Wahlplakate
Für ein paar Wahlplakate wäre hier in Kempten noch Platz / picture alliance

Europawahl 2019 - Jenseits der Volksparteien

Weil der beliebte Wahlomat zur Europawahl 2019 der Bundeszentrale für politische Bildung die kleineren Parteien nicht berücksichtigte, musste er nach einer Klage der Partei Volt kurzfristig vom Netz genommen werden. Doch was wollen diese Parteien eigentlich? Wir stellen eine Auswahl vor

Autoreninfo

Christine Zinner studierte Sozialwissenschaften und Literaturwissenschaft und ist freie Journalistin.

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Volt

voltDie Gründung der Bewegung Volt Europa war eine Reaktion auf den Brexit und den steigenden Populismus. Als Bewegung ist Volt in 31 Ländern vertreten, darunter auch in Staaten außerhalb der EU wie in der Schweiz oder Albanien. Als Partei gibt es Volt inzwischen in 13 Ländern. Der erste nationale Verband war die Volt-Partei Deutschlands, die sich 2018 gründete. Volt bezeichnet sich selbst als die erste paneuropäische Bewegung und Partei, die grenzübergreifend Politik für ein föderales Europa macht. Mit ein und demselben Wahlprogramm tritt die sie in acht verschiedenen Ländern an. So ein „paneuropäisches“ Konzept ist in der EU-Politik neu. Volt will nicht nur für die EU werben, sondern auch einen Plan entwerfen, wie sie sein soll. Sie stellt sich gegen Nationalismus und wirbt für das gemeinsame Lösen europäischer Probleme. Sie fordert ein transparenteres und demokratischeres Europa, das den Bürger besser miteinbezieht. Deswegen will sie auch „one (wo-)man, one vote“ für alle Bürger. Zudem soll das EU-Parlament Gesetze vorschlagen können. Momentan hat dieses Recht nur die Europäische Kommission.

Demokratie Direkt!

Demokratie Direkt!Die Partei will mehr direkte Demokratie ins EU-Parlament bringen und das macht sie vor allem online. Die vom Parlament getroffenen Entscheidungen wollen sie in ein Online-Forum hochladen und so für alle Bürger transparent machen. Diese können sich in dem Forum anmelden, mitdiskutieren und mitentscheiden wie die Abgeordneten von „Demokratie Direkt!“ abstimmen sollten. Zudem sollen Bürger eigene Ideen in dem Forum hochladen können. Falls ein Vorschlag genug Unterstützer findet, werden die Abgeordneten die Idee im Parlament zur Debatte bringen. Die Partei gründete sich erst Ende 2018 aus einer studentischen Initiative und verfolgt das Ziel, Demokratie lebendiger zu gestalten.

Familien-Partei

Partei FamilieViele kennen sie noch nicht, obwohl sie es 2014 mit einem Abgeordneten ins Europäische Parlament schaffte. Der ist jedoch inzwischen aus der Partei ausgetreten. In ihrem Programm fordert die Familien-Partei ein europäisches Kindergeld, eine europäische Rente und ein Erziehungsgehalt. Die Maßnahmen sollen zu einer höheren Geburtsrate, einem finanzierbaren Sozialsystem, einer geringeren Kinderarmut und einer geringeren Zahl von Abtreibungen, die aus sozialer Not durchgeführt werden, beitragen. Neben sozialen Forderungen setzt sich die Partei außerdem für eine Finanztransaktionssteuer, eine konsequente Strafverfolgung bei Steuerflucht, eine europäische Energiewende, eine europäische Verteidigungsarmee, einheitliche Asylverfahren und eine nachhaltige Landwirtschaft ein.

Liberal-Konservative-Reformer

lkrFalls sich jemand fragt, was eigentlich aus dem Gründer der AfD, Bernd Lucke, geworden ist: Der leitet nun als Parteivorsitzender die liberal-konservativen Reformer. Seine Beteiligung ist auf deren Website auch kaum zu übersehen, lautet die große Überschrift auf dieser doch „Bernd Lucke und die LKR“. Daneben ist ein großes Bild von ihm zu sehen. Die im Vordergrund stehenden Forderungen der Partei sind einerseits die Abschaffung des Euro und andererseits „ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Jeder Staat sollte nur dort mitmachen, wo er von den Vorteilen überzeugt ist.“ Die Partei steht zudem für geschützte Außengrenzen und klare Regeln in der Asylpolitik.

