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(picture alliance) Kristina Schröder will Politik und Privates trennen. Ihre Lebensweise soll kein Leitbild sein, der Staat den Familien keine Rollenmodelle vorschreiben.

Kristina Schröder zum Betreuungsgeld - „Ich will den Eltern Wahlfreiheit lassen“

Kristina Schröder im Gespräch mit CICERO. Die Bundesfamilienministerin hält am einklagbaren Rechtsanspruch auf Kitaplätze­ fest und will mit ihrer „Flexiquote“ den Frauen mehr Einfluss verschaffen

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Vor fünf Jahren proklamierte Ihre Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Ab 2013 sollten Eltern, sofern sie das wollen, für jedes Kind ab dem ersten Jahr einen Kitaplatz bekommen. Dieses Ziel erweist sich nun als illusorisch.
Bund, Länder und Kommunen haben sich 2007 beim „Krippengipfel“ darauf verständigt, dass es jeweils vier Milliarden, also insgesamt zwölf Milliarden Euro dafür gibt. Mein Haus hat den Anteil des Bundes in einem Sondervermögen geparkt, kein Cent davon wurde im Rahmen der Sparbemühungen angetastet, 900 Millionen sind noch da und warten auf ihren Abruf. Es hat sich leider herausgestellt, dass die Länder nicht zu ihren finanziellen Zusagen stehen, weswegen die Kommunen teilweise allein gelassen werden.

Und was gedenken Sie zu tun? Muss der Rechtsanspruch jetzt aus dem Gesetz getilgt werden?
Nein. Wir werden nur dann ausreichend Tempo beim Ausbau der Kinderbetreuung erleben, wenn der Druck im Kessel bleibt. Deshalb wird am Rechtsanspruch nicht gerüttelt. Wir haben die absurde Situation, dass aus allen Ecken nach mehr Geld für Kitaplätze gerufen wird und gleichzeitig die Gelder, die da sind, nicht abgerufen werden. Nicht der Bund oder die schwarz-gelbe Koalition haben hier geschlampt, sondern eindeutig die Länder, wobei Nordrhein-Westfalen das Schlusslicht bildet.

Nach langem Hin und Her hat sich die schwarz-gelbe Koalition vor allem auf Druck der CSU nun doch auf die Einführung eines „Betreuungsgeldes“ für diejenigen Eltern geeinigt, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken, sondern zu Hause betreuen wollen. Sie wollten als Familienministerin eigentlich etwas anderes und scheinen über dieses Weihnachtsgeschenk nicht sonderlich glücklich zu sein. Warum?
Wie kommen Sie darauf? Ich finde es richtig, Eltern eine finanzielle Unterstützung zu geben, die sich zu Hause um ihre kleinen Kinder kümmern und dafür ihre eigene Berufstätigkeit oder Karriere zurückstellen oder die Betreuung selbst organisieren.

Kritiker sprechen von einer „Herdprämie“.
Es gibt auch Leute auf der Linken, die das Betreuungsgeld als „Bildungsfernhalteprämie“ diffamieren und damit Eltern, die ihre Kinder selbst zu Hause betreuen wollen, praktisch unterstellen, sie würden ihren Kindern etwas Schlechtes antun. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit gegenüber solchen Familien.

Aber es stimmt doch, dass Sie bisher gegen das Betreuungsgeld waren.
Das ist so nicht richtig. Ich war gegen eine falsche Ausgestaltung. Mir war wichtig, dass wir berufstätige Eltern nicht gegen Eltern ausspielen, die zu Hause bleiben. Damit habe ich mich durchgesetzt. Ich will den Eltern Wahlfreiheit lassen. Sie sollen selbst entscheiden können, ob sie ihr Kind in eine Kita geben oder nicht. Ab der Einführung des Betreuungsgeldes können sie zwischen verschiedenen Formen der Unterstützung wählen – einer direkten Leistung an die Familie oder einer Sachleistung in Form eines staatlich geförderten Betreuungsplatzes. Damit wird keiner in eine bestimmte Richtung gelockt oder gedrängt.

