Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Omid Nouripour

Omid Nouripour - „Ich bin kein Öko“

Er ist ein Grüner ohne grüne Wurzeln: Omid Nouripour. Sein Pass hat ihn zur Politik gebracht. Warum er dabei bei den Grünen und nicht bei der SPD landete und wie sich seine hessische Lässigkeit mit Gangster Rap vereinbaren lässt. Ein Porträt.

Ein keckes Zwinkern, ein flüchtiger Gruß, ein herziger Händedruck, gefolgt von wohlwollend anerkennenden Worten. Zwischen Reichstag und Abgeordnetenbüro, sozusagen auf dem politischen Hausflur der Berliner Republik, trifft der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, zufällig auf sein sicherheitspolitisches Pendant der SPD: Hans Peter Bartels. Man kennt sich, grüßt sich, schätzt sich im Vorbeigehen. „Der hat sicherheitspolitisch wirklich Ahnung“, sagt Nouripour respektvoll anerkennend und jagt zum nächsten Termin, dabei stets souverän und mit unterhaltsamen Anekdoten bewaffnet.

Nouripour hat nicht viel Zeit zwischen den Terminen und ist doch nur schwer aus der Ruhe zu bringen. Ausgeglichen und abgeklärt wirkt es, wie er eben noch eine Gruppe junger Diplomaten aus Nahost in lupenreinem Englisch abfrühstückt, kritische Fragen beantwortet und nun auf dem Weg in die Fraktionssitzung eilt. Andere können da schon mal ins Schwitzen kommen, wenn sie dem Diplomatennachwuchs aus Nahost Rede und Antwort stehen müssen. Nicht Nouripour.

Ein bündiges Briefing am Eingang, noch schnell eine Erkundigung über den iranischen Gesandten eingeholt, ein flüchtiges Zupfen am schwarzen Sakko, die Brille zurechtgerückt, sich der grünen Krawatte vergewissert und hinein in die Diplomatenarena. Ob er eine Chance auf einen grünen Kanzler sieht, will einer der Anwesenden wissen. „We are ready for anything“, antwortet Nouripour trocken und ironiebeladen.

Jovial, lässig, mit einem ansteckendem Lächeln bewaffnet, galoppiert er rüstig durch schwierigstes thematisches Terrain: Israel, Panzerdeal, Waffenexport. Um ironisch abzuschließen „We have for all a solution“. Charmant weiß er die heterogene Zuhörerschaft für einen kurzen Moment zu versöhnen. Nur als das Thema Klimawandel auf der Frage-Antwort-Agenda auftaucht und sich das anwesende Diplomatenchor auf einen einem Grünenpolitiker gemäß ausufernden Vortrag vorbereitete, zeigt sich Nouripour auffällig kurzatmig.

Später, die jungen Diplomaten hinter sich gelassen, zwinkert er beiläufig: „Ich bin kein reiner Öko, wie Sie sicherlich bei meinen Ausführungen bemerkt haben“. Nein. Ökologie ist sein Thema nicht. Er ist ein Grüner ohne wirklich grüne Wurzeln. Und doch fühlt sich der außenpolitikaffine Nouripour in besonderem Maße in der grünen Partei aufgehoben. Einer Partei, in die er 1996 eintrat. Für den in Teheran geborenen und mit 13 Jahren aus Iran nach Deutschland geflohenen Nouripour stand es immer außer Frage, sich politisch zu engagieren. Gerade weil er in frühster Kindheit durch die in seinem Geburtsland Iran alle Lebensbereiche umfassende politische Situation sehr früh politisiert wurde.

Seine Eltern sahen keine Perspektive in Iran der 1980er Jahre, in einer Zeit, da die iranische Revolution einen islamischen Gottesstaat hervorbrachte, der nicht nur seine Bevölkerung nach innen ideologisch bedrohte, sondern auch nach außen eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Irak suchte. Als Nouripours Schwester dann bei ideologischen Tests durchfiel und damit feststand, dass sie nicht wird studieren dürfen und der damals dreizehnjährige Nouripour als potentiell wehrfähiger mit vierzehn das Land nicht mehr hätte verlassen dürfen, entschlossen sich die Eltern, in das aus gemeinsamen Urlauben bekannte Frankfurt zu ziehen. 

Sein Pass habe ihn zur Politik gebracht, sagt Nouripour. Beziehungsweise der Weg dorthin, denn die Erlangung glich einer bürokratischen Tortur, war ein mühsames Unterfangen, das die deutschen Amtsstuben kurzeitig und unfreiwillig zu seinem zweiten Wohnzimmer werden ließ. Es dauerte fast ein Jahrzehnt bis Nouripour das rosa Papier dann im Jahre 2002 endlich in Händen hielt. Seither ist er deutsch-iranischer Doppelstaatler. Er kam nicht umhin, sich mit Fragen rund um das Thema der Integration zu beschäftigen. Es war die am eigenen Leib erlebte Integrationserfahrung, der nicht immer leichte Eingliederungsprozess in die bundesrepublikanische Mehrheitsgesellschaft, der ihn letztlich parteipolitisch aktiv werden ließ. „Wenn ich diese Geschichte nicht durchlebt hätte, hätte ich nie damit angefangen mich politisch zu engagieren“, sagt er heute.

