
- Szenen einer seltsamen Ehe
Seit drei Jahrzehnten ist Angela Merkel in der CDU. Niemandem sonst ist es gelungen, der Union derart den eigenen Stempel aufzudrücken. Dennoch hat die Kanzlerin zuletzt beiläufig in der Bundespressekonferenz gesagt, die Partei stehe ihr lediglich „nahe“ – nicht anders herum.
Angela Merkel und die CDU, das sollte eigentlich eine klare Angelegenheit sein. Seit knapp 31 Jahren ist die Kanzlerin Mitglied dieser Partei, war ein gutes Jahr Generalsekretärin, 18 Jahre lang (2000 bis 2018) Parteivorsitzende, viermal Kanzlerkandidatin und 16 Jahre Bundeskanzlerin mit CDU-Parteibuch. Viel mehr Verbundenheit geht eigentlich gar nicht.
Die Quotenfrau unter Kohl
Aber so einfach liegen die Dinge nicht. Die westdeutsch geprägte, von Männern dominierte CDU hatte mit der jungen Ostdeutschen gefremdelt, als sie Anfang 1991 plötzlich als Frauenministerin im Kabinett Kohl auftauchte und im Dezember desselben Jahres zur ersten und einzigen Stellvertreterin Helmut Kohls an der Parteispitze aufstieg. „Kohls Mädchen“ hatte indes ebenfalls Probleme mit der Partei. Neben dem übermächtigen „Kanzler der Einheit“ als dreifache Quotenfrau – weiblich, jung, aus dem Osten – nicht unterzugehen, war schwer genug. Obendrein gab es nicht wenige westdeutsche „Parteifreundinnen“, die sich alle für qualifizierter hielten als die Neue.
An der schwierigen Beziehung Merkels zur CDU hat sich bis heute offenbar nicht viel geändert. Wo sie denn den Wahlabend am 26. September verbringen werde, wurde Merkel bei ihrem wohl letzten Auftritt vor der Bundespressekonferenz gefragt. Ein Kohl, ein Koch, ein Merz oder ein Laschet hätten da gesagt: „Bei meiner Partei“ oder „mit einigen Freunden von der CDU.“ Merkel indes geriet verbal ins Schleudern. „Ich werd‘ schon Verbindung zu der Partei haben, die – ähm – mir nahe …, deren Mitglied ich bin,“ brachte sie unter Gelächter im Saal heraus. Dann präzisierte sie: „Also, sie steht mir nahe und ich bin ihr Mitglied. Also ein doppeltes Bekenntnis.“
Die Union war nie Merkels Zuhause
Merkels Geschwurbel war verräterisch. Auf die Idee zu sagen, „bei meiner Partei“, kam sie erst gar nicht. Die Kanzlerin hat die Union nie als Familie verstanden oder als einen Zusammenschluss von Gleichgesinnten, die mehr verbindet als das gemeinsame Parteibuch. Die CDU war für die „Physikerin der Macht“ stets ein notwendiges, unverzichtbares Instrument, um Politik machen zu können. Aber kein Zusammenschluss, zu dessen übrigen Mitgliedern sie ein besonders emotionales Verhältnis gehabt hätte oder hat. Wenn Merkel nach ihrem Abschied von der Politik etwas nicht vermissen wird, dann wohl die Partei mit ihren Ritualen, ebenso wenig das gesellige Zusammensein mit „Parteifreunden“. Gesellig kann Merkel sein, aber nicht mit Leuten, die sie wegen ihrer Parteiämter an ihren Tisch bitten muss, nicht weil sie sich ihnen besonders verbunden fühlt.