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Rechtsextremismus - Ein NPD-Verbot löst das Problem nicht

In der kommenden Woche eröffnet das Bundesverfassungsgericht das neue NPD-Verbotsverfahren. Doch die Partei verliert politisch immer weiter an Bedeutung und Nachfolgeparteien stehen bereit. Das Verbot kommt zu spät

Autoreninfo

Felix M. Steiner arbeitet als Blogger und freier Journalist für verschiedene Medien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind dabei vor allem Rechtsextremismus, sozialer Protest und Fotografie.

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Fast genau zwei Jahre, nachdem der Bundesrat das neue NPD-Verbotsverfahren auf den Weg gebracht hatte, entschied das Bundesverfassungsgericht im Dezember des vergangenen Jahres, das Verfahren gegen die Partei zu eröffnen. Der neuerliche Antrag auf ein Verbot der NPD muss auch vor dem Hintergrund der Aufdeckung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) und der zunehmenden Hetze gegen Flüchtlinge gesehen werden. Dennoch kommt es in einer Phase, in der die NPD zwischen den Konkurrenzparteien am rechten Rand zerrieben wird und derzeit keine großen Erfolge mehr zu verbuchen hat. Nach zahlreichen innerparteilichen Skandalen und Wahlniederlagen ist die NPD in einer Phase des Niedergangs oder bestenfalls eines Wiederaufbaus mit absteigender Tendenz. Von der Flüchtlingskrise kann die Partei derzeit nicht profitieren - in den Parlamenten noch weniger als auf der Straße.

Ein wesentlicher Grund für die elektoralen Misserfolge der NPD ist auch die Alternative für Deutschland (AfD). Das Wählerpotential der rechtspopulistischen Partei ist zwar keineswegs deckungsgleich mit dem der NPD, sie zieht ihr aber dennoch tausende Wähler ab, die der NPD dann beim Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde fehlen. Bei den letzten Landtagswahlen waren die Ergebnisse der Partei überall rückläufig. Und auch auf der Straße machen ihr neue, extrem rechte Parteien das Leben schwer. Mit den Neonazi-Parteien Die Rechte und der III. Weg hat die NPD beim „Kampf um die Straße“ neue Konkurrenz bekommen. Den radikalen Kern der rechten Szene zieht es eher zu den Demonstrationen der Partei-Neugründungen als zu den meist seriös-bürgerlich inszenierten Veranstaltungen der NPD. Genau dies macht das Dilemma der NPD deutlich: Für den Weg in die Mitte ist die Partei zu stark mit ihrem Neonazi-Image belastet und für den radikalen Kern der Szene biedert sie sich zu stark an. Sie hat damit ihren angestammten Platz verloren.

Neues Verfahren mit ungewissem Ende
 

Die ersten drei Tage im März sind als Verhandlungstage angesetzt. Für den Antragsteller, den Bundesrat, geht es um viel: So waren bereits vor der Einreichung des Verbotsantrages zahlreiche kritische Stimmen zu hören. Der damalige Innenminister Friedrich wurde vom Spiegel zur Frage einer Teilnahme der Bundesregierung am Verbotsverfahren folgendermaßen zitiert: „Das machen wir nicht, die Länder sollen mal allein verlieren.“ Sollte das Verbotsverfahren erneut scheitern, wird sich der Antragssteller dies vorwerfen lassen müssen. Für die NPD steckt im Verfahren sowohl die große Gefahr des Verbotes, als auch die Chance, den lang ersehnten Persilschein zu erhalten. Scheitert das Verfahren, so wird die Partei sich wohl auf Jahre keine Sorgen um ein Verbot machen müssen. Die Parteispitze versucht indes, ihr drohendes Verbot als heroischen Kampf für die Meinungsfreiheit umzudeuten. In seiner Neujahrsansprache sagte der Parteivorsitzende Frank Franz, es werde nicht nur über das Fortbestehen der NPD verhandelt, sondern es gehe darum, „ob die Meinungsfreiheit in Deutschland faktisch beseitigt wird oder nicht“.

