Schuldig im Sinne der journalistischen Anklage: Reinhard Mey / dpa

Rechte Tendenzen - Rechts über den Wolken?

Sophie Dannenberg stößt bei der Zeitungslektüre auf den Vorschlag, rechte Flecken in unserem eigenen Denken zu erkennen und zu entfernen. Wo fangen wir da aber an? Denn angeblich ist rechtes Denken schon bei den eher unschuldigen Texten eines Reinhard Mey zu erkennen.

Autoreninfo

Sophie Dannenberg, geboren 1971, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr Debütroman „Das bleiche Herz der Revolution“ setzt sich kritisch mit den 68ern auseinander. Zuletzt erschien ihr Buch „Teufelsberg“

So erreichen Sie Sophie Dannenberg:

Vor langer Zeit, ich war so Anfang zwanzig, fuhr ich mal per Mitfahrgelegenheit von Bayreuth nach Berlin. Die Fahrerin war in meinem Alter, aber sie hörte die ganze Fahrt über Reinhard Mey. Und ich musste mithören. 360 Kilometer lang, dreieinhalb Stunden. Und nicht nur das, die Fahrerin sang alle Texte mit, und sie heulte dann auch noch die ganze Zeit. 

Als ich spät nachts in Berlin ankam, war ich mit den Nerven am Ende. Mein ganzer Freundeskreis, der damals aus Leuten bestand, die auf Metal, Grunge oder Gothic standen, lachte sich über diese Geschichte wochenlang kaputt. Mey war so abgrundtief harmlos. Dachte ich, bis ich irgendwann in diesem Jahr mal wieder eine große linksliberale Wochenzeitung aufschlug. Darin nahm ein Journalist Meys frühe Texte auseinander und fand zerstreute Ressentiments, die heute von der „Neuen Rechten“ gebündelt würden, also „Politiker-Bashing, Journalistinnen-Bashing, Künstler-Bashing und Feministinnen-Bashing“. 

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Yvonne Stange | Do., 1. Oktober 2020 - 18:05

... ist es meiner Meinung nach, wenn man nichts anderes zu tun hat, als alte Liedtexte nachzuschnüffeln und angeblich "Anrüchiges" zu finden. Der Erhalt der Deutschen Vollmeise ist gesichert. - Reinhard Meys Texte sind allesamt erste Klasse. Ein Virtuose der Musik und der Sprache. - "Neu-Rechte Tendenzen". Na aber klar doch, es wunderte mich schon, wann der nächste "dran" ist. Alles was nicht links ist, ist sowieso nazi. Kennen wir, wissen wir. Wir nennen es nur anders: gesunder Menschenverstand, der Linken scheinbar abgeht. Sehr empfehlenswert ist sein Lied: "Seid wachsam".

Ronald Lehmann | Fr., 2. Oktober 2020 - 12:43

Antwort auf von Yvonne Stange

Seid Wachsam v o n
Reinhard May (jede Textzeile einsaugen - ein Meisterwerk, ohne den Zeigefinger zu erheben.
Ich verneige mich wie auch vor Udo Jürgens Grab)
Was ist das für ein Land von Udo Jürgens,
Willkommen liebe Mörder von H.R.Kunze,
German History II von DJ Habby Vibes,
Eingeseh'n von Lunikoff
Und - Und - Und

Alles WAHRE Texte,
die aber der Regierung & ihrer Unterstützter mehr
"Wie nicht gefallen"!
Denn Wahrheiten verärgern die Obrigkeiten & der ihrer Unterstützer.
Warum habe ich nicht auch nur ein einziges (!!!) mal diese Lieder in all den Jahren im Radio/ Fernsehen gehört.
Aber keiner hat ja einen Index ausgesprochen. Wie auch keiner eine Mauer bauen wollte.
Eigenlich müssten diese Lieder als Mahnung der Bewahrung der Demokratie tagtäglich über den Äther .....
Aufs Wohl, Koma

Walter Bühler | Do., 1. Oktober 2020 - 18:38

Der Journalist Michael Ebmayer, von dem Sie ja sprechen, hat wohl die Katharsis selbst erlebt, die sich einstellt, wenn man das eigene Denken gründlich von allen rechten Flecken reinigt. Wie nach einem Frühjahrsputz ist er durch seine Bekehrung entspannter, fröhlicher, froher und emanzipierter geworden. Als frisch bekehrtem Sauber- und Putzmann für das Denken, als einem Ghost-Writer unseres makellosen Justiz- bzw. Außenministers fallen ihm nun all die hässlichen Flecken bei all den schmutzigen Mitbürgern auf, die noch nicht zum Licht der reinen ministeriellen Wahrheit gefunden haben. Ebmayers unbestechlicher Blick fällt schließlich aber auch auf den ungeheuren Säuberungsbedarf, der sich in der Vergangenheit angesammelt hat. Dass er ihn an Reinhard Mey demonstriert, ist wohl eher zufällig. Ebmayer hat aber in einem Punkt recht: ein Reinigungsunternehmen für das Denken ist heute in unserem Land keine schlechte Business-Idee.

