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Energiewende - Was tun gegen enorme Verbrauchskosten?

Die Bundesregierung treibt die Energiewende voran, doch Strom und Wärme werden immer teurer. Wie können arme Haushalte Energiekosten sparen?

Autoreninfo

Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat zunächst als Ein-Mann-Kampagne, später unterstützt von Verbraucherzentralen, Energiekonzernen und Wohlfahrtsverbänden, den Strompreis zum Hauptproblem der Energiewende erklärt. Inzwischen gilt es als Allgemeingut, dass die Energiewende für die Armen in Deutschland zu teuer sei und sie sich Strom kaum noch leisten könnten. Und das, obwohl die Bundesregierung die Existenz von „Energiearmut“ in Deutschland offiziell noch immer bestreitet.

Von Energiearmut könne lediglich in Entwicklungsländern gesprochen werden, heißt es. Doch das Problem geht über den Strompreis hinaus: Haushalte in Deutschland geben mehr als 50 Prozent ihrer Energiekosten für die Heizung aus. Der Energiekostenanteil an den Konsumausgaben liegt im Durchschnitt bei 6,5 Prozent, der für Strom bei 2,5 Prozent.

Warum wird über die Heizkosten kaum diskutiert?

Heizkosten sind ein Effizienzthema. Und Energieeffizienz wird zwar von allen Akteuren, seien es die Parteien, die Regierung oder die Energiekonzerne, als wichtiges Thema benannt. Doch eine ernst zu nehmende Effizienzpolitik hat sich aus dieser Erkenntnis noch nicht entwickelt. Zwei Jahre haben Regierung und Opposition in Bundestag und Bundesrat damit verbracht, über ein Gesetz zur steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung zu streiten. Union und FDP wollen die energetische Sanierung für Hausbesitzer steuerabzugsfähig machen. Der von der SPD dominierte Bundesrat hat das Gesetz aber abgelehnt. Eine Einigung kam nicht zustande. Die SPD argumentiert, dass von einer Steuerlösung nur Haushalte profitieren, die auch Steuern zahlen. Da viele Rentner zwar Wohneigentum haben, aber keine Steuern mehr zahlten, hätten diese keinen Anreiz für eine Sanierung. Deshalb plädiert die SPD für mehr Zuschüsse zur Sanierung. Ob aus diesen unterschiedlichen Konzepten nach der Bundestagswahl eine Effizienzpolitik wird, die die Heizkosten der Haushalte in den Blick nimmt, ist unklar.

Was wird bisher gegen das Problem getan?

Seit 2008 und noch bis 2015 fördert das Bundesumweltministerium das Programm Strom-Spar-Check. Die Caritas Frankfurt am Main hat das Beratungskonzept entwickelt. Die Idee: Langzeitarbeitslose werden in einem Lehrgang von 100 Stunden zu „Stromsparhelfern“ ausgebildet und gehen dann in Haushalte von Hartz-IV-Empfängern, um diese beim Stromsparen zu unterstützen. Zwischen 2008 und 2012 haben die Berater 85.000 Haushalte beraten. 2700 Langzeitarbeitslose sind in diesem Zeitraum weitergebildet worden, jeder fünfte von ihnen hat nach dem Auslaufen der Maßnahme einen regulären Arbeitsplatz gefunden – allerdings kaum jemand als Energieberater.

Michael Kopatz arbeitet beim Wuppertal-Institut und hat jüngst beim Münchner Oekom-Verlag das Buch „Energiewende. Aber fair!“ veröffentlicht. Er berichtet, dass die Stromsparhelfer „oft nach drei Monaten schon wieder raus sind“. Sie können bei ihrer Beratung also nicht von ihren Erfahrungen profitieren, weil sie gar nicht lange genug als Berater arbeiten können. Aktuell seien 650 Stromsparhelfer im Einsatz. Bis 2015 sollen weitere 16.000 Haushalte beraten werden.

