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(picture alliance) „Das vielleicht schlagkräftigste Team seit dem Untergang der Amazonenherrschaft“ nennt der Bonner Politologe Gerd Langguth das Duo Angela Merkel und Beate Baumann

Politische Partnerschaften - Die Macht der Zwillinge

Politiker und Journalisten tun sich oft zusammen. Viele werden ein Erfolgsduo wie Peter Struck und Norbert Bicher. Andere wie Christian Wulff und sein langjähriger Intimus Olaf Glaeseker befehden sich sogar. Warum klappt, woran zerbricht eine symbiotische politische Partnerschaft?

Wie es begann und warum der Funke übersprang, wissen alle noch. Wilfried Scharnagl erinnert sich, dass ihn sein späterer Mentor Franz Josef Strauß das erste Mal 1963 in der Münchner Residenz bei einer Abschiedsveranstaltung für Konrad Adenauer beeindruckte. Wolfgang Clement weiß noch, dass es in Strömen goss, als er im November 1980 das erste Mal zu Hause bei Johannes Rau vorm Kamin saß. Roland Koch wurde auf seinen späteren Sprecher Dirk Metz aufmerksam, als er – damals Stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Union – Anfang der Achtziger dessen Heimatstadt Siegen besuchte.

Der Journalist Norbert Bicher lernte den SPD-Politiker Peter Struck in den neunziger Jahren beim regelmäßigen Eintopfessen im Bonner Bundeshaus kennen und schätzen. Bicher wurde Strucks ständiger Begleiter und Sprecher – in allen politischen Ämtern. Als der SPD-Fraktionschef 2002 auf einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob es stimme, dass er in das Verteidigungsministerium gehen werde, sagte er: „Ja, aber nur wenn Norbert mitgeht.“ Und dabei blieb es. Auch heute, als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, macht Struck nichts ohne seinen Norbert: Bicher ist der Stiftungssprecher.

Strauß-Scharnagl, Koch-Metz, Clement- Rau, Struck-Bicher: So unterschiedlich die Gespanne auch waren oder sind – die Konstellation ist jedes Mal die gleiche und die Motivlage auch: Ein Journalist und ein Politiker merken, dass sie auf der gleichen Wellenlänge funken. Sie tun sich zusammen, um gemeinsam voranzukommen, werden Partner, Verbündete und Freunde fürs Leben, jedenfalls solange klar ist, wer die Nummer eins ist und die politische Richtung vorgibt. Das jahrelang erfolgreiche Politteam Clement-Rau kam erst ins Schlingern, als das nicht mehr klar war und Clement selbst Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden wollte.

Auch das Duo Olaf Glaeseker und Christian Wulff ist zerrüttet – allerdings aus anderen Gründen. Wann und wo der Journalist Glaeseker dem jungen und aufstrebenden CDU-Politiker Wulff zum ersten Mal begegnete, lässt sich nur schwer rekonstruieren: Die beiden reden nicht mehr über ihre langjährige Freundschaft. Stattdessen distanzieren sie sich in der Affäre um Gefallen und Einladungen sogar voneinander. In den Archiven allerdings kann man nachlesen, was Wulff einmal über Glaeseker gesagt hat: „Er ist mein Faktotum“, „mein siamesischer Zwilling“.

Vertraute und Einflüsterer der Mächtigen hat es überall und zu allen Zeiten gegeben: Vermutlich schon im alten Ägypten, mit Sicherheit im alten Rom, am Hofe Ludwigs XIV oder der Zarin Katharina, im alten Berliner Stadtschloss, in Adolf Hitlers Reichskanzlei und beim Zentralkomitee der DDR-Einheitspartei. Und es gab sie selbstverständlich schon immer im Kanzleramt: Konrad Adenauer hatte den Bankier Robert Pferdmenges, der ihm die Wünsche der Wirtschaftskapitäne soufflierte, und seinen Hans Globke, der zwar NS‑belastet, aber als Kanzleramtschef für den Alten unersetzlich war.

