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Alternative für Deutschland - Die Anti-Euro-Partei macht mobil

Das neu gegründete Bündnis „Alternative für Deutschland“ begehrt gegen Finanzhilfen für kriselnde EU-Staaten auf und plädiert für ein Austrittsrecht aus dem Euro. Welche Chancen hat die Initiative?

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Henkenberens, Carolin

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Portugal, Irland, Griechenland, Spanien und jetzt auch noch Zypern. Dem Bündnis „Alternative für Deutschland“ reicht es. Die Anti-Euro-Bewegung will, dass mit der Rettung von Banken und Staaten endlich Schluss ist. Sie fordert, dass insolvente Staaten aus der Währungsunion austreten, in Deutschland wieder die D-Mark eingeführt wird und dass ein generelles Austrittsrecht aus dem Euro in den europäischen Verträgen festgeschrieben wird. Mit der „Alternative für Deutschland“ formiert sich ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl eine Partei, die gegen Angela Merkels Euro-Rettungspolitik rebelliert.

Als Rebell sieht sich der Kopf der Partei, der 50-jährige Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke aus Hamburg, aber nicht.

„Eine Rebellion ist ja etwas Gewaltsames.“ Er nennt es „Aufbegehren gegen die Euro-Rettungspolitik“. Die Alternative", wie sich die Partei in Kurzform bezeichnet, besteht neben Lucke zur Mehrheit aus Euroskeptikern mittleren Alters, aus Intellektuellen des konservativ-liberalen Lagers. Dazu zählen der Publizist Konrad Adam, der ehemalige Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty und der ehemalige Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel. Die Protestpartei wirbt mit griffigen Parolen wie „Schluss mit diesem Euro“ und „Über Glühbirnen und Gurkenkrümmungen kann der Bundestag allein entscheiden“. Sie setzt sich für einen Europakurs nach britischer Denkart ein: so viel Europäische Union wie nötig, aber so wenig wie möglich. Doch wie soll ein Austritt aus dem Euro funktionieren? „Das kann nicht plötzlich und über Nacht geschehen, sondern nur gleitend“, meint Lucke. Dazu müssten gleichzeitig zum Euro nationale Währungen eingeführt werden.

Dass die Lösungen der „Alternative für Deutschland“ auf Interesse stoßen, zeigte eine Informationsveranstaltung, zu der die Euro-Kritiker vergangene Woche eingeladen hatten. Rund 1200 Menschen kamen in die Stadthalle im hessischen Oberursel. „Seitdem werden wir täglich förmlich überrannt mit Unterstützungs-E-Mails“, sagt Lucke und sieht darin ein Zeichen dafür, dass die Partei eine Stimmung in der Gesellschaft aufgreife.

Am 14. April soll der konstituierende Parteitag in Berlin stattfinden. Danach sollen Landesverbände aufgebaut und Landeslisten erstellt werden, damit die Partei an der Bundestagswahl teilnehmen kann. Dazu muss sie – sobald die Landeslisten komplett sind – bis zum 15. Juli in jedem Bundesland Unterschriften von entweder 0,1 Prozent der Wahlberechtigten oder mindestens 2000 Personen je Bundesland sammeln. Lucke sieht darin keine unüberwindliche Hürde. Und er glaubt, dass seine Partei den Einzug in den Bundestag schaffen kann.

Das allerdings hält der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin für sehr unwahrscheinlich. Den sofortigen Einzug in den Bundestag hätten damals nicht einmal die Grünen geschafft. Ohnehin hätten es in der Geschichte der Bundesrepublik erst zwei Protestparteien geschafft, sich fest zu etablieren: die Grünen und die PDS. Und bei denen habe es ganz spezielle Umstände gegeben. Bei der PDS war es die Wiedervereinigung und bei den Grünen ein gesellschaftlicher Umbruch. Allerdings könnten die ein bis eineinhalb Prozent, die Niedermayer für realistisch hält, bei einem knappen Wahlergebnis durchaus entscheidend sein. „Bei der Landtagswahl in Niedersachsen haben 334 Stimmen den Unterschied gemacht“, fügt Niedermayer an. Euro-Gegner Lucke berichtet, den meisten Zulauf habe man von Wählern der CDU und FPD, weniger von SPD und Grünen. Aber auch „Personen aus dem eher linken Spektrum“ unterstützten sie. Offiziell reagieren die Parteien unaufgeregt auf die Protestler. „Ich nehme jeden politischen Wettbewerber ernst“, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder Spiegel-Online. „Aber ich glaube nicht, dass diese Gruppe die Menschen überzeugen kann.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, sagte dem Tagesspiegel, er schaue „sehr gelassen“ auf die neue Anti-Euro-Partei. „Die Wähler wollen keine reine ,Dagegen-Partei’, sondern realistische Lösungen für die momentane Eurokrise.“ Die Linke distanziert sich deutlich. „Wir sind links und sozial, die sind rechts und national“, sagt Bundesvorsitzende Katja Kipping. Während die Linke fordere, „dass alle Krisenländer künftig eine einmalige substanzielle Vermögensabgabe für Millionäre erheben müssen, bevor sie Geld aus dem Euro-Topf kriegen“, wolle die Anti-Euro- Partei die Konten der Besserverdienenden schützen. Parteienforscher Niedermayer bezweifelt, dass die „Alternative“ es überhaupt schafft, den Aufbau der parteilichen Strukturen bis zur Bundestagswahl zu stemmen. Immerhin seien es bis dahin nur noch wenige Monate, und für eine Teilnahme stünde viel Organisatorisches an. Zwar sei das Bündnis durch seine intellektuellen Köpfe mit guten finanziellen Ressourcen ausgestattet und laufe wegen des Ansehens dieser Personen auch weniger Gefahr, in der rechtspopulistischen Ecke verortet zu werden. Allerdings spreche neben dem Faktor Zeit auch die überwiegend positive Stimmung gegenüber Merkels Euro-Krisenmanagement gegen einen Erfolg der neuen Partei. Auf eine aktuelle Emnid-Umfrage, nach der 26 Prozent eine Euro-kritische Partei wählen würden, gibt er nicht viel. „Am Telefon sagen die Menschen recht leicht Ja, aber dann wählen sie doch anders.“

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