Für eine Übung der Bundeswehr fuhren im März rund 320 Militärfahrzeuge durch Niedersachsen / picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Debatte um Aufrüstung - Putin-Gegner und Antimilitaristen: Was, wenn beide recht haben?

Dass Putin ein rücksichtsloser Aggressor ist, vor dem wir uns schützen müssen, entwertet nicht die Warnungen vor einer militarisierten Gesellschaft, die der Aufrüstung alles andere unterordnet.

Autoreninfo

Jörg Phil Friedrich ist Philosoph, Publizist und Unternehmer. Er studierte Physik, Meteorologie und später Philosophie und schreibt über Fragen aus Wissenschaft, Religion und Politik. Zuletzt erschien sein Buch „Degenerierte Vernunft - Künstliche Intelligenz und die Natur des Denkens“. Seit 1994 ist er Geschäftsführer eines Softwarehauses in Münster.

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Europa will aufrüsten, Waffen produzieren, seine Armeen verstärken und kampffähig machen. Auch diejenigen, die nicht selbst als Soldaten oder als Arbeiter in der Rüstungsindustrie in Frage kommen, sollen sich auf kriegerische Zeiten einstellen. Der Umschwung kündigte sich zwar über ein paar Jahre an, hat aber nun ein Tempo aufgenommen, dass vielen Hören und Sehen vergeht. Einige schrecken auf und werden, weil sie sich selbst als jahrzehntelange Schlafwandler erkennen, zu besonders eifrigen Vorkämpfern der Kriegstüchtigkeit. Andere mögen das alles nicht glauben, sich nicht von ihren bisherigen friedlichen Weltträumen trennen. 

Es entsteht – wieder einmal – eine dramatische Spaltung der Gesellschaft. Auf der einen Seite diejenigen, die den russischen Präsidenten Putin als skrupellosen Aggressor sehen, der, wenn er nicht gehindert wird, das gesamte Gebiet der ehemaligen Sowjetunion unter seine Kontrolle bringen könnte und vielleicht zudem auch noch Herrschaftsambitionen auf andere osteuropäische Länder hat. Auf der anderen Seite die, die meinen, dass Putin viel zu schwach für solche Angriffe wäre, die das alles für Propaganda von Rüstungslobbyisten und Konzernen halten sowie von konservativen Politikern, die unsere Gesellschaft gern wieder ein bisschen straffer organisiert und militarisiert hätten.

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Dr. Oliver Strebel | Di., 22. April 2025 - 13:57

Die Welt ist komplexer als der Autor meint. So denke ich, dass Russland zwar militärisch frappierend schwach, aber ein russischer Angriff auf die Nato wahrscheinlich ist. Denn mE. ist die russ. Führung aufgrund des Einbruches der Wirtschaftsleistung um ca 40% aufgrund des Maidans maximal erzürnt und irrationale Handlungen sind zu befürchten.

Von einer Militarisierung der Gesellschaft zu sprechen, ist mE. arg dramatisierend. Die Wehrpflicht ist geboten, weil Zeitenwenden schneller kommen, als man eine Armee aufbauen kann.

Sollte sich die Mehrheit gegen eine Wehrpflicht entscheiden, ist das für Dissenskultivierte nicht dramatisch. Dann müssen eben zB. Bediener der Territorial-Flugabwehr on-the-fly ausgebildet werden. Das ist die heutige Jugend vom Berufsleben her gewohnt ;).

Im WK2 hat man erst 1941 gemerkt, dass unsere Panzer (3,5 cm Kanone) kaum taugen und angemessene Waffen entwickelt. Da wir heute keine 16:1 Überzahl der Feinde haben, sollte die Verteidigung eig. klappen.

Russland die Nato angreifen? Nennen Sie wenigstens 1 nachvollziebares Argument. Ich könnte Ihnen eines nennen: die aktive Beteiligung am Krieg gegen Russland, siehe den großen Artikel in der NYT und analog den Artikel in der Times. Ein besonderes Ziel bei uns wäre aus meiner Sicht Wiesbaden, wo die us-amerik. Generale und Befehlshaber die ukr. Soldaten in den Tod schicken. Wie sagte ein us-General? Wir führen Krieg und verlieren keinen einzigen Soldaten! Von Putin gab es bis heute keine irrationale Handlung. Irrational sind die Schafsköpfe der eu, die unbedingt einen Krieg gegen Russland führen wollen. Wehrpflicht? Was halten Sie an diesem dysfunktionalen Staatswesen, das demnächst von einem Lügner geführt werden wird, für so verteidigungswert, um es mit dem eigenen Leben zu bezahlen? Millionen Syrer, Afghanen und sonstige Sozialgeldempfänger, eine zerfallende Infrastruktur, eine Impflicht , die deutsche Köterrasse, Soldaten, die Mörder genannt werden dürfen? Die Zeichen reichen nicht!

