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Islam-Rede beim Bundesparteitag - Özdemir hat bei den Türken ein Glaubwürdigkeitsproblem

Grünenchef Cem Özdemir hat für seine Kritik an den Islamverbänden auf dem Bundesparteitag donnernden Applaus bekommen. Aber wie viel Nähe braucht es zum Islam? Der Journalist Fatih Aktürk, selbst Muslim mit türkischen Wurzeln, warnt: Özdemir muss bei seinen Ausführungen vorsichtig sein

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Fatih Aktürk hat Sozialwissenschaften, Politik, Medien und Soziologie an der HHU - Düsseldorf und an der Universität Bremen studiert. Er arbeitet als freier Journalist für diverse überregionale deutsche und türkische Medien. 

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Derart massiven Zuspruch hat Cem Özdemir bislang wohl kaum erhalten. Seine Rede am vergangenen Freitag, auf dem kleinen Bundesparteitag in Halle an der Saale, wurde von den Mitgliedern mit Standing Ovations gefeiert. Vor allem seine Forderung an die Mitglieder, diese sollten mehr kritische Haltung zu muslimischen Verbänden zeigen, entsprach dem Gemüt vieler Parteigenossen. Der Satz hat angesichts der Pariser Anschläge an Relevanz gewonnen. Satte 76 Prozent Zustimmung erhielt er anschließend von den Mitgliedern und wurde erneut zum Parteivorsitzenden gewählt- diesmal trotz eines Gegenkandidaten. 

Viele der Anwesenden hielten seine Rede für „Die Beste in all den Jahren“. So klar wie in Halle an der Saale hatte Özdemir seine Haltung zu den Islamverbänden nie deutlich gemacht. Diese müssten sich modernisieren und die Worte des Propheten heute zeitgemäß auslegen können. Ausserdem stünde „Kein heiliges Buch (...) über den Menschenrechten und der Verfassung der Bundesrepublik“, so Özdemir. Der wiedergewählte Parteivorsitzende der Grünen hat selbst muslimische Wurzeln, ist aber säkular, wie er selbst sagt.

Islamverbände müssen ihre Aufgabenfelder überarbeiten


Im Grunde genommen behält Özdemir recht. Islamische Verbände in Deutschland müssen ihre Aufgabenfelder überarbeiten. Sie müssen damit beginnen, ihre internen Konflikte zu lösen und endlich auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Vor allem müssen sie sich schleunigst einigen, wie man das Problem lösen kann, dass der Name des Islams von verschiedenen extremistischen Spektren missbraucht wird. 

Sie vertreten die Meinung, man müsse sich nicht distanzieren, wenn der sogenannte „Islamische Staat“ monströse Terroranschläge verübt und damit hunderte von unschuldigen Menschen in den Tod reißt. Dass diese barbarischen Terroristen und deren Taten nichts mit dem Islam zu tun haben, weiß inzwischen die Mehrheit. Mit einer bloßen Pressekonferenz ist das Problem nicht gelöst. Die Terroristen lachen nur über diese medialen Inszenierungen. 

Vielmehr brauchen die muslimischen Verbände eine interne Aufarbeitung. Eine Arbeitsgruppe, die ohne Machtkonstellationen agiert, und sich tatsächlich nur um Lösungen der Probleme beschäftigt. So eine selbstlose Arbeitgruppe ist dringend nötig. 

Darin müssen etwa folgende Fragen eine Antwort finden: „Wie können wir die wahren Botschaften des Propheten an die Jugend übermitteln?“, „Wie können wir als Muslime Radikalisierung vorbeugen?“

Vorsicht geboten


Obwohl Özdemir mit seiner Forderung in Teilen recht hat, ist auch Vorsicht geboten. Denn mit einer kritischen und distanzierten Haltung zu den Islamverbänden könnte man auch dafür sorgen, dass diese sich abschotten. Denn das, was Cem Özdemir fordert, klingt so, als, ob man den Islam völlig reformieren müsse. Das wollen Muslime aber nicht. Der Islam ist ohnehin schon zeitgemäß. Er widerspricht auch nirgends der deutschen Verfassung. Diese Aspekte müssen lediglich nur noch herausgearbeitet werden. 

Vielmehr braucht es einen Dialog zwischen Muslimen und anderen Religionen, aber auch mit Politikern. Mit diesem Dialog ist aber nicht gemeint, dass immer wieder dieselben Verbandsfunktionäre mit den führenden Politikern auf Vorzeigeveranstaltungen posieren und sich schön ablichten lassen. Die Mitglieder bekommen von diesen ärmlichen Dialogveranstaltungen meist nur mit, wie ihre hochrangigen und edlen Vertreter Fotos schießen und diese auf Facebook hochladen. Mit diesem Dialog ist vielmehr gemeint, die Gemeinsamkeiten interaktiv auszuarbeiten, Toleranz zu predigen und die Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. 

Özdemir muss in seinen Ausführungen bezüglich der Türkei und des Islams vorsichtig sein. Zumal er mit seiner Wahlkampfunterstützung der prokurdischen HDP bei der breiten Masse der Deutsch-Türken an Glaubwürdigkeit verloren hat. Viele Türken in Deutschland sehen bei der HDP eine Nähe zur terroristischen PKK- ob es tatsächlich so ist, sei dahingestellt. 

Da sollte sich Cem Özdemir vielleicht ein paar Scheiben von dem nordrhein-westfälischen CDU-Politiker Thomas Sternberg abschneiden, der ebenfalls am Freitag eine lösungsorientierte Rede hielt

Sternberg wurde an diesem Tag zum Präsidenten des Zentralratkommittees der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt. Auch in seiner Rede stachen Sätze bezüglich des Islams hervor. Sternberg hingegen sagte dort, es bedarf eines Dialogs mit dem Islam. Dieser sei eines der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Anstatt einer kritischen Distanz fordert er also ein „Näherrücken“. Diese Aussage ist von enormer Bedeutung, da Sternberg schon am ersten Tag seiner Wahl zeigt, dass er mit den Islamverbänden zusammenarbeiten will und Probleme lösen wird.

Damit begibt er sich eigentlich auch auf den Weg, auf dem die Propheten Mose, Jesu und auch Mohammed schon waren. Mohammed provozierte keine Auseinandersetzungen oder gar Kriege, wie es oftmals dargestellt wird, sondern tat alles, um sie zu verhindern. Die Botschaft war stets Friede, Nächstenliebe und der bedingungslose Dialog.

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