Demokratie in Europa – DiEM25

Demokratie in EuropaEine weitere Partei, auf deren Website einem sofort in Groß ein prominentes Gesicht entgegenblickt. Yanis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister Griechenlands, tritt für „Demokratie in Europa“ als Spitzenkandidat an. „Für einen europäischen Green New Deal!“, ist da zu lesen. Die Partei fordert eine jährliche Investition von 500 Milliarden Euro in den Klimaschutz, damit es doch noch gelingt, die europäischen Klimaziele einzuhalten. Mit dem Geld soll am Umbau des Verkehrssektors, am Ausbau erneuerbarer Energien und der Erforschung grüner Technologien gearbeitet werden. Es soll auch für lokale Projekte eingesetzt werden und besonders in Kohleregionen neue Arbeitsplätze schaffen.

Die Humanisten

humanistenDie Humanisten beschreiben sich mit den Schlagwörtern „rational, liberal, fortschrittlich“. Auf ihrer Website bezeichnen sie sich als „die Partei der nüchternen Fakten, nicht der emotionalen Symbolpolitik“. Die Partei schreibt sich auf die Fahne, sich für Problemlösungen vor allem an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren. Fakten soll der Vorzug vor Meinungen gegeben werden, weshalb die Humanisten das Gegenmittel zum Populismus seien. Die Bürger sollen möglichst nicht bevormundet werden, damit der Mensch sich frei und eigenverantwortlich entfalten kann.

Europäische Partei Liebe

Wem bei den Humanisten das Gefühl fehlt, der dürfte zumindest in dieser Hinsicht von der Partei Liebe nicht enttäuscht werden. Über eine zu starke Betonung der Rationalität kann man sich bei ihrem Programm nicht beschweren. „Die Liebe ist stärker als das Böse und die Liebe muss die Welt regieren!“ So heißt es in ihrem Programm, in dem auch autoritäre Töne anklingen: „Wir werden ununterbrochen und frei an der politischen Willensäußerung des Volkes teilhaben.“ Zugleich sind Menschen, die das Recht des Stärkeren in Form von Manipulation nutzen, der Feind und werden – im Rahmen der Gesetze – bekämpft. Alle anderen gehören zur geeinten, liebenden Familie – oder zumindest die Europäer. Diese Familie soll durch einen besseren Grenzschutz an den Außengrenzen der EU behütet werden. Die Partei will außerdem alle Formen der Gewalt bekämpfen, mehr Macht für Frauen und einen besseren Zugang zu medizinischen Leistungen.

 

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Ernst-Günther Konrad | Fr., 24. Mai 2019 - 18:03

Einmal probiert vor Jahren und für beeinflussend und einfach nur dumm empfunden. Gibt es demnächst auch ein Programm, um mir mitzuteilen, wann ich auf's Klo muss? Ich informiere ich mich selbst, ich lese Parteiprogramme und manchmal auch deren Gazetten, ich sehe ausgesuchte Sendungen, Bücher, Artikel gerne auch in der Auslandpresse. Ja, wir werden überall manipuliert bzw. es wird versucht es zu tun. Ja, ich entscheide nicht immer alles richtig. Ja, ich habe mich auch schon geirrt, etwas falsch verstanden und Fehler gemacht. Ja, ich habe Menschen und Sachverhalte falsch eingeschätzt. Das war aber alles ich, kein Automat. Ich muss mit meinen Entscheidungen leben. Ich genieße die Vorteile, ich stelle mich den Nachteilen. Es sind meine Entscheidungen, meine Konsequenzen, die ich ertragen muss. Es sind nicht die anderen, ich habe nachgedacht, mit anderen diskutiert und entschieden. Ich nehme aktiv am Leben teil und lasse mich nicht von einem Wahl-o -mat im Internet aushorchen und lenken.

Dieter Erkelenz | Sa., 25. Mai 2019 - 06:25

Ich bin der Redaktion des Cicero dankbar, dass sie auch diese Parteien kurz und bündig vorstellt.