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(picture alliance) Das bisschen Haushalt... aber dann noch Job und Kinder?

Studie zu Kindern und Beruf - Hausfrauen sind glücklicher?

Arbeit macht Frauen unglücklich, während sie für Männer identitätsstiftend ist. Mit diesem kruden Fazit schließt eine Studie des Roman-Herzog-Instituts. Was steckt dahinter?

Frauen, die nicht arbeiten, sind glücklicher. Männer dagegen seien ohne Job unzufrieden, denn – Achtung – für sie habe Arbeit „eine identitätsstiftende Bedeutung“.

Wer sich als gern arbeitende Frau jetzt überrumpelt fühlt, der darf sich vom Roman-Herzog-Institut eines Besseren belehren lassen. Die Macher der Studie „Wie viel Familie verträgt die moderne Gesellschaft?“ schreiben in ihrem Fazit nieder: „Nicht erwerbstätige Männer sind weniger zufrieden als erwerbstätige. Für Frauen gilt jedoch das Gegenteil: Nicht erwerbstätige Frauen sind zufriedener als ihre erwerbstätigen Geschlechtsgenossinnen.“

„Das würde ich bezweifeln“, sagt auch Wiebke Rösler. Sie ist Bevölkerungssoziologin an der Humboldt-Universität Berlin. In ihrem Gutachten zu nachhaltiger Familienpolitik hat sie mit Kollegen erarbeitet, dass viele Frauen sehr gern arbeiten wollen, „es aber oft nicht hinkriegen.“ Schaut man genauer hin, kommen auch die Forscher der Roman-Herzog-Studie zu einem ähnlichen Ergebnis. Die schlagzeilenträchtige These vom Anfang schmilzt dahin und macht einer zwar bekannten aber nicht minder problematischen Feststellung Platz: Die sogenannten Dual-Career-Paare, Paare also, bei denen beide arbeiten, scheitern oft an unzureichenden Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Neben der Unzufriedenheit der betroffenen Frauen ist dies auch das größte Problem für die demographische Zukunft unseres Landes. Handelt die Politik nicht bald tiefgreifend und wirksam, setzt sich Deutschlands Kinderarmut weiter fort. Denn auf die Geburtenrate wirken sich weniger die kinderlosen Familien aus als "die Frage, wieviele Frauen ein zweites, ein drittes, ein viertes Kind bekommen", sagt Rösler. Wenn sich die Frauen aber weiterhin gegen das zweite Kind entscheiden, gibt es wenig Hoffnung für unser Rentensystem, wird sich der Fachkräftemangel weiter auswachsen, steht der Sozialstaat auf tönernen Füßen. Das sind die Schreckensszenarien, die zum Umdenken und Zugreifen anregen sollten. In Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Aber noch heute gilt offenbar, was Ulrich Beck bereits 1986 schrieb: „Das Bewusstsein ist den Verhältnissen vorweggeeilt.“

Als „Riesenknackpunkt“ hat nicht nur Wiebke Rösler in Deutschland ein fehlendes verlässliches Kinderbetreuungssystem ausgemacht. Während Länder wie Schweden oder Frankreich schon seit den 70er Jahren einen Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung eingerichtet haben, zieht Deutschland 2013 für die Unter-Dreijährigen nach, allerdings nur mit einem Anspruch auf einen Halbtagsplatz. „Wir haben in Deutschland keinen Anspruch auf einen Kitaplatz von sieben Stunden, der auch nur annähernd eine Erwerbstätigkeit erlauben würde“, kritisiert Rösler. Halbtagsplatz, das bedeutet, das Kind muss nach dem Mittagessen wieder abgeholt werden. Arbeitsplätze aber, die eine Anwesenheit von vier Stunden pro Tag erlauben, sind rar gesät. Vor allem aber können Frauen nach der Geburt ihrer Kinder häufig nicht wieder in ihre alten Arbeitsverhältnisse zurück.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welcher Berufssparte Frauen die wenigsten Kinder bekommen.

Rösler und Kollegen haben die Geburtsraten in unterschiedlichsten Berufssparten verglichen und herausgefunden, dass es keinesfalls vom Einkommen abhängt, ob Frauen Kinder bekommen. Dagegen scheinen Arbeitszeiten und Umfang einen deutlich wichtigeren Teil auszumachen: Landwirte rangieren etwa seit eh und je auf dem ersten Platz, während Frauen, die in der Werbebranche oder in der Sozialarbeit tätig sind, in journalistischen oder publizistischen Berufen weniger Kinder bekommen. Am häufigsten üben Frauen Berufe wie Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Putzfrauen aus. „Die Statistik sagt uns aber nicht, was diese Frauen vorher gemacht haben“, bemerkt Rösler und nennt als Beispiel die Mutter, die unmöglich zurück an ihre Arbeitsstelle im Verlag kann, wenn dort eine Anwesenheitspflicht bis 20 Uhr verlangt wird.

Männer, die Einbußen im Beruf hinnehmen, um sich mehr um ihre Kinder zu kümmern und ihre Frauen zu entlasten, sind auch deswegen noch immer rar gesät. Seit 1996, so geht es aus der Studie des Roman-Herzog-Instituts hervor, ist die Zahl der Vollzeiterwerbstätigen mit 95 bis 98 Prozent fast gleich geblieben. Vier von fünf Männern sprechen eine mögliche Elternzeit in ihrem Unternehmen gar nicht erst an. Bislang würden „nur 16,2 Prozent der Unternehmen überhaupt Väter zur Elternzeit ermutigen.“ So wagen drei Viertel von ihnen den Schritt, nehmen allerdings nur die zwei Mindest-Monate.

Hier greift die Kritik an der Familienpolitik der Bundesregierung nicht. Die finanziellen Einbußen, die Männer hinzunehmen haben, sind laut Studie deutlich gravierender als bei Frauen, die von ihren Normalarbeitsverhältnissen abweichen. Ihnen wird es deutlich schwerer gemacht, Arbeit und Kinderbetreuung zu vereinen. Umso überraschender, dass sich bei Ihnen die Frustration über das Unvermögen, beides zusammen zu bringen, nicht in der Studie widerspiegelt.

Dem wiederum können nur gesellschaftliche Konventionen zugrunde liegen, die es den Vätern ermöglichen, sich hinter der klassischen Ernährer-Rolle zu verstecken. Dadurch fehlt ihnen aber die freie Wahl, zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit zu entscheiden. Das wiederum ignoriert die Studie des von bayrischen Arbeitgeberverbänden finanzierten Roman-Herzog-Instituts, wenn sie fordert, nun bloß nicht „schwerpunktmäßig und einseitig das Doppelverdiener-Modell zu fördern“. Eine einseitige Förderung will natürlich niemand. Klar ist aber auch geworden, dass  die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um auch nur annähernd schwedische Maßstäbe in Deutschland anzusteuern, um es möglich zu machen, dass Vater und Mutter gleichzeitig arbeiten und trotzdem ein zufriedenes Dasein führen. Denn das würde wirkliche Wahlfreiheit bedeuten. Und keine Entscheidung zwischen einem erzkonservativen Rollenmodell und dem Zerrieben-Werden im Alltag – also zwischen Pest und Cholera.

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