Mit Willy Brandt kam eine neue Politikergeneration an die Macht – und weil es wichtiger wurde, in den Medien „bella figura“ zu machen, hörten die Politiker immer häufiger auf Ratschläge von Journalisten: Für Brandt, der selbst von Hause aus Journalist war, wurde der Rias-Korrespondent Egon Bahr der wichtigste Berater, Helmut Schmidt hatte seinen Sprecher Klaus Bölling, den das Publikum aus dem Fernsehen kannte und der einer der einflussreichsten Vertrauten des Kanzlers wurde. Helmut Kohls engste Gefolgsleute waren seine Büroleiterin Juliane Weber – und der Journalist Eduard Ackermann. Auch Gerhard Schröder ließ sich von einer Journalistin beraten: von seiner Ehefrau Doris Schröder-Köpf, früher Focus-Redakteurin. Nur Angela Merkel fällt aus dem Rahmen. Sie hat sich keine Journalistin als engste Vertraute auserwählt, sondern Beate Baumann. Die Büroleiterin der Kanzlerin ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Und eine exzellente Schweigerin.

Seite 2: Merkel und Baumann – das schlagkräftigste Team seit dem Untergang der Amazonenherrschaft

Merkel und Baumann – man weiß nicht viel über die beiden Frauen, die der Bonner Politologe Gerd Langguth keineswegs nur ironisch das „vielleicht schlagkräftigste Team seit dem Untergang der Amazonenherrschaft“ nennt. Jeder Versuch, sie selbst über ihre mächtige politische Partnerschaft zu befragen, ist zum Scheitern verurteilt. Als „Alter Ego“, „Rasputina“, „Königskobra“, „Zerbera“ wurde Baumann in den Medien apostrophiert. Sie bleibt gern im Schatten und lässt sich nur ungern fotografieren. Nie würden beide sich als „siamesische Zwillinge“ titulieren lassen. Bis heute sind sie per Sie.

Roland Koch war elf Jahre Ministerpräsident von Hessen und Dirk Metz sein Regierungssprecher. Jetzt ist der CDU‑Politiker Vorstandschef der Firma Bilfinger, die in Köln und Berlin U‑Bahnen baut und auch mit anderen Großprojekten weltweit im Geschäft ist. Metz hat sich als freier Kommunikationsberater selbstständig gemacht und im vornehmen Frankfurter Westend ein großzügiges Büro bezogen mit einem weiten Blick über die Stadt. Die beiden haben erst gezögert, ob sie über sich und ihre langjährige Partnerschaft reden sollen. Aber dann waren sie einverstanden, denn sie sind raus aus dem politischen Geschäft. Koch ist extra aus Mannheim angereist und hat sich fast zwei Stunden Zeit für das Gespräch genommen.

Sie sind immer noch eng. Metz: „Wenn ich ihn nachts um drei Uhr anriefe und sagte: Ich habe da ein Problem und brauche deinen Rat oder deine Unterstützung, wäre ich sicher, dass er mir entweder am Telefon sofort einen Rat geben oder fünf Minuten später im Auto sitzen würde, um zu mir zu kommen. Und er weiß, dass es umgekehrt genauso ist – egal wo jeder von uns sich gerade aktuell befindet.“

Nun reden sie über Politpartnerschaften im Allgemeinen und über ihre langjährige Kooperation im Besonderen: über Politiker und Berater, die im Laufe der Zeit so eng werden, dass man sie nur noch als Duo, als Tandem oder wie ein altes Ehepaar wahrnimmt. Koch und Metz sprechen auch über ein paar Grundregeln der politischen Kommunikation, die jeder Politiker und jeder Berater kennen und beachten muss, um Erfolg zu haben – zum Beispiel, wie man eine Strategie entwirft, um eine Parteispendenaffäre zu überstehen, oder wann man schweigt und wann man unbedingt reden muss.

Koch ist davon überzeugt, dass er Ende 1999 die Affäre um die obskuren „jüdischen Vermächtnisse“, mit denen sein Vorgänger Manfred Kanther das im Ausland geparkte Schwarzgeld der Hessen-CDU zu tarnen versucht hatte, ohne die Hilfe seines Sprechers Metz nicht überstanden hätte. Metz wiederum glaubt, dass dies nur möglich war, weil Koch ihm rückhaltlos alles anvertraute, was er wusste, und ihm dann die Öffentlichkeitsarbeit überließ.

