimmung gegen den Wowereit-Vertrauten und Stadtentwicklungssenator Michael Müller gewonnen hat. Der war acht Jahre lang Berliner SPD-Chef gewesen.

Müller wurde nun vom Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky aufgefordert, aus dem Duell einen Dreikampf zu machen. Am heutigen Freitag kam er diesem Wunsch nach. Müller hat nicht das beste Verhältnis zum parteilosen Finanzsenator Nußbaum, der wiederum Stöß als Finanzstaatsekretär verhindert hatte.

Kurzum: Es ist unübersichtlich. Es ist kompliziert.

Peer Steinbrück mit eigenen Senatoren?


Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der wie viele in der Partei genug von den Streitigkeiten der Berliner SPD hat, trägt nicht grade zur Komplexitätsreduktion bei. Er mahnte an, auch außerhalb Berlins nach einem geeigneten Kandidaten zu suchen – dort, wo es „eine Menge guter Politiker“ gebe. Ein solcher Kandidat könnte wiederum seine eigene Entourage in den Senatssesseln platzieren.

Dann würden vielleicht die amtierenden SPD-Senatoren in Wowereits Pyramide eingemauert. Der Hofstaat sähe ganz anders aus. Der Name eines möglichen Pharaos aus einem anderen Land ist schon gefallen: Peer Steinbrück.

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