
- Rolf Mützenich wird Kanzlerkandidat - wenn es nach Eskabo geht
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hat mit einer missglückten Personalie und der Absage an die atomare Beteiligung Deutschlands seine Partei in Aufruhr versetzt. Der Parteilinke ist der Favorit der SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Kanzlerkandidat.
Manchmal möchte man Fotograf sein. Weil ein Bild oft mehr sagt, als man beschreiben kann. Das von Rolf Mützenich und Eva Högl im Bundestag ist so eines. Der SPD-Fraktionschef fasst sich mit einer Hand an die Brust und sieht aus, als wolle er sagen: „Für mich?“, während die soeben neu gewählte Wehrbeauftragte des Bundestags ihrem Parteifreund einen Blumenstrauß entgegenreckt, den er gerade erst seiner Fraktionskollegin in die Hand gedrückt hatte.

Högl hätte allen Grund, Mützenich auf Rosen zu betten. Er hat ihr zu diesem neuen Posten verholfen. Ein Dornengesteck wäre aber auch passend gewesen. Denn der Weg zu dieser Personalie lag voller Dornen, und damit sie zustande kam, musste die SPD einen ihrer umtriebigsten, auch streitbarsten Politiker verlieren. An einer scheinbar unbedeutenden Personalfrage hat sich abermals eine Richtungsentscheidung festgemacht.
Falke gegen Taube
Es kursieren verschiedene Versionen darüber, warum der Hamburger Johannes Kahrs, der 22 Jahre lang für die SPD im Bundestag kämpfte, seinen Traum nicht erfüllt bekam, Wehrbeauftragter zu werden. Zum Beispiel jene, dass die Berliner Abgeordnete Eva Högl statt seiner versorgt werden musste, um Michael Müller, dem traurigen und scheidenden Bürgermeister von Berlin, mit einem sicheren Platz auf der nächsten Wahlliste einen Trostpreis als Bundestagsabgeordnetem zu verschaffen.
Die Versionen sind alle falsch. Es ist wie so oft in der Politik viel einfacher. Mützenich konnte den Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels „noch nie leiden“, wie jemand aus der Fraktionsspitze formuliert. Wollte ihn dort weghaben, auch weil Bartels diesen Posten nutzte, um eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu machen, die nicht diejenige des Friedenspolitikers Rolf Mützenich ist. Falke gegen Taube, Realo gegen Fundi, das war die Ausgangslage.
Die Selbstsprengung des Johannes Kahrs
Dann stellte sich heraus, dass Johannes Kahrs in der Unionsfraktion nicht durchsetzbar war. Neben Fraktionschef Ralph Brinkhaus hatten sich auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen Kahrs gestellt. Sondierungen nach ausreichend Leihstimmen von Grünen und FDP durch den Parlamentarischen Geschäftsführer Carsten Schneider blieben erfolglos. Eine Niederlage von Mützenich drohte. Das war die Geburtsstunde der Kandidatin Eva Högl, Juristin, sicherheitspolitisch unbeleckt, Fraktionsvize und Kopf des sogenannten Netzwerks, einer dritten Vereinigung von SPD-Parlamentariern neben der Parteilinken und deren Gegenpol, dem Seeheimer Kreis, dem Kahrs lange Jahre vorstand.
Nicht zu einer Niederlage, aber zu einem dornigen, verlustreichen Sieg wurde die Angelegenheit für Mützenich dann doch, weil Kahrs, gewiefter, manche würden sagen: ruchloser Strippenzieher und Kenner des politischen Geschäfts, größtmöglichen Kollateralschaden stiftete, indem er sich in der entscheidenden Fraktionssitzung zu Wort meldete und seinen Rückzug von allen Ämtern verkündete. Völlig überraschend kam das selbst für Leute, die Kahrs gut kennen. Die Selbstsprengung des Johannes Kahrs in den eigenen Reihen verfehlte ihre Wirkung nicht.