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Energiewende - „Die Summe ergibt kein Ganzes”

Hildegard Müller ist Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands für Energie- und Wasserwirtschaft. Im Interview erklärt die ehemalige Merkel-Vertraute, was passieren muss, damit die Energiewende gelingt

Autoreninfo

Christian Schägerl arbeitet als freier Journalist in Berlin.

So erreichen Sie Christian Schwägerl:

Frau Müller, leidet die Energiewende unter mangelnder politischer Führung?
Führung klingt so, als könne das einer alleine regeln. Es sind aber viele in der Verantwortung. Woran es wirklich mangelt, ist eine Koordination der Umsetzung und ein entschlossenes Projektmanagement. Es gibt 16 Energiekonzepte der Länder, hunderte von Plänen in den Städten und Gemeinden und natürlich auch einen Rahmen, der von der EU vorgegeben wird. Die Summe all der Einzelpläne ergibt aber zurzeit kein Ganzes.

Was schlagen Sie vor?
Vor allem mit den Bundesländern muss  dringend abgestimmt werden, wie ein möglichst effizienter und gleichzeitig volkswirtschaftlich verträglicher Ausbau zu schaffen ist. Erste richtige Schritte in diese Richtung wurden bei den Gesprächen zwischen Bund und Ländern schon unternommen. Doch den Gesprächen müssen Taten folgen.

Als Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft haben Sie gewissen Einfluss. Hat das Projekt Energiewende durch den Bearbeitung von bestimmten Lobbygruppen Schaden genommen?
Die Energiewende ist ein Generationenprojekt und ein Gesellschaftsprojekt. Es ist gut und richtig, dass viele gesellschaftliche Gruppen ihre Interessen und Ambitionen in diesen Prozess einbringen, denn die Aufgabe ist komplex. Die Lösungen sind oft schwierig und alles andere als eindeutig. Lobbygruppen sind also ein wichtiger Ratgeber für die Politik und ein wichtiger Teil dieser Energiewende. Der Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte ist die Grundlage von Demokratie und Fortschritt. Schädlich wäre es, wenn die Debatte ausbleibt, verdeckt geführt oder von der Politik nicht ausreichend reflektiert wird. Das kann man aber bei der energiepolitischen Debatte nicht unbedingt behaupten.

[gallery:Die Kosten der Energiewende]

Halten Sie es für nötig, den Einfluss von Lobbygruppen zu begrenzen?
Umweltverbände, Wirtschaftsverbände, Kirchen und NGOs – sie alle betreiben Lobbyismus und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die demokratische Meinungsbildung. Aber sicher ist auch: Lobbyismus braucht Regeln. Transparenz und Akkreditierung sind beispielsweise unabdingbar. Und ebenso ist klar, dass man sich an Recht und Gesetz halten muss. Wir setzen bei unserer Arbeit auf Sachaufklärung. Am Ende entscheidet die Politik.

Seite 2: „Lobbygruppen müssen Verantwortung übernehmen”

Wie viel Gewicht hat Ihre Arbeit?
Die Politik muss lernen, Partikularinteressen und gesellschaftliche Interessen zu unterscheiden und dabei Entschlüsse zu fassen, die dem Allgemeinwohl dienen. Und für die Lobbygruppen heißt das, Verantwortung übernehmen und das Ganze im Blick haben. In einem Verband wie dem BDEW, in dem kleine und große Unternehmen aller Wertschöpfungsstufen der Energie- und Wasserversorgung tätig sind, führt das gelegentlich auch zu schwierigen Debatten. Die Lösungsvorschläge haben dann aber auch ein anderes Gewicht als die von Verbänden, die beispielsweise lediglich den hohen Absatz von Photovoltaik-Anlagen im Sinn haben. Dies gilt vor allem auch, weil wir im ständigen Dialog mit den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen sind.

Welche Form von politischem Management wünschen Sie sich für die Energiewende?
Klare Zuständigkeiten, gute Koordinierung und ein konzentriertes Projektmanagement bei den einzelnen Vorhaben. Begleitet von einem indikatorenbasierten Monitoring, das eine Priorisierung der einzelnen Ziele vornimmt. Und dazu gehört meiner Überzeugung nach ein Dialog-Forum für eine strukturierte Einbeziehung der gesellschaftlichen Akteure, dem ein starkes nationales Mandat zugrunde liegt. Gemeinsam mit dem WWF haben  wir daher ein ,Nationales Forum Energiewende‘ vorgeschlagen und einen konkreten Ausgestaltungsvorschlag gemacht. Das Forum soll den ständigen Austausch zwischen der politischen Führung von Bund und Ländern gewährleisten, aber vor allem auch den Austausch mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen verstetigen. Es soll Ansprechpartner für die Energiewende sein. Nach innen und nach außen. Dies kann zu einer besseren Akzeptanz für die Energiewende beitragen.

Wo sehen Sie die größten Gefahren für die Energiewende?
Ohne bessere Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Stromnetze läuft die Energiewende Gefahr, vor die Wand zu fahren. Immer mehr Strom aus Wind und Sonne, der mit dem EEG von allen Verbrauchern finanziert wird, muss abgeregelt werden. Dies zerstört die Akzeptanz und den Glauben an die Vernunft des Projektes. Schilda lässt grüßen! Aber auch sonst gibt es einiges zu tun. Das sich stets wechselnde Zusammenspiel zwischen konventionellen Kraftwerken und fluktuierender Energie aus Wind und Sonne bringt große Herausforderungen mit sich, die entschlossen angegangen werden müssen. Außerdem ist die Energiewende noch immer nicht ausreichend europäisch eingebettet. Aber gerade das sollten wir schleunigst tun. Um den Erfolg der Liberalisierung und des EU-Binnenmarktes nicht zu gefährden und weiterhin von den positiven Effekten des Wettbewerbs zu profitieren, ist auch eine bessere Koordinierung mit den europäischen Partnern nötig. Last but not least: Die Kosten für Energie werden steigen. Die Debatte darüber sollte dazu führen, dass wir effizient und kostengünstig vorgehen. Nicht aber dazu, dass wir das gemeinsame Ziel diskreditieren.

Das Gespräch führte Christian Schwägerl

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