Muezzin-Ruf in Köln - Zweifelhafter Ruf zum Gebet 

In einem Pilotprojekt der Stadt Köln darf seit heute in der Zentralmoschee erstmals ein Muezzin per Lautsprecher zum Freitagsgebet rufen. Damit soll die Integration gefördert werden. Doch die Moschee ist eine Gründung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), die direkt dem türkischen Präsidenten Erdogan untersteht - und Verbindungen ins islamistische Milieu hat.

Muezzin Mustafa Kader ruft erstmals per Lautsprecher zum Gebet / dpa
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Autoreninfo

Dr. Andreas Jacobs ist Leiter des Teams Gesellschaftlicher Zusammenhalt der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Wenn sich zum Fastenbrechen die Sonne hinter der Kairoer Altstadt wegduckt und der Ruf des Muezzin von der Sultan-Hassan-Moschee den Azhar-Park hochsteigt, ist das auch für Nichtmuslime ein bewegendes Erlebnis. Wenn aber ab heute der Gebetsruf der Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) am Freitagmittag über die Venloer Straße in Köln weht, ist das für viele eher ein unnötiges Ärgernis.  

Denn die Kölner Zentralmoschee hat einen zweifelhaften Ruf. Sie wurde 2018 vom türkischen Präsidenten Erdogan politisch aufmerksamkeitswirksam eingeweiht. Deutsche Politiker bekamen damals kein Rederecht und blieben der Einweihung fern. Das Ereignis geriet so zur Jubelfeier für den türkischen Staatspräsidenten, der ein Gebäude eröffnete, in dem die Gläubigen unter einer Kuppe mit türkischer Staatssymbolik beten. Aber auch nach der umstrittenen Einweihung gab es schlechte Presse. Anfang 2019 sollen sich hier nach Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers Ditib-Funktionäre mit Vertretern der islamistischen Muslimbruderschaft getroffen haben. Die von Experten längst vermuteten Verbindungen der türkischen Religionsbehörde ins transnationale islamistische Milieu waren damit auf deutschem Boden offenkundig geworden. Die grundsätzliche und allseits bekannte Kritik am Ditib-Verband kommt noch dazu. 

Der Gebetsruf ist zur freien Religionsausübung nicht notwendig

Warum also ausgerechnet diese symbolträchtige Moschee? Die Stadt Köln hatte das Projekt zur Beantragung von Gebetsrufen vor einem Jahr ins Leben gerufen und sich auf die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit berufen. Nur wenige Moscheen reichten einen Antrag ein, als erste die Zentralmoschee, mit der jetzt der öffentlich-rechtliche Vertrag zustande kam. Die Zurückhaltung der anderen Kölner Moscheen mag finanzielle Ursachen haben. Das erforderliche Schallschutz-Gutachten ist teuer. Aber es gibt auch andere Gründe. Der Gebetsruf wird in der islamischen Rechtstradition zwar empfohlen, ist zur freien Religionsausübung bzw. für die Gültigkeit des Gebets nach ganz überwiegender Lehrmeinung aber nicht notwendig. Viele Gemeinden befürchten schlechte Publicity und die Bedenken der Anwohner. Solche Bedenken sind nicht unbegründet. Anders als das Glockengeläut der Kirchen beinhaltet der Gebetsruf das islamische Glaubensbekenntnis und damit eine religiöse Botschaft. Wie viele andere religiöse Botschaften, wird dieses manchmal politisch genutzt und gelegentlich ideologisch missbraucht. Gebetsrufe in mehrheitlich nichtislamischen Ländern sind daher immer ein sensibles Thema.  

Bedenken der Bürger wurden übergangen

Dass dennoch in einer Reihe deutscher Moscheen auch über Lautsprecher zum Gebet gerufen wird, ist dort kein Problem, wo die Gemeinden transparent agieren, Anwohner und Kommunen einbeziehen und Bedenken ausgeräumt werden. Auch in Köln hätte es Fingerspitzengefühl und Sensibilität für die Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern gebraucht. Tatsächlich wurde hier aber über viele Köpfe hinweg entschieden. Klagen gegen den Gebetsruf sind absehbar. Politischer Missbrauch aus verschiedenen Richtungen ebenso. Ob das der Akzeptanz des Islam oder von Religion allgemein im öffentlichen Raum hilft, ist fraglich. Religionsskeptiker und Glaubenskritiker fordern bereits ein Verbot des Gebetsrufs – und des kirchlichen Glockengeläuts.  

Der Vertrag mit der Zentralmoschee über den Gebetsruf bezieht also einen schwierigen Partner ein, ist zur Gewährleistung der Religionsfreiheit eher unerheblich und ist anfällig für politischen Missbrauch. Als religions- oder integrationspolitisches Signal eignet er sich nicht. Aber er passt in eine politische Großwetterlage, die Religionspolitik vor allem als Integrations- und Antidiskriminierungspolitik begreift und allenfalls als Symbolpolitik betreibt. Dabei gäbe es mit der Finanzierung von Moscheegemeinden oder der Ausbildung und Beschäftigung von Imamen weitaus wichtigere Baustellen einer Politik der respektvollen und anerkennenden Beheimatung des Islam in Deutschland.  

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