Illustration Sophie Dannenberg En passant
„Unsere Politiker legen sich immer mehr ins Zeug, als Moralapostel aufzutreten, anstatt das Richtige zu tun“

En Passant - Das Sanfte und das Gute

In ihrer Kolumne schreibt Sophie Dannenberg über beiläufige Entdeckungen. Diesmal wundert sie sich gemeinsam mit Gottfried Benn, woher das Sanfte und das Gute kommen und entwickelt eine Theorie, warum wir vergessen, wie freundlich die Welt sein könnte

Autoreninfo

Sophie Dannenberg, geboren 1971, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr Debütroman „Das bleiche Herz der Revolution“ setzt sich kritisch mit den 68ern auseinander. Zuletzt erschien ihr Buch „Teufelsberg“

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Nicht, dass ich unbedingt Anlass dazu hätte, aber gelegentlich stelle ich mir das Sterben vor. Ich denke dann an die Zeitraffer-Szenen, die der Sterbende, wie man hört, wohl sieht, den Film seines Lebens. Ich fantasiere also die schönen und furchtbaren Szenen meines Lebens und ihre Abfolge. Und dann überlege ich, ob uns Journalisten, wenn wir sterben, auch die Protagonisten unserer Berichterstattung noch einmal begegnen. Mit denen leben wir ja manchmal auch sehr intensiv.

Dieser Ausschnitt meiner Sterbefantasie wird in letzter Zeit immer gespenstischer, eine grelle Parade. Ständig sehe ich die Haare von Trump, darüber schweben die Twitter-Blasen der AfD, und alles ist unterlegt mit einer Neujahrsansprache von Angela Merkel. Mich macht das wütend und ich denke, jetzt werden diese Politiker mir auch noch das Sterben vermiesen. Dann fällt mir ein Gedicht von Gottfried Benn ein. Der schreibt, wie seine letzten Gedanken jenen Menschen gelten, die „die reine Stirn der Engel trugen“. Unauffällige, freundliche Menschen, die sogar zu schüchtern sind, „auch noch eine Benennung zu haben“.

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Ernst-Günther Konrad | Fr., 1. Februar 2019 - 19:10

sie erinnern an Dinge, die eigentlich selbstständlich sein sollten, aber nicht mehr sind. Die Gesellschaft hat sich in die emotionale Kälte begeben. Billig und schnell soll alles sein. Helikoptereltern, die ihre Kinder nicht selbstständig werden lassen, nicht mehr konfliktfähig und einfühlsam erziehen. Kleine Egomanen erzeugen, die nie etwas verkehrt machen, es sind immer die anderen. Eine Arbeitswelt, die immer mehr Druck erzeugt. Digitalisierung und Internet, die alles schnelllebig machen, den Menschen von der Natur
entfremden. Verlust von Heimat- und Familiengefühl, die Unfähigkeit das handwerklich erzeugte Prodoukt zu erkennen und zu würdigen. Respekt und Anstand gehen verloren und diejenigen, die es noch haben, werden als "anders" angesehen. Und ja, es gibt neben schlechten Eltern auch andere schlechte Vorbilder. Promis und Politiker, denen es an elementaren Umgangsformen mangelt. Wir kümmern uns nur um uns selber und vergessen die anderen. Wir nehmen andere nicht mehr wahr.

Mit jedem Satz gebe ich Ihnen wie so oft Recht, Herr Konrad.
Vor allem die zwei letzten. Hinzu fügen möchte ich als alter Dresdner, dass die Familien Anfang der 90-er Jahre in den Altbundesländern noch Verhältnismäßig in Ordnung waren (das Gehalt des Mannes reichte selbst bei der großen Masse für die Familie mit vielen Annehmlichkeiten), obwohl durch die Emanzipation der Frau schon leichte Tendenzen der Familieauflösung zu erkennen waren. Dieses Debakel erreichte durch eine hemmungslose Markt -und Finanzwirtschaft (man hatte ja nun kein Feindbild mehr) und politischer Interessen seinen Höhenpunkt.
Geiz ist Geil und seit kurzen sind wir auch kein Volk mehr, sondern eine Masse Statistik, Konsumenten & Wähler. Dies kann man ja ganz deutlich an unserer Einwanderungspolitik der letzten 20Jahre erkennen. Hinzu kommt die Deportierung des christlichen Glaubens von innen heraus und durch die ÖR. Aber auch unsere Ahnen werden diskriminiert & deformiert, während Sie alle die Immerklugen sind.

Herr Lehmann. Ein Großfamilie wird nicht mehr gewünscht. Arbeitsplätze auf dem Land kaum vorhanden. Die Jungen müssen aus dem Nest nur zu welchem Preis? Ich hatte in meinem Berufsleben viele Mitarbeiter aus Mitteldeutschland. Alle noch wohl erzogene und durchaus familiengebundene Menschen, die in ihrer Heimat keine Arbeit fanden. Sie mussten dem "Geld folgen" und zogen zum Teil 100er km weg. In den teureren Westen, der so viel bessers versprach. Ja, Arbeit haben sie gefunden aber dafür keine Familie, die mussten sie zurück lassen. Eltern soweit weg, dass sie ihre Enkel wenig bis gar nicht sehen. Zurück gelassene Alte, die gerne noch eine Aufgabe hätten, die Enkel betreuen würden usw. Nur, wo gibt es große bezahlbare Wohnungen, wo alle gemeinsam weiter wohnen können? Was hat der Westen über den Osten geschimpft, weil die Kinder von kleinauf in Kitas kamen zur politischen Umerziehung. Was ist heute? Schlimmer noch als in der DDR. Ganze Familien werden auseinander gerissen. Linkes Ideal!!