
- Der „Pinocchio-Kanzler“ und seine Helfer in Justiz und Medien
Durch die Freigabe eines geheimen Protokolls ist offiziell, was ohnehin offensichtlich war: Olaf Scholz‘ „Erinnerungslücken“ im Cum-Ex-Skandal sind eine schlechte Ausrede. Doch die Hamburger Staatsanwaltschaft und dem Kanzler wohlgesonnene Journalisten geben noch einmal alles, um ihn zu schützen.
Ausgerechnet die sonst Scholz-kritische Bild-Zeitung berichtet im Cum-Ex-Skandal wie eine inoffizielle SPD-Pressestelle. Zumindest die Hamburg-Redaktion der auflagenstärksten Zeitung Deutschlands verbreitet in der Causa Warburg-Bank wiederholt (siehe hier und hier) derart offensichtliche Falschbehauptungen, dass sich der Verdacht gezielter Desinformation aufdrängt. „Das steht wirklich im Cum-Ex-Protokoll des Bundestags“, betitelte Redakteur Markus Arndt seinen Artikel vom 30. Dezember, der Scholz einen Freispruch in Sachen „Erinnerungslücken“ erteilt, obwohl ebenjenes Protokoll der offizielle Beweis dafür ist, dass diese eine schlechte Ausrede sind. Doch dazu später mehr.
Auf Nachfrage verschwieg SPD die Treffen
Olaf Scholz behauptet bekanntlich, sich an seine Treffen mit Warburg-Chef Christian Olearius nicht erinnern zu können. Von 2007 an machte die Hamburger Warburg-Bank durch Cum-Ex-Geschäfte, bei denen sich die Akteure durch Tricks einmal abgeführte Kapitalertragsteuern mehrfach erstatten ließen, auf Kosten des Steuerzahlers Gewinne im dreistelligen Millionenbereich. Nachdem Cum-Ex für illegal erklärt wurde, stellte das Finanzamt Hamburg Rückforderungen.
Scholz, damals Erster Bürgermeister der Hansestadt, traf sich 2016 zwei Mal mit Olearius, gegen den bereits wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Olearius überreichte Scholz ein Schreiben mit Argumenten, warum seine Bank das Cum-Ex-Geld nicht zurückzahlen solle. Nach einigen Tagen rief Scholz Olearius proaktiv an und empfahl ihm, das Schreiben an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher weiterzuleiten.
Lesen Sie hier die Titelgeschichte der Cicero-Märzausgabe 2022, in der Oliver Schröm und Ulrich Thiele ausführlich Olaf Scholz' Verstrickung in den Cum-Ex-Skandal dokumentieren: „Wer verschweigt, hat etwas zu verbergen“
Acht Tage später die freudige Nachricht: Das Finanzamt hatte eine 180-Grad-Kehrtwende gemacht und ließ die Rückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren. Scholz verschwieg die Treffen, auch jenes dritte im Jahr 2017, als sich das Prozedere nach einer weiteren Rückforderung, diesmal in Höhe von 43 Millionen Euro, wiederholte. Noch im November 2019 lautete die Antwort der Hamburger SPD auf eine Kleine Anfrage der Linken, es habe keine persönlichen Gespräche zwischen Senatoren und der Warburg-Bank über das Cum-Ex-Verfahren gegeben.
Genosse blufft und setzt Spin in Medien
Die Frage, ob es politischen Einfluss auf die Entscheidung des Finanzamts gegeben hat, ist die eine Sache. Im Falle des Bundestagsprotokolls geht es aber um etwas anderes, nämlich ausschließlich um Scholzens teils strafrechtlich relevante Falschaussagen in puncto „Erinnerungslücken“. Nachdem im Februar 2020 eines der Treffen – das dritte aus dem Jahr 2017 – dank der Tagebucheinträge des Warburg-Bankiers öffentlich wurde, musste Scholz, damals Finanzminister, zwei Mal vor dem Finanzausschuss des Bundestags aussagen.