Hätte der Bundespräsident Wulff die Hauskreditaffäre überstanden, wenn Metz ihn beraten hätte? Hätte, hätte, würde, würde! Hypothetische Fragen. „Ob die Angelegenheit zu überstehen gewesen wäre, weiß ich nicht“, sagt Metz schließlich. Er will den Ex-Präsidenten und seinen Berater nicht in die Pfanne hauen. Er sagt dazu nur einen Satz: „Grundsätzlich ist es in Krisen wichtig, so schnell wie möglich so viel wie möglich auf den Tisch zu legen.“

Das sei, ergänzt Koch, die „Einstellung, mit der wir manche Krise überlebt haben“, eine Einstellung, die übrigens „eine weitere Voraussetzung hat: Dirk Metz ist bei mir davon ausgegangen und er konnte auch davon ausgehen, dass klar ist, dass es nichts im Hintergrund mehr gibt.“ Mehr sagen die beiden dazu nicht. Aber die Botschaft ist klar: Wenn eine Leiche im Keller liegt, scheitert auch der beste PR-Profi.

Seite 3: Die Regeln der Politpartnerschaft

Politpartnerschaften können nur funktionieren, wenn mindestens zwei Regeln strikt befolgt werden, die übrigens partei- und systemübergreifend gelten: Regel Nummer eins: „Absolute Verschwiegenheit nach außen, rückhaltlose Ehrlichkeit und Offenheit untereinander.“ Regel Nummer zwei: „Der Ober sticht den Unter.“ Außerdem gilt: Ein guter Berater bleibt im Hintergrund und meidet den Scheinwerfer. Vertraute haben kein festes Berufsbild, es gibt keine Ausbildungsrichtlinie. Und keine einheitliche Besoldung. Was zählt, ist die Nähe zur Macht. In einem Ministerium oder einer Landesregierung haben sie oft mehr Einfluss als die ihnen übergeordneten Staatssekretäre oder Minister. Glaeseker beispielsweise galt – als er noch dem Ministerpräsidenten Wulff in Hannover als Sprecher und Einflüsterer diente – unter seinen Länderkollegen als einer der mächtigsten Regierungssprecher der Republik. Einige Minister im schwarz-gelben Kabinett in Hannover bezeichneten ihn sogar als „heimlichen Stellvertreter von Wulff“.

So weit hätten es Koch und Metz nie kommen lassen. Wenn aber der Staatssekretär Metz einen Minister anrief, weil irgendetwas Negatives in der Zeitung stand, dann war’s, als riefe der Chef persönlich an. „Dieser Staatssekretär“, sagt Koch heute rückblickend über seinen Sprecher Metz, „war sicherlich eines der einflussreichsten Kabinettsmitglieder“ – auch wenn seine Macht immer nur „abgeleitete Macht“ war.

Als Peter Struck noch Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion in Bonn war, traf er sich in den Sitzungswochen jeden Tag pünktlich um 13 Uhr mit ein paar Journalisten zum Mittagessen. Meistens gab es Eintopf. Die Journalisten erfuhren dabei Interna aus der SPD-Fraktion, Struck ließ sich über den neuesten Politklatsch informieren. Die Mittagsrunde, von Joschka Fischer – neidisch – als „Strucks fünfte Kolonne“ verspottet, war eines jener typischen Mauschel-Biotope, die nicht nur damals in Bonn funktionierten, sondern auch heute in Berlin und überall dort, wo Politiker sich mit Journalisten treffen. Norbert Bicher, Korrespondent der Westfälischen Rundschau, war immer mit dabei.

Er gehörte zu den eher Unauffälligen, die nie viel von sich hermachen, aber alles wissen. Lautsprecher und Windmacher sind ihm ein Gräuel. Struck ist ähnlich gestrickt. Auch er kam nicht nach oben, weil er ein begnadeter Redner oder ein brillanter Stratege war, sondern weil er es immer schaffte, auf unauffällige Art Netzwerke zu knüpfen und Freundschaften zu pflegen – sowohl in der eigenen Fraktion als auch zu vielen Kollegen aus Union und FDP. Dass er einmal Fraktionschef und sogar einer der beliebtesten Verteidigungsminister werden würde, hätte damals in Bonn niemand geglaubt. Als er 1998 Fraktionsvorsitzender wurde, nahm er Bicher mit, und der folgte ihm dann durch alle Ämter.

Schon in Bonn bewegten sich die beiden fast wie Zwillinge. Und sie sind auch in Berlin immer noch unzertrennlich. Stopft der eine seine Pfeife, tut es der andere auch, sie rauchen zwar nicht die gleiche Marke – aber fast immer synchron.

