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Andy Ridder

CDU-Politiker Guido Wolf in Baden-Württemberg - „Minischterpräsident? Des isch an Knochenjob!“

Er reimt, scherzt, klöppelt: Der baden-württembergische CDU-Politiker Guido Wolf will 2016 den grünen Ministerpräsidenten Kretschmann stürzen. Soeben hat er die Urwahl gewonnen. 56 Prozent der CDU-Mitglieder stimmten für Wolf, 44 für Thomas Strobl. Ein Porträt aus dem Archiv

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Constantin Magnis war bis 2017 Chefreporter bei Cicero.

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Im Stuttgarter Landtag geht es ungeordnet zu. Der Schriftführer hat den Fraktionschef im Schwitzkasten und ruft: „Ugh, Ugh“ ins Mikro. Der Ministerpräsident grabscht es ihm aus der Hand und wirft dabei den Stuhl um. „Oh neein!“, ruft sein Vize.

Guido Wolf, der echte Landtagspräsident in Baden-Württemberg, beobachtet den Tumult mit gütiger Miene. Seine CDU hat hier seit dem Machtverlust Schlimmeres erlebt als diese Grundschüler, die zum „Planspiel Schülerparlament“ in den Landtag gekommen sind. Wolf ermahnt den kleinen Regierungschef zum Abschied: „Als Minischterpräsident kannsch net immer in de Villa abhocke! Da musch mit de Leut schwätze, jeden Tag. „Des isch an Knochenjob!“

Natürlich sagt Wolf das nur scheinbar beiläufig. Denn der Landtagspräsident, 53 Jahre alt, will diesen Knochenjob 2016 selbst übernehmen und seine CDU zurück an die Macht führen. Die Aussichten, Winfried Kretschmanns grün-rote Koalition abzulösen, sind ganz gut. Wer jedoch für die CDU antreten darf, haben die Mitglieder in einer Abstimmung nun entschieden. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung soll am 4. und 5. Dezember 2014 ausgezählt und festgestellt werden. Um die Spitzenkandidatur konkurriert Wolf mit dem CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl, in Berlin Vize der Bundestagsfraktion, Vize der Bundespartei und obendrein noch Wolfgang Schäubles Schwiegersohn.

Im Vergleich zum schneidigen Politprofi Strobl ist Guido Wolf – dicke Brille, breites Schwäbisch – ein exzentrischer Kauz. Seine Passion sind seit der Jugend Tiere aller Art. Sein Cockerspaniel Sissi, zwischenzeitlich 70 Hasen oder Anke, die Fuchsstute. Sein Vater hat sie ihm ersteigert, und Guido Wolf ritt am Blutfreitag darauf, der Tag, an dem in seiner katholischen Heimatstadt Weingarten alljährlich des heiligen Blutes Christi gedacht wird.

Zwischen Reim und Wolfswortwitzen
 

Seine Mutter, Tochter eines Agrarministers, riet Wolf von öffentlichen Ämtern früh ab: „Kannsch alles machen, außer Politik.“ Aber als er als Jurastudent erlebte, wie linke Aktivisten Ministerpräsident Lothar Späth aus dem Hörsaal jagten, trat er in die CDU ein.

Die Aktenlast seines Aufstiegs – Verwaltungsdienst, Büroleiter im Verkehrsministerium, Landrat – kompensiert er mit öffentlichem Schabernack: Wortspiele mit seinem Namenstier, dem Wolf. Oder Darbietungen auf seinem Lieblingsinstrument, dem Xylofon, auf dem er gern eine Hochgeschwindigkeitspolka mit Namen „Zirkus Renz“ klöppelt. Vor allem aber reimt Wolf: Seit dem Debüt bei der Einweihung eines Wasserwerks („Druck den rota Knopf ganz schnell, s’sprudelt schon. Ihr höret’s, gell?“) verteilt er im Land Gedichtle, kritzelt sie kichernd in goldene Bücher von Waldkirch bis Ladenburg oder trägt sie vor, mit geneigtem Kopf und verzücktem Lächeln.

Was immer seinen Hang zum Scherzle motiviert, Gefallsucht ist es eher nicht. Aus der Nähe strahlt er eine große innere Ruhe aus. Wenn Wolf zuhört, guckt er den Leuten ins Gesicht und sagt manchmal minutenlang gar nichts.

Vor willigem Publikum hört er zuweilen gar nicht auf mit den Wolfswortwitzen, aber er weiß auch, wann das deplatziert wäre. In Kälberbronn im Schwarzwald steht er vor einem Wirt. 14 Jungbullen des Mannes sind eine Woche zuvor nach einem Kabelbrand im Stall verendet. Wolf hört zu, er spart sich Floskeln. „Traurige Angelegenheit“, sagt er.

Hühnchen am Sonntag
 

Er saß gerade mal fünf Jahre im Landtag, als nach der Mappus-Malaise auch der Parlamentspräsident abtreten musste. Wolf ergriff die Chance. Seit seiner Wahl zum Landtagspräsidenten ist er durchs Land getourt. Er war nicht nur gern gesehen, weil er der letzte CDU-Landespolitiker mit einem anständigen Titel war, sondern weil er unterhalten konnte. So hat er sich eine solide Fanbasis erarbeitet. Wofür Wolf politisch steht, was seine Themen sind, ist noch schwer einzuschätzen. Er ist zwar rhetorisch begabter als Strobl, hat allerdings bisher das Ländle beim Versuch, sich als Kandidat mit Kante zu profilieren, eher verschreckt, beispielsweise mit der Ankündigung, als Ministerpräsident das Bildungssystem umkrempeln zu wollen.

Strobl spielt zwar in der politischen Bundesliga, aber im Gegensatz zu ihm hat Wolf als Landrat schon mal eine Verwaltung geführt. Viele Landtagsabgeordnete setzen auf ihn, weil sie fürchten, Strobl könnte als Wahlsieger Ministerposten vor allem an Leute aus dem Bundestag vergeben. Aber am Ende entscheiden nicht Parlamentarier und Funktionäre, sondern die Mitglieder. Um sie zu begeistern, beklettert Wolf Hochseilgärten oder bewandert ohne Schuhe frierend einen Barfußpfad.

Durchs Land zu touren und für sein Essen zu singen, er kennt das. In seiner Kindheit machte die Familie Hausmusik, Guido an der Klarinette, und zog als „Familie Wolf“ durch Baden-Württemberg, spielte in Altenheimen, auf Heimatabenden, auch im Regionalfernsehen. Familieninterne Belohnung fürs viele Proben: Hühnchen am Sonntag. Wolf hat den Duft immer noch in der Nase, sagt er, und schließt die Augen.

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