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() Peter Ramsauer in seinem Element.
Peter Ramsauer: Minister fürs Unerfreuliche

Peter Ramsauer kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen als den des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dabei wäre der CSU-Politiker, der manchmal denkt und redet wie ein Linker oder ein Grüner, fast Konzertpianist geworden.

Die Partitur hat er griffbereit auf seinem Schreibtisch: Klavierkonzert Nr. 21., C-Dur, KV 467 von Mozart. Besonders der zweite Satz, das herrliche Adagio, hat es dem Minister angetan. „Das ist viel komplizierter und schwieriger zu spielen als es sich anhört.“ Peter Ramsauer hat den Solopart im Kopf. Trotzdem studiert er die Noten, wann immer er Zeit hat in Berlin. Geübt wird dann am Wochenende zu Hause – stundenlang. Im Herbst soll das Konzert für eine CD „eingespielt“ werden. Klavier lernte er schon als kleiner Bub. Im Internat entdeckte sein Lehrer Franz Weilnhammer 1964 dann das Talent des Zehnjährigen und förderte ihn. Konzertpianist wollte er werden. Aber nachdem er 1973 Abitur gemacht hatte, entschloss er sich anders: Der Spross einer wohlhabenden Müllerfamilie wurde Müllermeister, Diplomkaufmann, Doktor der Staatswissenschaft, CSU-Politiker und 1990 Bundestagsabgeordneter. Mit den bayerischen Hardlinern stimmte er vor 20 Jahren gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Staatsgrenze zu Polen. Schon acht Jahre später war er Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Eine steile Karriere. Das Strippenziehen lernte er von Michael Glos. Und als der Anführer der CSU-Riege im Bundestag 2005 widerwillig Minister wurde, rückte Ramsauer ihm nach. Seit 2009 sitzt er nun im Kabinett, und er kann sich „keinen schöneren Beruf vorstellen“. Nicht einmal Verteidigungsminister wollte er werden, nachdem Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten war. Seine Kinder seien zu klein, so seine sympathische Begründung, „um jetzt nur noch in gepanzerten Wagen herumzufahren“. Dabei muss er auch als Verkehrsminister ständig den Kopf für Unerfreuliches hinhalten: für ICE-Züge, die im Sommer wegen allzu großer Hitze, im Winter wegen eingefrorener Weichen und zwischendurch immer wieder mal wegen streikender Lokführer liegen bleiben, für Aschewolken, die den Flugverkehr lahmlegen und für die vielen Schlaglöcher auf westdeutschen Straßen, die so zahlreich geworden sind, dass die Autofahrer voller Neid auf das inzwischen viel modernere Straßennetz in der ehemaligen DDR gucken. Hinzu kommt der Ärger, den der Bauminister angesichts leerer Kassen mit dem vom Parlament beschlossenen teuren Neubau des Berliner Stadtschlosses hat. Ramsauer würde in jeden oberbayerischen Heimatfilm passen: Braun gebrannt, schlank, sportlich, stahlblaue Augen, silbergraues Haar, dazu ein scharf geschnittenes, fast römisches Profil – ein Naturbursche. Zugleich aber auch ehrgeizig, zupackend, ein Mann mit Prinzipien, der weiß, was er will. Als „schönsten Politiker Deutschlands“ pries ihn (mit ironisch-neidischem Unterton) sein Vorsitzender Horst Seehofer, als „Bilderbuchbayer“ die Süddeutsche Zeitung. Und es stimmt ja auch: Er ist ein stattlicher Kerl, in der Heimat geerdet. Dort fühlt er sich auch am wohlsten. Traunwalchen heißt das idyllische Dorf im Chiemgau, wo er 1954 geboren wurde und immer noch der Ramsauerpeter, genannt „Ramses“ ist, den jeder kennt. „Einer von uns“ stand auf seinen Wahlplakaten. Hier kann er angeln, wandern, bergsteigen und Ski fahren und hier steht auch sein Bechstein-Flügel, den er sich selbst zum 40. Geburtstag geschenkt hat. Musik und Politik, wie geht das miteinander? „Den Aufbau einer Beethoven-Sonate zu studieren“, mache ihm „genauso viel“ Spaß wie die Lektüre des Bundesverkehrswegeplans, hat er allen Ernstes mal gesagt. Erst die nachgeschobene Begründung enthüllte den Hintersinn des Satzes: „Beides birgt so viele Geheimnisse und Interpretationsmöglichkeiten, dass es spannend ist, sich damit zu befassen.“ Ramsauer ist ein Konservativer, aber über bestimmte Themen redet er wie ein linker Sozialdemokrat. Über Privatisierungen zum Beispiel. Die seien in den siebziger Jahren schwer in Mode gekommen. Wer kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Bauhöfe oder die Müllabfuhr nicht privatisieren mochte, habe als altmodisch gegolten. „Heute haben wir aus guten Gründen und schlechten Erfahrungen längst eine Gegenbewegung.“ Auch mit der Privatisierung der Bahn lässt er sich Zeit. „Die Bahn wird nicht verramscht.“ Der Bundesverkehrsminister findet es zwar in Ordnung, dass aus dem Staatsbetrieb ein Unternehmen wurde. Aber: „Der Staat sollte sie nicht komplett verkaufen. Ihr Unternehmensziel darf nicht immer die Gewinnmaximierung sein.“ Das habe ihm schon sein Doktorvater beigebracht. Und die von den Liberalen immer mal wieder verlangte Privatisierung des Fluglotsenbetriebs? „Wird es mit mir nicht geben!“ Beim Thema Kernkraft argumentiert der Schwarze wie ein Grüner: Er ist gegen Atommeiler, weil sie „die nachfolgenden Generationen mit schweren Hypotheken“ belasten, gegen Kohle- oder Gaskraftwerke, weil sie nur fossile Brennstoffe verbrauchen, „ohne dass etwas nachkommt“. Seine oft bekundete „Liebe zur Natur“ hat nachvollziehbare Gründe: Seit mehr als vier Jahrhunderten betreiben die Ramsauers am Ufer der Traun eine Mühle. Sie leben von der Wasserkraft des Flusses, der dem Ort, der Stadt und dem Landkreis den Namen gegeben hat. Früher wurde hier Korn gemahlen, heute produziert der Bundesverkehrsminister in seiner Mühle Ökostrom. Und oberhalb der Mühle, am Berghang, hat er mit „viel Tüftelei“ ein Biotop mit großen Teichen und einer Fischtreppe angelegt. Wenn er hier sitzt und angelt oder den Forellen zuschaut, die über seine Wassertreppe springen, ist Berlin ganz weit weg. Aber auch ganz nah. Auf der Fischtreppe, sagt er, gehe es nämlich zu „wie in der Politik: Wer aufsteigt, muss auch wieder absteigen.“

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