
- Der Moral-Abrüster
Der Dramaturg Bernd Stegemann gilt als Vordenker der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht. Er will den Blick wieder auf die ökonomischen Verhältnisse lenken
Warum die Linken nicht mehr links sind, diese Frage treibt Bernd Stegemann schon lange um. Der Philosoph und Dramaturg sitzt in einem Berliner Biergarten, trinkt trotz der Augusthitze einen Kaffee und polemisiert gegen die sogenannte postmoderne Linke. Gegen die Doppelmoral jenes liberalen Milieus, das von der Globalisierung profitiert und sich im kosmopolitischen Kokon der Besserverdienenden des Mitgefühls für Flüchtlinge und einer Politik der Vielfalt rühmt, gleichzeitig jedoch moralische Haltungsnoten an die Verlierer des entfesselten Wirtschaftsliberalismus verteilt.
Der 51-Jährige schätzt die Zuspitzung, wie im Theater. Er arbeitet als Dramaturg am Berliner Ensemble, lehrt an der Schauspielschule Ernst Busch und gilt als Vordenker der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ um die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. „Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie“, so lautet der Titel seines 2017 erschienenen Buches. Wagenknecht las es begeistert, so wurden beide zu politischen Weggefährten.
Stegemann – von großer Statur, mit weicher Stimme und dünner Brille – wirkt beschwingt. Er genießt seine neue Rolle im Politikbetrieb. Um ihn herum schart sich ein wachsender Kreis linker Intellektueller, die den Doppelcharakter des Liberalismus thematisieren. Nicht als Konkurrenz zu den linken Parteien versteht man sich, sondern als Versuch, Debatten eine neue Richtung zu geben.