Haben Sie eine Tagesmutter zu Hause, die auf Ihr Kind aufpasst, oder wie machen Sie das?
Nein, wir machen das mit Unterstützung unserer Familien alleine.

Also entweder Ihre Eltern oder Ihre Schwiegereltern sind da.
Wir bekommen das gemeinsam hin.

Sie reden ungern über Ihre eigene Situation als berufstätige Mutter. Sie wollten Ihr Familienleben nicht ins Schaufenster stellen, sagen Sie immer. Liegt es daran, dass Sie fürchten, Sie könnten als eine besonders privilegierte Mutter von denen beneidet oder verspottet werden, denen es finanziell nicht so gut geht wie Ihnen?
Die familienpolitische Debatte in Deutschland wird teilweise sehr aggressiv geführt. Deshalb geht es mir erstens ganz grundsätzlich um den Schutz unserer Familie. Mein Mann ist Politiker wie ich, und als wir uns vor acht Jahren kennenlernten, haben wir uns gleich vorgenommen, dass wir Politik und Privates, soweit es irgendwie geht, trennen wollen, weil uns das Private eben sehr wichtig ist. Und man schützt es dadurch am besten, dass man es von der Öffentlichkeit fernhält.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, warum Schröders Familienmodell kein Vorbild sein soll.

Aber Sie könnten doch gerade berufstätigen Müttern ein Vorbild sein, wie man beides schafft: Beruf und Familie.
Für meine Zurückhaltung gibt es zweitens auch einen familienpolitischen Grund: Gerade in meiner Partei, der CDU, hat sich doch in den vergangenen Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir aufhören müssen, den Familien ein bestimmtes Rollenmodell vorzuschreiben. Früher hieß es immer: Die Frau soll zu Hause bleiben, zumindest in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder. Und jetzt haben wir uns dahingehend gewandelt, dass wir sagen, das müssen die Familien selbst entscheiden. Auch deswegen will ich nichts vorleben, denn dann würde es wieder heißen: So also ist das bei Familienministers! Das heißt, meine Lebensweise würde wieder als Leitbild interpretiert werden. Und ich finde jedes staatliche Leitbild über die Rollenverteilung in einer Familie anmaßend. Ich glaube, da unterscheide ich mich wirklich auch von anderen.

Vor allem von Ihrer Vorgängerin, Ursula von der Leyen, die ja als berufstätige Mutter von sieben Kindern von vornherein als besonders kompetent galt.
Ich sehe es eben nicht als politische Leistung an, ein Kind zu bekommen. Wissen Sie, von Wahlfreiheit reden ja viele, aber ich nehme Wahlfreiheit wirklich ernst. Vielleicht war es sogar ein Vorteil, dass ich selbst noch keine Familie hatte, als ich Ministerin wurde. Denn ich beanspruche Wahlfreiheit ja auch privat für mich.

Lassen wir also dahingestellt, ob man das Private und das Politische wirklich trennen kann...
Sie fragen den Gesundheitsminister ja auch nicht, wann er seine letzte Vorsorgeuntersuchung hatte.

Einverstanden. Reden wir also übers Politische. Als Sie vor einem Jahr Ministerin wurden, hatten wir den Eindruck, Sie glaubten noch an die Wirkungsmacht von Gesetzen.
Ach ja, den Eindruck hatten Sie?

Durchaus. Damals sagten Sie in einem Streitgespräch mit Martin Kannegießer, dem Präsidenten der Metall-Arbeitgeber: „Gesetze bewirken Verhaltensänderungen.“
Ja, es ging um das Pflegezeitgesetz für Familienangehörige.