War Struck für Journalisten unerreichbar, konnte Bicher für ihn sprechen. Plauderte Struck mal etwas aus, das eigentlich nicht an die Öffentlichkeit sollte, fing Bicher die Journalisten ein und versuchte – meistens erfolgreich – die Indiskretion unter der Decke zu halten. Kürzlich haben die beiden noch einmal die Journalisten nach Bonn eingeladen, mit denen sie früher immer zu tun hatten, als sie noch auf dem politischen Parkett unterwegs waren. Das Treffen endete mit vielen „Weißtdu- noch-Geschichten“ in einem Weinhaus im Siebengebirge.

Seite 4: Peter Strunck und Norbert Bicher radeln auf dem Tandem durch die Politik

Jetzt sitzen die beiden in der Berliner Chefetage der Stiftung und räsonieren darüber, warum ihre Partnerschaft bis heute gehalten hat. Es lag unter anderem daran, dass Bicher sich selbst nie um ein politisches Amt bemühte: „Der Wechsel in die Politik hätte mich nie gereizt.“ Aber für Struck war er unentbehrlich. „Ich wusste“, sagt der 69 Jahre alte SPD-Politiker freimütig, „ohne ihn bin ich nur die Hälfte wert.“ Als „Privatsekretär“ habe er seine Rolle definiert, sagt Bicher, „nie als Entscheider, sondern immer nur als Zuarbeiter“. Struck widerspricht entrüstet: „Du bist nicht nur Zuarbeiter gewesen, du bist mein Freund, mein Ratgeber und hast mit den Ratschlägen, die du mir gegeben hast, eine enorm wichtige Rolle gespielt.“

Wie auf einem Tandem sind sie jahrelang durch die Politik geradelt. „Ich saß zwar immer vorne am Lenker“, sagt Struck, „aber wenn er mir von hinten sagte, du musst jetzt links fahren und nicht rechts – dann habe ich es auch gemacht. Ich habe fast alle Ratschläge von ihm 100-prozentig übernommen.“ Es gab auch Streit. Ein Berater, sagt Bicher, „darf den Politiker, den er berät, nicht bewundern. Er muss ihm auch widersprechen können.“

Im November 1980 bekam Wolfgang Clement, damals Redakteur der Westfälischen Rundschau in Dortmund, das Angebot, Parteisprecher der SPD zu werden. Er war unsicher und rief Johannes Rau an. Den kannte er, weil er ihn ein- oder zweimal interviewt hatte. Tags darauf saß er bei Rau zu Hause, und der SPD-Vize erzählte ihm, wie es damals in SPD-Präsidiumssitzungen zuging. Clement: „Das war sehr farbig, wie er das schilderte. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner gingen dort miteinander um wie drei Urtiere, wie Dinosaurier, die sich nur ganz langsam umeinander bewegten und nur über das Notwendigste miteinander kommunizierten. ‚Man muss lernen, damit umzugehen‘, sagte Johannes. ‚Aber spannend ist das.‘ Und dann hat er mir geraten, das zu machen. Und so hab ich’s getan.“

Clement sitzt in seinem Bungalow im Bonner Stadtteil Plittersdorf. Sein rechtes Knie ist geschient, er hat Malessen damit, aber er fährt schon wieder Fahrrad. 1987 hat er den Posten als Parteisprecher hingeschmissen, weil Willy Brandt dem Kanzlerkandidaten Rau in die Parade gefahren war. Rau setzte auf eine „eigene SPD-Mehrheit“, er wollte nicht mit den Grünen paktieren, Brandt hingegen sagte in einem Zeit-Interview, 42 Prozent wären für die SPD ja auch ein schönes Ergebnis. Damit war Raus Konzept Makulatur. Clement verließ die SPD-Parteizentrale und heuerte in Hamburg bei der Morgenpost an, die damals zum Verlag Gruner und Jahr gehörte.

In dieser Zeit lernte er Rau als uneigennützigen Kümmerer kennen. Es gab Krach mit dem Verlag, Clement war drauf und dran, wieder zu kündigen. Rau hörte davon, setzte sich ins Auto, fuhr nach Hamburg, und stand um Mitternacht vor Clements Tür. Später holte er ihn als Chef der Staatskanzlei nach Düsseldorf. Der Journalist wurde engster Mitarbeiter, danach Minister und schließlich Nachfolger des Ministerpräsidenten. Doch die Freundschaft der beiden, die die Familien mit den Kindern und gemeinsame Urlaube auf der Nordseeinsel Spiekeroog einschloss, zerbrach, als die Debatte darüber anfing, wer Rau als Ministerpräsident nachfolgen sollte. Der Unter wollte den Ober stechen.

