
- Der Impfstoff als Sehnsuchtstropfen
Der Impfstoff ist in Deutschland und der EU, was die Südfrucht in der DDR war: ein Sehnsuchtsstoff, der vor allem in der Phantasie existiert. Die Europäer sind mit Mangelverwaltung und Blame Game beschäftigt, während die Briten im Akkord impfen. Hatten die Brexiteers am Ende recht?
EU-Kommissarin Ursula von der Leyen versteht sich auf die große Geste und das große Wort, gleichermaßen wohlgesetzt in feinstem Englisch wie in ihrer Muttersprache. Vor dem Wochenende hat sie nun kundgetan, dass weitere 300 Millionen Corona-Impfdosen seitens der EU bestellt würden, und dass aber dennoch alles richtig gemacht worden sei im Verbund der Länder. Gesundheitsminister Jens Spahn übt sich derweil im nationalen Alleingang und beschafft zusätzlichen Impfstoff durch den Aufbau von Produktionsstätten in Deutschland.
Was wie eine Entlastung gegen den Vorwurf des Versagens beim Impfstart aussieht, erweist sich als Eingeständnis, dass alle Vorwürfe richtig waren. Denn die zusätzlichen Dosen helfen jetzt gegen die gähnende Leere in den Impfzentren gar nichts. Sie kommen erst im Sommer, wenn die ganze Welt in Impfstoff schwimmen wird. Es ist in etwa so, als gäbe es in einem heißen Sommer keine kurzen Hosen und die Bekleidungsindustrie verspricht Shorts für den November.