Genau. Und Kannegießer plädierte entschieden gegen einen im Gesetz festgeschriebenen Rechtsanspruch, Sie aber waren dafür. Und ein Jahr später sind Sie das nicht mehr. Sie sind im Zweifel – Beispiel Frauenquote, Beispiel Pflegezeitgesetz – eher für freiwillige als gesetzliche Regelungen. Was hat denn nun diesen Sinneswandel bewirkt?
Das stimmt ja nicht. Das Familienpflegezeitgesetz haben wir kürzlich im Deutschen Bundestag verabschiedet.

Aber ohne jeden Rechtsanspruch.
Ja, so wie das Altersteilzeitgesetz, das auch keinen Rechtsanspruch hatte – das trotzdem oder vielleicht sogar deswegen ein Erfolg wurde.

Gut, aber Sie wollten ursprünglich einen Rechtsanspruch reinschreiben, und Kannegießer war dagegen. Und bei der Frauenquote ist es ähnlich: Auch da wollen Sie lieber eine freiwillige als eine gesetzliche Verpflichtung.
Nein, das ist so nicht richtig: Ich will ein Gesetz, das eine Pflicht zur Selbstverpflichtung vorschreibt, das heißt, ich will, dass jedes Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist, sich selbst eine Quote zu geben, diese Quote dann öffentlich zu machen und anschließend auch einzuhalten.

Wieso nennen Sie das eigentlich „Flexiquote“? In dem Moment, wo sie formuliert und ausgesprochen wird, ist die Quote doch nicht mehr flexibel, sondern für das Unternehmen verbindlich.
Da haben Sie recht. Die Unternehmen sind frei, wie hoch sie die Quote setzen, aber hinterher müssen sie ihre Quote auch einhalten, die ist dann in der Tat nicht mehr flexibel, sondern fixiert. Aber genau das ist der von mir gewünschte Mix aus Freiheit und Verantwortung. Außerdem müssen sich die Unternehmen auch der Kritik stellen, wenn sie sich eben nur eine 10-Prozent-Quote geben. Und schließlich gibt es hinterher sehr wohl gesetzlich verankerte Sanktionen, wenn die Ankündigungen nicht umgesetzt und die Quoten verfehlt werden – bis hin zu Geldstrafen oder Unwirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen. Sie sind also frei genug, um verantwortlich zu handeln. Beliebig werden sie aber gerade nicht handeln können.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Schröder zur Frauenquote und ihrer Freiwilligkeit sagt.

Warum haben Sie darauf verzichtet, die 30 größten deutschen Dax-Unternehmen darauf zu verpflichten, eine Frauenquote für ihre Vorstände und Aufsichtsräte festzulegen?
Darauf habe ich nicht verzichtet, das ist doch gerade Sinn der Flexiquote. Vielleicht noch einmal zur Klarstellung: Was die Dax-30-Unternehmen jetzt gemacht haben, war wirklich rein freiwillig. Die haben nämlich gesagt: Das, was die Frau Schröder will, das setzen wir schon mal grob um – nicht ausdrücklich für Vorstände und Aufsichtsräte, sondern generell für alle Führungsebenen zusammen. Das finde ich gut und anerkennenswert, aber das ändert nichts daran, dass ich ein Gesetz will und dieses Gesetz explizit für die Vorstände und Aufsichtsräte gilt.

Das verstehen wir nicht: Wenn Sie eine Verpflichtung explizit auch für Dax-Aufsichtsräte und Dax-Vorstände wollen, warum setzen Sie es dann nicht durch?
Das eine schließt das andere nicht aus. Für viele Unternehmen ist es sogar anspruchsvoller, eine größere Zahl von Frauen in führenden Positionen auf allen Ebenen hinzubekommen als einen bestimmten Prozentsatz in Aufsichtsräten und Vorständen. In den Vorständen sitzen sechs, acht Leute, da können sie unter Umständen dadurch, dass sie eine einzige Frau holen, den Frauenanteil um 15 Prozent erhöhen. Wenn sie aber 300 Führungspositionen haben und hier den Anteil der Frauen um 15 Prozent erhöhen, müssen sie wesentlich mehr, nämlich bereits 45 Frauen nach oben befördern. Ich glaube, dass das der nachhaltigere Weg ist.

