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Die grünen Bürger

Eine Koalitionsidee beflügelt die politische Klasse: Wenige Wochen vor der Bundestagswahl wird vielen Grünen klar, dass eine Neuauflage der rot-grünen Regierung unrealistisch ist. Auch wegen des Zeitgeistes.

Warum ist die schwarz-grüne Perspektive mehr als eine Diskussion in politischen Monatszeitschriften? Der Erfolg von Bündnis 90/Die Grünen bei den Europa- und Kommunalwahlen insbesondere in den Städten ist ein Erfolg von Inhalten und Personen: Im Gegensatz zu den anderen Parteien haben die Grünen einen Europawahlkampf mit europäischen Themen geführt, und sie sind die einzige Partei, die wirkliches Spitzenpersonal nach Europa schickt und damit inhaltliche Versprechungen mit den Personen, die für sie stehen, auch erfüllen kann. Kommunal haben sie gezeigt, dass ihre Stärke aus ihrem Einsatz für die jeweilige Region entstammt. In Stuttgart sind sie so stärkste Fraktion vor der CDU geworden, in Berlin hätten sie zusammen mit der Union die absolute Mehrheit, in Tübingen und in Freiburg wurden die Grünen erstmals stärkste Fraktion, ebenso in Darmstadt, Marburg, aber auch in Gemeinden wie Merzhausen stellen sie die Mehrheit. Nach 61 Jahren CDU-Vorherrschaft in Bad Homburg wurde im Mai 2009 der Grüne Michael Korwisi zum ersten Oberbürgermeister einer hessischen Gemeinde gewählt. Die Grünen werden von ihren ehemaligen Wahlkampfslogans eingeholt und sind vor Ort zunehmend „die treibende Kraft“ und auf Bundesebene etablieren sie sich als „die dritte Kraft“. Was früher die bürgerliche Mitte genannt wurde, ist Kern der Grünen Wählerschaft, nur: Die sogenannte Mitte lässt sich nicht mehr in die Lager einsortieren, die Meinungsumfragen so gerne vorgeben. Das Interesse derjenigen, die wählen gehen, liegt in Inhalten, die von Personen getragen werden. Nicht umsonst sind Politiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Ursula von der Leyen, Boris Palmer, Dieter Salomon nicht nur bei Journalisten beliebt: Die Menschen wollen klare Ansagen, die an Inhalten orientiert sind und nicht an Lagern, insbesondere in komplexen Situationen. Und die viel gepriesene Mitte ist offen für das Thema Ökologie, wenn sie auch im Kern nicht grün orientiert ist. In der bürgerlichen Mitte gibt es eine hohe Sensibilisierung für die Umwelt und das Thema Nachhaltigkeit, aber keine Protesthaltung. Die Mitte geht eben nicht auf die Barrikaden, und sie hat ein ambivalentes Verhältnis zu Rettungsschirmen, denn die meisten Menschen vergessen, dass durch die Rettung von systemrelevanten Instituten auch kleine und mittlere Unternehmen geschützt werden. Deshalb reüssieren die Grünen kommunal, wenn sie die Themen der Menschen politisch aufgreifen, und haben zu kämpfen, wenn sie in die Protestsprache und -muster verfallen, wofür es nicht zuletzt auf Bundesebene immer wieder Anfälligkeiten gibt. Das Ziel einer Verbindung von Ökonomie und Ökologie kann die Mitte nachvollziehen, und es drückt sich in dem Wunsch eines „regroundings“ der Politik aus. Politiker, die für dieses „regrounding“ stehen, haben besonders gute Chancen, Mehrheiten zu erhalten. Die SPD würde gerne den Eindruck vermitteln, nah an der Seite der Arbeiter zu sein. Sie verstellt aber den Blick zur wirtschaftlichen Gesamtsituation. Verantwortung wahrnehmen, heißt Führung zu übernehmen und sie zu erläutern. Die SPD hat es eben noch nicht geschafft, ihre Walkampfslogans im Alltagshandeln ankommen zu lassen: Weder die „klare Kante“ noch das „heiße Herz“ ist wirklich spürbar. Obwohl viele Gründe für schwarz-grüne Überlegungen sprechen, scheuen diejenigen, die Verantwortung für den Bundestagswahlkampf der Grünen tragen, Äußerungen zu diesem Thema: Denn diese Option kann nur Wirklichkeit werden, wenn möglichst viele Stimmen aus der Mitte zusätzlich zum Stammpotenzial dazugewonnen werden können und nicht davon abgezogen werden müssen. Doch auch wenn das Umweltthema von der Mitte nicht mehr als exotisch wahrgenommen wird, so ist doch klar, dass die bevorzugte Partei der Mitte die Union bleibt. Umso wichtiger ist es, so der grüne Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer, dass die Grünen auf Bundesebene den „Regrounding“-Wunsch der Menschen ernst nehmen, an der Seite der Menschen Politik gestalten und Forderungen nicht im Sinne eines „Nein danke!“ formulieren, sondern nachvollziehbare Schritte gestalten. Für Palmer ist klar: „Nur wer die inhaltlichen Bedingungen für Schwarz-Grün glasklar benennt, kann das abstrakte und überholte Lagerdenken überwinden. Gefragt sind nicht Farbenspiele im luftleeren Raum, sondern konkrete Regierungsprojekte, die man vor der Wahl für die Bürgerschaft und potenzielle Regierungspartner darstellt.“ Das heißt, es ist nicht die Option Schwarz-Grün, die den Wähler überzeugt, sondern die Aussicht auf die Umsetzung konkreter Projekte, die nur Schwarz-Grün umsetzen wird – so wie es unter Rot-Grün oder Rot-Gelb jeweils Projekte gab, die es nur in dieser Konstellation gab. Aktuelle Untersuchungen belegen, dass das Bedürfnis der Menschen steigt, die eigenen Dinge möglichst weitgehend selbst regeln zu wollen. In dieser Situation werden die Parteien als hilfreich empfunden, die die Menschen in ihrem eigenen Wunsch nach „regrounding“ unterstützen. Die Parteien, die Ökonomie und Ökologie versöhnen, werden dies in besonderer Weise sein. Boris Palmer: „Es sind die Grünen, die auf positive und nachhaltige Weise Ökonomie und Ökologie miteinander verbinden und das Thema auch für die Mitte nachvollziehbar machen. Und Schwarz-Grün muss nicht herbeigeredet werden, Schwarz-Grün wird eine Option auf Augenhöhe sein, wenn die Wahlergebnisse dies ergeben.“ Foto: Picture Alliance

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