Anfänglich kamen für den heutigen Obmann im Verteidigungsausschuss zwei Parteien in Frage: SPD und Grüne. Doch weil bei den Jusos nur über Marx fabuliert wurde, versuchte er es bei den Grünen. Den Ausschlag habe dann die Begegnung in der Kreisgeschäftsstelle gegeben. Denn die dortige Chefin fragte den jungen Nouripour alles Mögliche, nur nicht nach seiner Herkunft. „Das war für mich entscheidend. Da war auf einmal diese Oase, in der zum ersten Mal die Frage der Herkunft keine Rolle gespielt hat“, fühlt sich Nouripour lächelnd in jene Zeit zurückversetzt.

Es sei die Standardfrage in den 1980ern gewesen, erinnert sich Nouripour: Wo kommst du her und wann gehst du wieder dorthin zurück? Sätze, die den jungen Nouripour in die kritische Auseinandersetzung mit einem in Deutschland sehr eigenwilligen Verständnis von Integration trieben. Deutschland habe keine Tradition der Einwanderung, habe trotz Hunderttausender Einwanderer nie akzeptiert, dass es ein Einwanderungsland sei, zieht Nouripour Bilanz. Aber trotz aller Klagen über das jahrzehntelange Versagen der Politik betont Nouripour immer wieder die positiven Integrationsleistungen. „Diese ganze Rhetorik über das Scheitern von Integration ist eine Ohrfeige für diese unglaubliche gesamtgesellschaftliche Leistung“, so Nouripour.

Dass er die Schwarz-Weiß-Färberei in Sachen Integration nicht mitträgt, ist wohl nicht zuletzt auch seiner ganz persönlichen Biographie geschuldet. Geprägt auch gerade von Erfahrungen während seiner Zeit in Iran hat er einen etwas anderen Blick auf gesellschaftliche Konflikte entwickelt, der ihm hilft, schwierige Situationen auch immer aus einer gewissen Distanz heraus zu sehen und in ein pragmatisches Verhältnis zu setzen. Während seine Alterskollegen in Deutschland mit Spielzeuggewehren tobten, schoss Nouripour in jungen Jahren auf Iraker. Ohne das Wissen seiner Eltern führte ein ayatollahtreuer Lehrer den jungen Nouripour samt seiner Klassenkameraden an die Front, um die Schüler am heiligen Krieg teilhaben zu lassen. Derartige Erlebnisse haben ihn sensibilisiert und gleichzeitig seinen Blick geschärft für eine Politik jenseits von Hysterie und opportunem Handeln.

Rumgeeiere ist seine Sache nicht. So zollt er dann sogar Politikern aus den Reihen des politischen Gegners Respekt, wenn diese sich standhaft zeigen. Phillip Missfelder, beispielsweise, habe im Bundestag im Zuge der Panzer-Deal-Debatte zwar inhaltlich totalen Unsinn geredet, aber zumindest für seine Überzeugungen eingestanden, befindet Nouripour. Die Ministerbank hingegen war unbesetzt. Besonders das Rumlavieren vieler Bundestagsabgeordneter gleich welcher Partei im Falle Afghanistans stört Nouripour, der sich aller innerparteilichen Widerstände zum Trotz immer für das Mandat ausgesprochen hat. „Es gibt Dinge die sind fürs Allgemeinwohl von Nöten auch wenn sie möglicherweise nicht gerade en vogue sind“, lautet sein Credo. „Duckmäusertum ist fahrlässig und unverantwortlich für das gesamte Land und wird von den Wählern auch nicht votiert.“

Es ist diese Hartnäckigkeit gepaart mit hessischer Lässigkeit, die ihn süffisant seinen hessischen Akzent gebrauchen lässt und aus einem Freund schnell mal einen „Kolläääschen“ macht. Es ist diese ihm innewohnende spielerische Ambivalenz, die nicht nur in der politischen Auseinandersetzung spürbar wird, sondern ihn auch über den politischen Tellerrand blicken lässt und über das politische Tagegeschäft hinaus begleitet. Nicht nur hat er eine wissenschaftliche Arbeit über senegalesischen Hip-Hop verfasst, die mittlerweile als Standardwerk kursiert, auch seine Vorliebe für Literatur spannt sich von Philip Roth, über Zaimoglu bis hin zu Spidermancomics. Anspruch und Pop sind für ihn kein Widerspruch. Dass zuzugeben, sei in Deutschland schwierig, weiß Nouripour. Entsprechend darf es dann auch gerne Gangster Rap statt Mozart sein.  

Sowieso hat es dem Wahlhessen mit Schlafzimmerblick die Rapmusik ganz besonders angetan. So sehr, dass er auch gerne mal selbst zum Mikro greift. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 entstand ein Song, der die politische Klasse auf seine ganz eigene Art und Weise reflektiert: Mach ma Grün an die Macht/ Alda was stresst du hier, ich bin für Öz, bin für Öz, bin für Özdemir/ Bin für Künast und gegen Kuhknast/ Gegen Atomstrom und dafür das mein Schuh passt/ bin für Gerechtigkeit überall auf dem Planeten, aber nicht für Guido Westerwelle, alter, was gehtn? Warum der bekennende Eintracht Frankfurt-Fan Nouripour allerdings Karl-Heinz Rummenigge als seinen Lieblingsfußballer bezeichnet, wird ganz allein sein Geheimnis bleiben.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.