Die Beratung verläuft so, dass die Stromsparhelfer ihre Kunden zu Hause besuchen, den Stromverbrauch von Geräten messen, die Stromkosten analysieren und mit den Bewohnern über ihre Gewohnheiten bei der Nutzung elektrischer Geräte sprechen. Einfache Veränderungen, wie der Einsatz von Steckerleisten, damit der Stand-Buy-Verbrauch vermieden wird, oder der Austausch von klassischen Glühlampen durch LED-Leuchten oder Energiesparlampen, wird direkt vor Ort erledigt. Dafür steht den Stromsparhelfern pro Haushalt ein Budget von im Schnitt 70 Euro zur Verfügung.

Seit 2013 gibt es zudem die Möglichkeit, die Haushalte bei der Anschaffung eines neuen energieeffizienten Kühlschranks zu unterstützen. In den meisten Haushalten verbraucht der Kühlschrank mit Abstand den meisten Strom. Neben der mangelnden Weiterbeschäftigung der Stromsparhelfer stört Kopatz am Stromsparcheck aber auch, dass die Berater die Haushalte nicht zu ihrem Heiz- und Warmwasserverbrauchsverhalten beraten. Zwar übernimmt eigentlich die Sozialbehörde die Heizkosten für Hartz-IV-Haushalte. Aber entsprechend der Rechtslage müsse sie nur „angemessene Heizkosten“ übernehmen. Kopatz sagt: „Da tun sich teilweise Riesenlöcher auf.“ Denn wegen der Vorgaben, wie teuer eine Wohnung für Hartz-IV-Empfänger sein darf, müssen sie oft in schlecht isolierte Wohnungen ziehen, die womöglich auch noch mit Nachtspeicherheizungen und uralten Warmwasserbereitern versehen sind.

Gibt es weiterführende Beratungsmodelle?

In Nürnberg haben die Sozialbehörden aufgeschreckt durch 5000 Stromsperren allein im Jahr 2007 ein eigenes Energiesparkonzept entwickelt. Dort beraten fünf professionelle Energieberater nicht nur Hartz-IV-Haushalte, sondern alle Haushalte, die das wünschen. Energieexperte Michael Kopatz findet das deshalb gut, weil vor allem Geringverdiener, die keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen, häufig noch mehr unter hohen Heizkosten leiden als Hartz-IV-Empfänger. In Nürnberg geht die Energieberatung über die Stromsparberatung hinaus. Wird das Warmwasser in einem veralteten Boiler bereitet, schreiben die Nürnberger Sozialbehörden an die Vermieter und bitten um Abhilfe. Ist ein Austausch nicht möglich, bekommen die Bewohner zumindest Hinweise und teilweise technische Unterstützung, um die Geräte effizienter zu nutzen. Auch wenn die Haustür oder die Fenster undicht sind, wenn es Schimmelschäden gibt, oder andere Wohnungsmängel, es unmöglich machen, beim Heizen zu sparen.

Außerdem können Nürnberger die Sozialbehörden beauftragen, für sie günstigere Stromtarife zu finden. „Ein Wechsel eines armen Haushalts scheitert oft an den Bonitätsprüfungen der Stromversorger“, sagt Michael Kopatz. Gerade die Ärmsten hätten deshalb kaum eine Chance aus einem teuren Grundversorgervertrag herauszukommen. Die Unterstützung geht noch weiter: Wer Energieschulden hat, bekommt Hilfe dabei, eine Ratenrückzahlungslösung dafür zu finden. Damit arme Haushalte ihre stromfressenden Kühlschränke austauschen können, hat eine Nürnberger Tageszeitung eine Spendenaktion gestartet, mit der bisher 150 Haushalte einen effizienten Kühlschrank kaufen konnten. Die teilnehmenden Fachhändler liefern den neuen Kühlschrank, nehmen den alten mit und schicken die Rechnung ans Sozialamt. Kopatz hält das Nürberger Modell für „vorbildlich“. Eine Ausdehnung hält er angesichts der Ergebnisse für „erstrebenswert“. Im Schnitt zahlen die Haushalte nach der umfassenden Beratung 120 Euro oder rund 15 Prozent weniger für Strom und 130 Euro oder 22 Prozent weniger für Wärme.

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