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Karenzzeiten für Politiker - Früher Minister, heute Türöffner

Dass Politiker nach ihrer Karriere in die Wirtschaft wechseln, ist nicht das Problem. Was uns besorgen sollte: Immer mehr Spitzenpolitker werden Lobbyisten

Autoreninfo

Philipp Daum ist Schüler an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München. Vorher hat er Politik, Geschichte und Jura in München und Santiago de Compostela studiert. Er schreibt für Cicero Online.

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Arme Minister. Die letzte Diätenerhöhung ist bald elf Monate her, die Grünen fordern strengere CO2-Grenzwerte für die Dienstwägen, und jetzt auch noch ein Berufsverbot. Die Karenzzeit für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre schränke die Freiheit ein und greife auf massive Weise in das Leben ehemaliger Kabinettsmitglieder ein. Schreibt Hugo Müller-Vogg.

Doch niemand verbietet einem Minister, der zum Juristen oder Lehrer ausgebildet wurde, nach seiner Amtszeit als Jurist oder Lehrer zu arbeiten. Die Karenzzeit greift nur für den Fall, dass Interessenskonflikte vorliegen. Und in den allermeisten Fällen liegen keine Konflikte vor. Ein Minister, der in seinen angestammten Beruf zurückkehrt, hat nichts zu befürchten. Dort wird er nicht dafür bezahlt, dass er Kontakte und politische Informationen mitbringt, sondern dass er das macht, was er gelernt hat.

Müssen wir uns nun Sorgen um die Politik machen? Sorgen, dass der erschwerte Wechsel in Unternehmen politische Arbeit unattraktiv mache und zu einem Fachkräftemangel in den Ministerien führe? Sorgen um den Ruf von Politikern, die unter dem Generalverdacht stünden, käuflich zu sein? Einige Unionspolitiker taten sich mit dem eigenen Projekt so schwer, dass sie bekräftigten, dass der Wechsel in die Wirtschaft natürlich weiter möglich sein müsse: So verteidigte der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Böhmer, die im Gesetz vorgesehenen Lücken: „Wechsel von der Politik in die Wirtschaft sind aus meiner Sicht wünschenswert“

Aber der Wechsel in die Wirtschaft ist nicht das Problem. Es ist der Gang durch die Lobby.

Unternehmen heuern Spitzenpolitiker in der Regel nicht wegen ihrer beruflichen Expertise an. Nicht, weil diese einmal Jura oder Lehramt oder Agrartechnik studiert haben. Unternehmen kaufen Kontakte und politische Informationen. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass Joschka Fischer 2009 bei BMW als Berater einstieg, weil er sich so gut mit effizienten Verbrennungsmotoren auskennt? Oder dass Dirk Niebel deswegen bei der Rüstungsfirma Rheinmetall anheuerte, weil man in Düsseldorf gerne mehr über Entwicklungspolitik erfahren würde? Niebel ist deshalb für Rheinmetall interessant, weil er gute Kontakte in Konfliktregionen (und damit lukrative Waffenmärkte) besitzt. Und weil er als Entwicklungshilfeminister im Bundessicherheitsrat saß, der darüber entscheidet, wohin deutsche Waffen geliefert werden dürfen. Unternehmen kaufen Türöffner. Als Siemens die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright und Joschka Fischer unter Vertrag nahm, wollte das Unternehmen vom „Netzwerk beider Persönlichkeiten“ profitieren.

Die Karenzzeit drängt Lobbyismus zurück


Aber schreckt die Karenzzeit nicht potenzielle Politiker ab, weil sie Angst bekommen, nach Ende ihrer Karriere keinen anderen Beruf mehr ausüben zu können? Droht uns eine Schwemme schlecht ausgebildeter Berufspolitiker, die kein Leben außerhalb ihrer Partei kennen? Das Gegenteil ist der Fall. Es stimmt: immer mehr Abgeordnete sind reine Berufspolitiker. Aber der Grund dafür ist eben auch, dass Kontakte und Informationen dieser Politiker für Unternehmen immer lukrativer geworden sind. Eine politische Karriere zahlt sich mehr denn je aus – vor allem nach der Politik. In Zukunft können Minister nicht mehr darauf vertrauen, direkt nach ihrer Amtszeit in lukrative Posten zu wechseln. Deshalb werden reine Berufspolitiker schlechter dran sein als solche, die für die Zeit danach vorgesorgt haben.

Eine zwölf- oder achtzehnmonatige Karenzzeit verhindert, dass hochrangigen Politikern Interessenskonflikte drohen. Sie verhindert, dass noch amtierende Minister für die Zeit nach der Politik vorsorgen und potenziellen Arbeitgebern politisch entgegenkommen. Aber zwölf bis achtzehn Monate sind zu kurz. Denn Netzwerke halten länger als anderthalb Jahre und viele Gesetzgebungsverfahren dauern. Je länger die Karenzzeit ist, desto eher wird die Gefahr einer Beeinflussung schon während der Amtszeit verhindert. In anderen Bereichen existieren ähnliche Regelungen schon: So müssen Bundesbeamte mindestens drei Jahre lang nach ihrem Ausscheiden angeben, welche neue Stelle sie annehmen wollen.

Die Karenzzeit für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre ist wichtig. So lässt sich Lobbyismus zumindest etwas zurückdrängen. Das Ganze aber in eine Debatte über Berufsfreiheit von Politikern zu verwandeln, geht am Kern des Problems vorbei.

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