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Nacktzensur bei Facebook - „Von Pornografie sind wir ganz weit weg“

Brüste sind Tabu. Nacktbilder werden bei Facebook gelöscht. Sieglinde Ivo, Präsidentin der Internationalen Naturisten-Föderation, wehrt sich. Im Interview spricht sie über Zensur, Nacktheit und die weltweite FKK-Bewegung

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Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Frau Ivo, die blödeste Frage zuerst: Was haben Sie gerade an?
Die Temperaturen lassen nichts anderes zu, als sich warm anzuziehen. Wenn es empfindlich kalt ist, wird sich auch ein Naturist nicht ausziehen. Wenn es sich aber anbietet, wenn man sich wohlfühlt, dann zieht man sich natürlich aus.

Sie wehren sich gegen den restriktiven Umgang sozialer Netzwerke mit Nacktheit. Welche Erfahrungen hat Ihr Verband gemacht?
Leider Gottes nicht die besten. Wenn wir bei Facebook ein Bild einer Veranstaltung posten, sind da nun mal nackte Menschen drauf. Selbst, wenn wir diese nur von hinten zeigen, wird der Account geschlossen. Das ist nicht fair. Dabei achten wir immer darauf, dass keine Details zu sehen sind. Aber nicht einmal das ist bei Facebook gestattet. Die sträuben sich ja gegen alles.

Wie begründet Facebook diese Maßnahmen?
Da gibt’s keine Begründung. Die haben halt ihre Richtlinien. Ich verstehe ja, dass die keine Pornobilder wollen. Von Pornografie sind wir aber ganz weit weg, weil wir unsere Mitglieder in einer natürlichen Umgebung zeigen und nicht bei Handlungen. Das würden wir auch nicht unterstützen. An der Publikation von zweideutigen oder fragwürdigen Geschichten haben wir kein Interesse.

Brustwarzen werden rasch gelöscht, bei Hasskommentaren ist Facebook hingegen sehr liberal. Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?
Gar nicht. Nehmen Sie eine stillende Frau. Das soll eine schreckliche Sache für Facebook sein? Was dürfen wir jetzt eigentlich alles nicht mehr zeigen? Sollen wir bald alle mit einer Burka rumlaufen? Das ist jetzt wirklich bös' formuliert, aber eigentlich sollten wir natürliche Dinge zeigen dürfen. Schlagen Sie mal eine Tageszeitung auf. In 50 Prozent der Fälle sehen Sie einen nackten Menschen abgebildet. Wir leben doch in einer Zeit, in der Nacktheit niemanden mehr schockiert.

Was bedeutet für Sie Nacktheit?
Wohlfühlen. Dass ich nichts Einengendes an mir habe. Wer sich einmal nackt im Wasser oder in der Natur bewegt hat, der weiß, was ich meine. Wobei ich jetzt ganz strikt drauf hinweisen muss, dass wir uns zwar nackt bewegen, aber auf keinen Fall auf Konfrontation mit angezogenen Leuten aus sind. Wir haben unsere Gebiete, Vereinsstätten und Clubs. Es gibt auch ausgewiesene Nacktwanderwege...

Auch eine Form der Parallelgesellschaft.
Wir legen Wert darauf, dass wir niemanden provozieren. Dass wir nicht mit angezogenen Menschen zusammentreffen, wenn sie das nicht wollen. Wir wollen ja keine Textilmenschen zum Naturismus rekrutieren. Man sollte uns so leben lassen, wie wir das wollen.

Sie nehmen offenbar sehr viel Rücksicht auf die sogenannten Textilmenschen. Begegnen Ihnen die Angezogenen mit demselben Respekt, derselben Rücksicht?
Nein. Das finde ich schade, weil es ist ja Platz genug für alle. Wir haben beispielsweise in meiner Heimat Linz zwei Badeseen, die für FKK ausgewiesen sind. Kommt ein Naturist in den Textilbereich, zieht er sich natürlich etwas an. Umgekehrt ist das nicht der Fall. Textilleute gehen angezogen durch.

Sie fänden es also besser, wenn die sich ausziehen?
Ja. Wer sich dabei nicht wohlfühlt, kann sich ja ein Handtuch umhängen. Dann zeigt man zumindest guten Willen. Besser als ganz protzig mit Badehose oder Badeanzug durchzugehen. Das gehört sich nicht.

Sprechen Sie die Leute dann auch an und sagen: „Ausziehen!“?
Ich sage, „Sie wissen aber schon, dass das ein FKK-Bereich ist?“ Die Leute sind aber oftmals eh nur auf Provokation aus.

Ihr Verband ist international in 41 Ländern vertreten. Welche Unterschiede stellen Sie im internationalen Vergleich im Umgang mit Nacktheit fest?
Da gibt es sehr große Unterschiede. Amerika ist nach wie vor sehr prüde. Die Mitglieder dort kämpfen dafür, öffentlichen Raum zu bekommen. Wir haben eine neue Föderation in Thailand dazu bekommen. Dort ist man auch sehr streng, was den öffentlichen Umgang mit Nacktheit betrifft. Dort findet alles auch nur hinter hohen Zäunen statt. Auch in der Türkei bestehen zwei Clubs, und es werden dort Schiffsreisen angeboten.

Moment. In der Türkei? In einem islamisch geprägten Land?
In dem Moment, wo man die Küste anläuft, wird sich natürlich angezogen. Das funktioniert eigentlich sehr gut.

In welchem Land haben Sie die meisten Mitglieder?
In den Niederlanden. Ein sehr reisefreudiges Volk.

Die Internationale Naturisten-Föderation hält alle zwei Jahre eine Generalversammlung ab. Wie muss ich mir das vorstellen? Wird dann nackt abgestimmt?
Jein. Der letzte Kongress war in Irland. Dort ist Naturismus fast gar nicht bekannt. Wir waren in einem großen Areal untergebracht. Es waren vier wunderschöne heiße Tage. Uns wurde vorm Konferenzraum ein extra Bereich auf der Wiese zur Verfügung gestellt. Dort konnten wir uns in den Pausen dann ausziehen. Wir wollen aber niemanden mit unserer Nacktheit brüskieren. Wir sind nur dann nackt, wenn es das Umfeld erlaubt. Zum Abendessen zum Beispiel würden wir nie nackt gehen.

Das versteh' ich jetzt nicht.
Das schickt sich nicht. Bei einem Abendessen in feierlichem Ambiente würden Sie nie einen nackten Naturisten sehen. Zum Mittagessen im Freien, kein Problem, aber nicht abends, da zieht man sich einfach an.

Sieglinde Ivo ist die Präsidentin der Internationalen Naturisten-Föderation (INF-FNI), dem Dachverband der FKK-Bewegung mit 208 000 Mitgliedern in 41 Ländern (davon 180.000 Mitglieder in Europa).

Das Interview führte Timo Stein

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