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() Horst Kasner protestiert gegen die Wiedereöffnung einer Schweinemastanlage in Hassleben.
Predigt gegen "Schweinegeld"

Die Brandenburger Gemeinde Hassleben kämpft seit Jahren gegen eine geplante Schweinemastanlage. Unter deren Gegnern befindet sich neben Peter Sloterdijk und Ernst Ulrich von Weizsäcker auch der Vater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Lesen Sie auch: Gerd Langguth: Angela Merkels roter Vater Das brandenburgische Hassleben, ein 600-Seelen-Dorf in der Uckermarck. Zu DDR-Zeiten stand hier Deutschlands größter Schweinestall, eine Zucht mit 200000 Tieren, die nach der Wende geschlossen wurde. Seit 2004 ist das Örtchen Schauplatz eines erbitterten Kampfes mit offenem Ende. Seitdem will der holländische Investor Harry van Gennip die Schweine in die Region zurückholen: Mit einer Mastanlage für, so plante er ursprünglich, 85000 Schweine, von denen wöchentlich bis zu 3000 geschlachtet werden sollten. Die Bürger stiegen auf die Barrikaden und kämpfen bis heute. Neben dem Philosophen Peter Sloterdijk und dem Biologen Ernst Ulrich von Weizsäcker, gehört Horst Kasner zu den prominentesten Kritikern der Schweinemast. Der pensionierte Pfarrer aus Templin und Vater der Bundeskanzlerin hatte anlässlich einer der ersten Demonstrationen gegen die Pläne des Investoren ein flammendes Plädoyer für die Achtung der tierischen Würde gehalten und die Rede für die Besucher des „Kirchlein im Grünen“ ausgelegt: „Im Vergessen liegt die Zukunft.“ Das ist die beherrschende Grundeinstellung in unserer Zeit. Denke nicht daran, was vor uns war. Denke nicht daran, was Menschen vor uns einst gedacht, geachtet und geglaubt haben – was ihnen heilig war. Vergiss es; nicht mehr erinnern, sondern rücksichtslos nach vorne blicken. Darauf kommt es an, wenn wir weiterkommen wollen. Lass dich nicht verunsichern durch die Ewiggestrigen, die an moralische Werte erinnern wie Ehrfurcht vor dem Leben. Was zählt, ist das Geld. Für die Produzenten: Gewinne machen; ein „Schweinegeld“ verdienen. Und für die Konsumenten: kaufen, möglichst billig kaufen und mehr als man braucht. Der Mensch als Verbraucher. Marktwirtschaftlich sollen wir denken, wird uns eingehämmert, und nicht nachdenken. Alles soll Markt werden, auch die Natur. Mache dich frei von moralischen Bedenken. Das alles hat seinen Preis. Was geben wir her, was geben wir auf, wenn wir rücksichtslos auf Rendite gehen? – Die Menschlichkeit, die Ehrfurcht vor dem Leben. Das ist ein hoher Preis; ein zu hoher Preis; denn damit geben wir unser Selbst auf. Darum sollen wir uns wieder rückbesinnen auf wesentliche Ursprungswerte unserer kulturellen, unserer religiösen Überlieferungen. Wie war das einst, wenn Menschen Fleisch verzehrten? Da war jede Mahlzeit, zu der Tiere geschlachtet wurden, eine Opfermahlzeit, ein kultischer Akt. Die Gottheit wurde angerufen um Versöhnung; denn den Menschen war bewusst, Leben lebt von Leben, das auch ein Recht auf Leben hat. Darum wurden Tiere nicht bedenkenlos geschlachtet, und man genoss Fleisch in Maßen. Vieh, Geflügel, Fische waren keine Massenware; sie galten als kostbare Nahrung, die man mit Andacht genoss. Kostbare Nahrung – man ließ es sich einiges kosten, Nutztiere zu halten. Bei der Aufzucht wie auf der Weide gewährte man ihnen ein ihrer Art gemäßes würdiges Leben, weil sie Lebewesen sind, uns Menschen verwandt. Heute, bei industrieller Massentierhaltung, heißt es: „Tierproduktion“, „Fleischproduktion“. Das sind, an unserer kulturellen Tradition gemessen, barbarische Begriffe; denn Tiere werden nicht industriell erzeugt. Sie werden gezeugt und geboren, wie Menschen eben auch gezeugt und geboren werden. Vieh, das ist keine Sache; das sind lebende Wesen, denen eine ihnen entsprechende Ehrfurcht gebührt. Wer sie ihnen vorenthält, entwürdigt nicht nur das Tier, sondern auch sich selbst. Es liegt eine tiefe, uralte Weisheit darin, dass in der Schöpfungsgeschichte, wie sie die Bibel erzählt, das Vieh und der Mensch am gleichen Tage erschaffen werden. Und für beide heißt es: „Und Gott segnete sie.“ Und das bedeutet dann: Wenn der Mensch den ihm anvertrauten Tieren, dem Vieh den Segen raubt, dann bringt er sich selbst um den Segen. Industrielle Massentierhaltung ist nicht nur des Tieres unwürdig, sondern auch des Menschen. Und das bleibt nicht ohne Folgen für ihn. Ob industrielle Massentierhaltung die Umwelt beeinträchtigt, ist umstritten. Unbestreitbar ist: Bei industrieller Massentierhaltung, bei der es nur noch um „Fleischproduktion“ geht, nimmt der Mensch auf Dauer Schaden. Es beginnt im Kopf: Menschen werden gedanken- und bedenkenlos. Man isst Fleisch und vergisst das Tier. Und wenn Anlagen dieser Art, wie sie für diesen Ort geplant ist, in der Landschaft stehen, dann hält man das für normal. Ist doch genehmigt. Was den Tieren, die in sogenannten Modulen ihr Dasein fristen müssen, angetan wird, wird vergessen. Man hält eine solche Anlage für normal. Dann geht es weiter: Das Mitgefühl, das Mitempfinden für die gequälte Mitkreatur geht verloren. Den Tieren werden doch Leiden zugefügt: Auf zwei Quadratmetern muss ein Schwein, ohne je das Licht der Sonne erblickt und natürliche Luft geatmet zu haben, für die „Fleischproduktion“ dahinvegetieren. Und schließlich: Industrielles Fleisch ist ein anderes Fleisch als Naturfleisch. Es ist von minderer Qualität und der Gesundheit des Menschen weniger zuträglich. Darum sollten wir weniger, aber gehaltvolleres Fleisch essen. Das kostet mehr, aber gibt auch mehr. Zum Abschluss eine Voraussage: Es ist abzusehen, dass in wenigen Jahrzehnten solche Vieh-Zuchthäuser, wie hier geplant, in Deutschland nicht mehr genehmigt werden. Durch Schaden, so heißt es, wird man klug. Besser wäre es, wir würden heute schon nachdenken und den Schaden vermeiden, den auch wir durch einen menschenunwürdigen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen, dem Vieh, zwangsläufig erleiden.

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