Aber eine feste Frauenquote fordern fast alle Frauen in Ihrer Partei, vorneweg auch Ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen. Und die Frauen werfen Ihnen vor, Sie hätten die Seite gewechselt.
Ich habe niemals eine starre Quote gefordert. Ich habe mich gefragt, wie kriege ich es hin, ein Instrument zu finden, das zum einen über das rein Freiwillige hinausgeht – denn die reine Absichtserklärung ist ja nun wirklich krachend gescheitert –, das zum anderen aber auch nicht blind ist für die Unterschiede zwischen den Branchen. Und da behaupte ich, dass mein Weg der psychologisch viel geschicktere ist. Muss Politik immer aus einfachen Formeln bestehen?

Frau von der Leyen sieht das offensichtlich anders und hat das, was Sie als Ihren Erfolg verkünden wollten, öffentlich als unzureichend kritisiert. Wie fanden Sie das?
Jeder pflegt eben seinen eigenen Stil, auch in einer Regierung. Aber ich habe erstens die Federführung bei dieser Gesetzgebung, und zweitens möchte ich nicht dazu beitragen, dass wieder über eine Uneinigkeit in der Bundesregierung geschrieben wird. Deshalb liefere ich dazu keinen Stoff. Und drittens finde ich: Nachdem ich meinen Vorschlag gemacht habe, schauen wir doch mal, was am Ende rauskommt.

Und wissen Sie – viertens – die Kanzlerin auf Ihrer Seite?
Die Bundeskanzlerin hat vor kurzem noch auf dem Bundesdelegiertentag der Frauen-Union deutlich gemacht, dass sie meinen Weg, flexible, aber für die Unternehmen dann verbindliche Lösungen anzustreben, für den richtigen hält. Sie weiß ja als überzeugte Marktwirtschaftlerin, dass mein Vorschlag auch eine wettbewerbsfördernde Komponente hat: Kein Unternehmen kann es sich leisten, mit niedrigen Frauenquoten gegenüber dem Konkurrenten aus der eigenen Branche abzufallen.

Wie geht das denn nun weiter? Sie fordern die Unternehmen auf, Ihnen Quoten zu nennen, und dann gibt es irgendwann ein Quotenregister, und jeder kann sehen, wer sich an seine Ankündigungen gehalten hat und wer nicht?
Also erst einmal werden wir hoffentlich bald auf der Basis meines Vorschlags das Gesetz formulieren und abstimmen, wobei es ja kein Geheimnis ist, dass die FDP gegenüber gesetzlichen Vorschriften generell kritisch oder zurückhaltend ist. Dann werden wir in dem Gesetz einen Stichtag benennen, bis zu dem die Quotenvorgaben veröffentlicht werden müssen, zum Beispiel zum Tag X im Jahr 2013. Und dann wird man drei oder fünf Jahre später sehen, wer sie eingehalten hat.

Das klingt aber sehr nach Sankt Nimmerleinstag.
Nein, das ist realistisch. Wir können da keine Regelungen machen, ohne den Turnus von Aufsichtsrats- und Vorstandsbesetzungen zu beachten. Ich glaube, schon an dem Tag, an dem die Quoten veröffentlicht werden, werden wir eine gleichstellungspolitische Debatte in Deutschland erleben, wie wir sie bisher noch nie hatten. Denn dann wird sich zeigen, welches die 100 Unternehmen in Deutschland sind, die da Ambitionen haben, und welche es sind, die keine Ambitionen haben. Und da werden die großen Unternehmen schon darauf achten, dass sie gut dastehen. Dies alles wird den Frauen mehr bringen als alle bisherigen theoretischen Debatten und Diskussionen über Quoten und Gleichstellung. Da bin ich mir ganz sicher.

Das Gespräch führten Marie Amrhein und Hartmut Palmer

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