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Pegida und andere Sorgen - Bei Angst das Licht anmachen

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Die Pegida-Proteste zeigen: Fakten helfen nicht, wenn die Angst regiert. Gegen die Angst hilft nur die Erfahrung - oder das Licht

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Wer bei uns aus der Tür tritt, der steht im Wald. Ein paar Meter entfernt, gluckst es im Moor, ragen kahle Äste in den Winterhimmel. Wenn dann noch der Nebel aufzieht und das Kreischen eines verwundeten Tieres die Nacht durchbricht, packt den ein oder anderen Besucher schon einmal die Angst. Als ich mich vor eineinhalb Jahren mental auf unseren Umzug aufs Land vorbereitete, bereitete mir diese Düsternis da draußen auch Sorge.

Die Vorstellung, dass mir während des sonntäglichen Tatorts der Heidemörder direkt in die gute Stube gucken könnte, fand ich verdammt beklemmend. Noch bevor ich ein Sofa in mein neues Wohnzimmer stellte, sorgte ich also für Vorhänge. Und das obwohl ich wusste, dass ein gaffender Heidemörder in unserem Garten sehr sehr unwahrscheinlich sein würde.

Die Angst vor dem Unbekannten
 

Dann begegnete ich der Realität. Anders als in der Stadt, bin ich nun viel mehr draußen, sehe nach den Tieren, streiche durch den Wald, sitze am Feuer während hinter mir in der Dunkelheit ein Käuzchen ruft. Und wenn ich heute einen Krimi schaue, bleiben die Vorhänge offen. Ich habe keine Angst mehr vor dem Draußen.

Denn wer hinaus geht in die Dunkelheit, der gewöhnt sich an sie, merkt, dass es hier nichts zu befürchten gibt. Gegen meine Ängste halfen keine Statistiken über Raub- und Gewaltdelikte in der Nordheide. Es halfen nur Erfahrungen. Wer die nicht macht, der richtet es sich mit seinen Ängsten auf der Couch ein. So habe ich es im saubersicheren bayrischen Studentenstädtchen erlebt, wo der Nachbar sich vor „den Türken“ gruselte, von denen weit und breit keine zu sehen waren. Hier in Niedersachsen tummeln sich einige Dorfmitbewohner in sozialen Netzwerken und hetzen gegen Flüchtlinge, von denen ihnen im täglichen Leben kaum einer begegnet. Und nun erschrickt ein Großteil unseres Landes über das schöne Dresden, wo „Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße gehen.

Fakten helfen nicht
 

Sie formulieren Ängste, denen die statistische Grundlage fehlt. In einem Bundesland mit 0,1 Prozent Muslimen warnt einer vor den „Typen von Isis“, die „unseren Kindern die Hälse durchschneiden“, der andere kämpft gegen Burkas, während man schon mit der Lupe nach vollverschleierten Frauen suchen muss und Anrainer thematisieren die Gefahr von Flüchtlingsunterkünften obwohl alle Zahlen belegen, dass die Kriminalität durch diese keineswegs ansteigt. Aber Fakten helfen nicht, wenn die Angst regiert. AfD-Sprecher Konrad Adam resümierte nach der tödlichen Geiselnahme in Australien, diese zeige, „dass es keiner Masseneinwanderung bedarf, um Menschen in Gefahr zu bringen. Ein Einzelner genügt”. Das ist nicht rational. Und klug ist es auch nicht.

Aber unsere Ängste bündeln sich heute global. Dank der menschlichen Vorstellungskräfte übertragen sie sich mühelos von einem ans andere Ende der Welt. Während unsere Hühner nach zwei erfolgreichen Habichtangriffen trotzdem wieder raus aus dem schützenden Stall drängen, fürchten wir Menschen einen Heidemörder ohne ihn jemals gesehen zu haben.

Wenn meine Tochter Angst vor der bösen Hexe hat, machen wir das Licht an. Hinschauen hilft. Genau wie rausgehen in die Dunkelheit oder unter Menschen. Fragen, antworten, informieren, kurz: Bildung.

Angst zu haben, ist keine Schande. Es sich mit ihr auf dem Sofa bequem zu machen, schon.

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