Clement hat nie öffentlich über das Zerwürfnis geredet. Jetzt erzählt er, wie die nie offen ausgetragene Nachfolgedebatte das einst vertraute Verhältnis vergiftet hat: „Je mehr sich das zuspitzte, desto schwieriger wurde es. Das Problem dabei war, dass durch die Umgebenden das Thema immer noch schärfer zugespitzt wird, als man selbst glaubt, dass es ist.“ Allerdings hat er mit Rau selbst über die Nachfolgefrage „wenig bis gar nicht geredet. Ich vermute, wir scheuten beide das Gespräch über dieses Thema. Es hat sich wirklich langsam entwickelt zwischen uns, auch auseinander. Und irgendwann schien dann nur noch dieses eine Thema da zu sein. Und es kam immer nur die eine Frage: Wann, wann, wann? Und die stand hinter jeder Äußerung aus jeder Ecke.“

Seite 5: „Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt“

Erst Jahre später, als Clement nicht mehr Ministerpräsident, sondern Superminister in Berlin war, hat sich das Verhältnis entkrampft. „Da haben wir wieder einigermaßen zueinandergefunden. Ich bin oft bei ihm gewesen, als er krank war. Wir hatten auch wieder sehr persönliche Gespräche miteinander, auch wenn die alte enge Freundschaft, die Unvoreingenommenheit, die dazugehört, sich nicht mehr ganz einstellen wollte.“

Wilfried Scharnagl war von 1977 bis 2001 Chefredakteur des CSU-Parteiorgans Bayernkurier und bis zu dessen Tod 1988 einer der Vertrauten des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Er bewunderte Strauß, und im Laufe der Jahre wurden sie so vertraut, dass Scharnagl ohne Rücksprache Leitartikel im und unter dem Namen seines Herrn schreiben und veröffentlichen konnte. Er pflegte sie – dabei auf- und abgehend – zu diktieren, und wenn es ein Strauß-Leitartikel werden sollte, wusste die Sekretärin schon nach drei Sätzen: „Heute schreiben wir einen Strauß“ – so perfekt straußisch dachte und schrieb Scharnagl.

Ein Berater, sagt Scharnagl, „braucht ein großes Maß an Treue, absolute Treue. Er braucht unbedingte Diskretion. Er braucht natürlich einen hohen und wachen Intellekt, wenn ich das einmal so sagen darf. Und er braucht die Kraft zum Widerspruch.“ Dann zitiert er eine Stelle aus der Apostelgeschichte, „wo sich der Heilige Petrus aufspielt und Paulus gegen ihn aufsteht und es heißt: ‚Und er widerstand ihm tapfer ins Angesicht‘“. Gelegentlich hat auch er diese „Tapferkeit vor dem Freund“ gebraucht, wenn es galt, einen wütenden Strauß zu besänftigen und von unbedachten Reaktionen abzuhalten. Dann widerstand auch er ihm tapfer ins Angesicht, „aber das waren keine besonderen Auseinandersetzungen, sondern das war normal“.

Sein Verhältnis zu Scharnagl hat Strauß einmal auf die einprägsame Formel gebracht: „Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt.“ Treffender kann man die Symbiose von Gedanken und Überzeugungen kaum beschreiben. Bei Scharnagl und Strauß geht sie sogar über den Tod hinaus. Der Journalist hat gerade sein Buch „Bayern kann es auch allein“ vorgestellt – ein Plädoyer gegen Euro-Rettungsschirme, die schleichende Entmachtung der Parlamente und überhaupt die Europapolitik der Kanzlerin. Es liest sich, als hätte es Strauß persönlich geschrieben.

Über die Beziehung zwischen Koch und Metz gibt es auch eine griffige Formulierung: „Wenn Metz morgens aufwacht, dann weiß er, was Koch nachts geträumt hat.“ Auch nicht schlecht. Norbert Bicher, mit dem Zitat konfrontiert, setzt auf einen Schelmen anderthalbe: „Und ich“, sagt er lächelnd, „wusste immer schon am Abend zuvor, was Peter nachts träumen würde.“

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