Das Verfahren wird die NPD belasten, neben finanziellen Mitteln werden personelle Ressourcen gebunden sein. Gerade 2016 dürfte der NPD dies nicht gelegen kommen. Nach zahlreichen Wahlschlappen hofft man wohl zumindest in Sachsen-Anhalt auf den wenig wahrscheinlichen Einzug in den Landtag. Im September sind dann auch Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Dort besitzt die NPD – nach dem Verlust in Sachsen – ihre letzte Landtagsfraktion und damit auch eine wichtige Einnahmequelle für die Bundespartei. Der Verlust der Fraktion würde die Partei hart treffen.

Die Ziele sind geblieben – nur besser verpackt
 

Nach dem schon im Vorfeld gescheiterten Verbotsantrag von 2003 ist man jahrelang nur sehr zögerlich mit einem neuen Anlauf umgegangen. Erst die Enthüllungen rund um den NSU haben den öffentlichen und, in Folge, den politischen Fokus wieder auf die NPD gelenkt. Die Rolle des Verfassungsschutzes rund um den NSU-Skandal und das aufgrund der V-Leute gescheiterte erste NPD-Verbotsverfahren hinterlassen dabei am Rande einen bitteren Nachgeschmack. Mit dem radikalen Auftreten und der politischen Bedeutung der NPD kann das lange Zögern zumindest wenig zu tun haben.

Besonders in den Jahren nach 2006 war die politische Bedeutung der Partei durch ihre Wahlerfolge so groß wie lange nicht. Hunderte Kommunalabgeordnete und zwei Landtagsfraktionen markierten den Höhepunkt des Wiederaufstiegs der Partei seit Ende der 1990er Jahre. Das Auftreten der Funktionäre war gleichzeitig nicht wenig radikal. In einem öffentlichen Grundsatz-Papier des Parteivorstandes wurde im Mai 2009 ganz deutlich formuliert, worin die Führungsriege ihre Erfolge sah. Das Rezept sei vor allem die „kompromisslose Ausrichtung auf die Überwindung des liberalkapitalistischen Systems und des bestehenden volksfeindlichen Parteienstaates“.

In der Zwischenzeit ist mehr als ein halbes Jahrzehnt vergangen. Seit 2014 amtiert der Saarländer Frank Franz an der Spitze der Partei. Franz ist das neue bürgerliche Gesicht der NPD. Stets akkurat gekleidet wirkt er eher wie ein Katalog-Modell für gehobene bürgerliche Männer im besten Alter. Schon im innerparteilichen Wahlkampf sagte Franz, er wolle vor allem das Auftreten der Partei verbessern, an deren Inhalten aber nicht rütteln. Wenn Franz zum Umsturz aufruft, tut er dies mit Bezug auf das Grundgesetz.

Der DDR-Vergleich
 

Mitte Februar verschickte er einen Brief an Polizei- und Bundeswehrdienststellen. Darin hält er „erstmals in der Geschichte dieser Republik überhaupt eine Situation“ für denkbar, in der sich „Bürger dieses Staates auf den Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz beziehen könnten“. Im Kern will Franz damit Bundeswehr und Polizei zum Widerstand gegen die Regierung aufrufen. „Und auch ihre Kollegen der ehem. DDR standen 1989 den eigenen Landleuten gegenüber, die skandierten: Wir sind das Volk“, endet der Brief des NPD-Parteivorsitzenden.

Die Logik ist nicht anders als bei Pegida: Antidemokratische Proteste sollen mit dem Label der DDR-Bürgerbewegung als legitim verkauft, gar zur demokratischen Pflicht umgedeutet werden. Und Frank Franz würde in dieser neuen Bewegung gern die Polizei und Bundeswehr auf seiner Seite wissen. Im Kern hat sich damit an den Zielen der NPD nicht viel geändert. Sie sind aber rhetorisch besser verpackt.

Das anstehende Verbotsverfahren hätte deutlich früher kommen müssen: Die NPD hatte ausreichend Zeit, sich auf das Verfahren vorzubereiten, und selbst im Falle des Verbotes stehen zahlreiche Ausweichorganisationen bereit. Das Problem des Rechtsextremismus wird ein erfolgreiches Verbot nicht lösen. Und auch auf die aktuell weit verbreitete rassistische Stimmung mit all ihren politischen und gesellschaftlichen Folgen wird ein Verbot der NPD wohl kaum einen nennenswerten Einfluss haben.

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