
- „Kinder und Jugendliche sind halt keine Wähler"
Der Berliner Kinderarzt Jakob Maske sieht vermehrt kleine Patienten in seiner Praxis, die mit für die Jahreszeit untypischen Infekten kämpfen. Und das sind nicht die einzigen gesundheitlichen Herausforderungen für Kinder und Jugendliche in Pandemiezeiten.
Jakob Maske ist seit 1996 Kinder- und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Seit 2008 arbeitet er als niedergelasener Kinderarzt im Berliner Stadtteil Schöneberg.
Herr Maske, fast in ganz Deutschland sind Sommerferien, und trotzdem kommen in die Arztpraxen derzeit viele Kinder mit Krankheiten und Infekten, die eigentlich eher typisch für den Winter wären. Ist diese Entwicklung besorgniserregend?
Wir sehen tatsächlich viele Infekte, die eher untypisch für diese Jahreszeit sind. Normalerweise kommen diese Infektionen eher bis April und dann wieder ab September vor. Aber in der Regel sind sie für Kinder trotzdem harmlos.
Und diese derzeitige Krankheitswelle kommt dadurch zustande, dass die Kinder in der Corona-Pandemie „zu hygienisch“ gelebt haben und sich nicht ansteckten?
Wahrscheinlich haben die Viren ein bisschen länger geschlummert und kommen nun wieder hervor, wenn sich Kinder untereinander treffen und die Infekte weitergeben können.
Was ist anders am Immunsystem von Kindern, sodass diese Welle Erwachsene kaum trifft?
Die Immunsysteme von Erwachsenen und Kindern unterscheiden sich eigentlich gar nicht. Aber Kinder haben bestimmte Infekte eben noch nicht durchlebt. Im Gegensatz dazu haben Erwachsene im Kindesalter diese Erkrankungen schon einmal durchgemacht und sind dann gegen einige von ihnen gefeit, da sich Gedächtniszellen und Antikörper gebildet haben.
Also sind die Kinder in der Corona-Pandemie zu sehr „in Watte gepackt“, was die Hygiene betrifft?
Da muss man natürlich immer unterscheiden. Es ergibt gar keinen Sinn, im privaten Bereich Flächen zu desinfizieren, die einfach abgewischt werden können. Viele Bakterien und Viren sind etwas, womit wir gut leben können und die auch wichtig für unseren Körper sind. Nichtsdestotrotz hebelt das aber nicht die grundsätzlichen Hygieneregeln aus: Hände waschen vor dem Essen oder nach dem Toilettengang bleiben weiterhin sinnvoll.
In der Medizin wird immer wieder darüber diskutiert, inwiefern eine zu hygienische Umgebung Auslöser für spätere Allergien oder Asthma sein kann. Könnte dieser sogenannte Bauernhofeffekt auch in der Corona-Pandemie eine Rolle spielen, sodass viele Kinder in Zukunft noch mehr Allergien und Asthma entwickeln?