
- Und Baerbock sprach: „Fürchtet euch nicht!“
Eine Mischung aus Apple-Event und evangelischem Kirchentag: Die Grünen haben mit ihrem digitalen Parteitag mehr als nur ein Grundsatzprogramm beschlossen. Sie wollen uns ein Gefühl verkaufen.
Bundesgeschäftsführer Michael Kellner empfängt den Zuschauer auf der atomgrünstrahlenden Showtreppe. Gerade lief ein bedeutungsschwangerer Imagefilm mit dramatischen Bildern und dem Motto des Grünen-Parteitags, der in diesem Jahr coronabedingt digital stattfindet: „Jede Zeit hat ihre Farbe“.
In diesem Slogan und der Farbe, diesem strahlenden Atomgrün, ist eigentlich schon fast alles enthalten, was über die Bundesdelegiertenkonferenz, wie die Grünen ihre Parteitage traditionell nennen, zu sagen wäre. Es ist der Anstrich, auf den es ankommt, die Inhalte gehen unter in einer aufwändigen Produktion, salbungsvollen Worten und technischen Problemen.
Ein verbales Dampfbügeleisen
Und es ist das Atomgrün, das uns den Weg in die Flexibilität der neuen Grünen unter Annalena Baerbock und Robert Habeck leuchtet: Um auch mit der Union regieren zu können, darf nicht alles so moosgrün sein wie früher. Die Erderwärmung sollte gestoppt werden, wie es im Pariser Klimaabkommen steht, aber 1,5 Grad, diese Forderung aus dem linken Teil der Partei bügelt die Vorsitzende Baerbock mit einem verbalen Dampfbügeleisen dermaßen sanft ab, dass sich alle in eine warme, flauschige Decke gewickelt fühlen können. „Am Pariser Vertrag zu rütteln, und sei es noch so gut gemeint, verhindert doch gerade, dass wir ihn mit Leben füllen.“ Natürlich sei jedes Zehntelgrad weniger besser, aber der ökologische Wandel müsse jeden mitnehmen. „Zum Versprechen von Paris gehört deshalb auch: Dieser Wandel muss für alle funktionieren.“ Schließlich wolle doch auch der Kohlekumpel nur das Beste für seine Kinder.
Ob die Grünen nun für oder gegen Gentechnik in der Landwirtschaft sind – niemand weiß es nach den Parteitags-Beschlüssen so genau. Ein wenig ja, ein wenig nein, alle haben irgendwie recht: Mit dieser Uneindeutigkeit ist Robert Habeck einfach nicht zu schnappen und präsentiert sich in Merkelscher Tradition als perfekter Kanzler. Er legt sich nicht fest und hat damit alle irgendwie auf seiner Seite. Die Delegierten beschließen im Sinne des Vorsitzenden: Gentechnik jein. Und auch bei dem Streitthema Homöopathie, für die einige ökologisch bewusste Mitglieder anfällig sind, drückt sich der Parteitag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit um klare Worte im Grundsatzprogramm.