Fritz Elvers | Do., 1. Oktober 2020 - 23:01

Da nahm ein "Journalist" Meys frühe Texte auseinander, die ja meist in franz. Sprache waren, also die früheren. Und fand ausgerechnet bei Mey rechtes Gedankengut?
An den unbekannten Journalisten:
Die Zeit Des Gauklers Ist Vorbei. (R.M.)
Oder sie beginnt gerade.

Norbert Heyer | Fr., 2. Oktober 2020 - 06:37

Wer in meinem Alter ist, kennt selbstverständlich den „Struwwelpeter“, „Pippi Langstrumpf“ oder die Geschichten von Wilhelm Busch. Hier ist nach Meinung der selbsternannten Moralwächter rechtes Gedankengut an der Tagesordnung. Wir haben als Kinder diese Bücher und Geschichten verschlungen, damals war es angesagte Kinderlektüre. Heino ist ja schon lange als „Rechtsaußen der Musikbranche“ im Fokus der Weltverbesserer, jetzt auch noch Reinhard Mey, obwohl der doch auch sozialkritisch („Die Schlacht am kalten Buffet“) unterwegs war. In meiner Stadt gibt es eine Sedanstrasse und eine Langemarckstrasse. Es gibt ein Denkmal für Turnvater Jahn und einen Kaisergarten. Man sieht, da ist noch viel an rechten Müll zu beseitigen ... Wenn jetzt alles, was rechts und radikal ist, neu gewertet wird, was ist den dann mit den Liedtexten der Lieblingsband unseres Bundespräsidenten? Sie sind zwar links ausgerichtet, rufen aber doch auch zu Gewalt und Widerstand gegen die Polizei auf, gilt zweierlei Maß?

Christoph Kuhlmann | Fr., 2. Oktober 2020 - 09:36

Der frei übersetzt darauf hinwies, dass eine Beobachtung mehr über den Beobachter als über den Gegenstand derselben aussagt. Das ist überhaupt das gefährliche am Studium, ohne den Konstruktivismus/Dekonstruktivismus auch auf die eigene Wahrnehmung zu beziehen strukturiert sich die Wahrnehmung primär anhand kognitiver Strukturen ohne auch nur im mindesten die Theorie zu hinterfragen, die diese prägt.

Dr. Oliver Strebel | Sa., 3. Oktober 2020 - 13:02

... vor sich her wie eine Monstranz

Ordnet man eine Gruppe Menschen nach politischer Einstellung von links nach rechts, dann ist immer nahezu die Hälfte der Gruppe rechts von der Mitte (Median) der Gruppe. Daher ist es ein skurriles Unterfangen, die rechte Hälfte zu diskriminieren. Solche die das tun, haben offensichtlich Pluralismus nicht verstanden.

Das Ganze kann nur in einer aberwitzigen und von pauschalisierenden Stereotypen wie "rechts" geprägten Hexenjagd enden, wo der Hexenhammer dann auch Reinhard Mey trifft. Solches taugt nur zum Lachen und nicht zur Empörung.

Christa Wallau | So., 4. Oktober 2020 - 00:32

Ich zitiere aus dem Text von Michael Ebmeyer, der in der Wochenzeitung "DIE ZEIT" erschien:

"Wenn wir diesen Vormarsch der 'neuen Rechten' noch stoppen wollen, dürfen wir gar nicht erst so tun, als wäre an den von ihnen gerafften und geschürten 'Sorgen' etwas dran."

Wazu Ebmeyer hier aufruft, heißt faktisch: Politik u. Medien müssen alle besorgniserregenden
Zustände, von denen im Zusammenhang z. B. mit der Migrationspolitik berichtet wird, als solche leugnen, es sei denn, es handelt sich um Taten von "Rechten". Sorgen der Bürger (soweit es sich dabei n i c h t um Angst vor Nazis o. dem Klimawandel handelt) sind nichts anderes als wahnhafte Übertreibungen, die von der "neuen Rechten" gepuscht werden, um die bisherige, segensreiche Herrschaft der guten "alten" Linken zu stürzen.

Wie? Es gibt keine negativen Auswirkungen z. B. der Migrationspolitik o. des radikalen Feminismus?
Nein, diese sind erfunden!!!
Wer daran zweifelt, muß ein"Hirn-Reinigungs-Programm" durchlaufen.

Toll !!!