Keppelen Juliana | Mi., 23. April 2025 - 08:23

Antwort auf von Armin Latell

Danke sie treffen den Punkt. Bin mal gespannt ob unser Mainstream und die ÖR auf diese Artikel der NYT und der Times eingehen oder oder ob wir weiterhin auf der Insel des "betreuten Denken" für dumm gehalten werden. Wäre nett wenn wenigstens der CICERO diese Artikel der Leserschaft präsentieren würden.

Armin Latell | Mi., 23. April 2025 - 12:07

Antwort auf von Keppelen Juliana

Cicero. Er stand da 2 Tage, danach wurde die Kommentarfunktion kommentarlos geschlossen. Ich habe mehrfach kommentiert, ich bin sicher, andere auch, aber das wollte man wohl nicht veröffentlichen.

Ich hatte ja auch zwei Kommentare geschrieben und mit einem dritten Kommentar nachgefragt ob es denn keine Kommentare zu diesem Artikel gäbe. Offensichtlich sind zu diesem Thema selbst beim Cicero keine Kommentare gewollt.

Russland - militärisch schwach? Ja, das dachte unser Führer damals auch. Und dann: Russland wolle die NATO angreifen? So ein horrender Blödsinn. Die NATO wird demnächst auseinanderfliegen - und zwar von alleine, nämlich dann, wenn die USA sich zurückziehen. Was würde ein Angriff auf einen NATO-Staat für Russland bringen bringen? Pardon, Sie haben von den Russen nichts begriffen. Niemals wurde Russland einen NATO-Staat angreifen - das hat Putin mehrfach versichert. Sie verbreiten hier schamlos Bedrohungslügen, und zwar beinahe in Goebbelsscher Manier. Damit wir kriegstüchtig werden? Auch dies eine Goebbels-Forderung von anno dunnemals. Nee, verehrter Herr Dr. Strebel, Ihr Geschreibsel ist tatsächlich Blödsinn. Nur, warum machen Sie das? Sie sind doch bestimmt intelligent genug, um zu wissen, dass Sie Unfug schreiben. Gut. Jetzt wird erstmal Selensky zum Frieden durch Abgabe von Territorium gezwungen, durch die USA. Trump will mit Putin Deals machen, die Ukraine hat sich disqualifiziert.

Gerhard Hellriegel | Di., 22. April 2025 - 14:15

Ja gut, Sie haben jetzt gewarnt. Und? War's das? Oder kommt da noch was? "Frieden schaffen ohne Waffen"? Falsch. Frieden wird durch die Friedfertigkeit beider Seiten geschaffen, nicht dadurch, dass eine allein auf ihre Waffen verzichtet.
Dann hätten wir nämlich am Ende eine Gesellschaft, wo es nichts mehr gibt, was sich zu verteidigen lohnt.

Thorwald Franke | Di., 22. April 2025 - 17:12

Bei Militär und Wehrpflicht spielt noch ein anderer Aspekt hinein, der im Artikel ungesagt bleibt, der aber ungeheuer wichtig ist: Der Aspekt der demokratischen Selbstbestimmung.

Wenn die Menschen in Deutschland das Gefühl hätten, dass dieses Land ihr Land ist, dann würden sie es auch viel lieber verteidigen wollen. Ein schönes Land, das so funktioniert, wie die Menschen es wollen. Aber ganz offensichtlich fehlt dieses Gefühl. Weil die Leute spüren: Hier geschehen lauter Dinge, die wir nicht wollen. Gegen die Demokratie.

Und natürlich fehlt dann auch das Gefühl, dass die Entscheidung über den Einsatz der Armee demokratisch sein würde. Das Gefühl, dass die Menschen es in der Hand haben, wohin ihre Söhne und Töchter in den Krieg gehen.

Kurz: Wehrpflicht erfordert Demokratisierung. Sonst funktioniert es nicht. Sonst fehlt der nötige Geist dahinter. Das wussten schon die preußischen Reformer Anfang des 19. Jahrhunderts. Warum weiß man es heute nicht mehr?

Armin Latell | Di., 22. April 2025 - 19:39

die unsere Gesellschaft gern wieder ein bisschen straffer organisiert und militarisiert hätten? Keine Ahnung, wen der Autor damit meinen könnte! Welche Gesellschaft??? "Ein Diktator, der Russland wieder zu einer Großmacht machen will". Ich frage mich immer wieder, wann die Leute, die so etwas behaupten, jemals mit Putin gesprochen haben. Wenn nicht, dann bleibt das einfach eine unbewiesene Behauptung, vielleicht sollte man ihn wegen seiner Bemühungen zum Schutz des russ. Volkes für den Friedensnobelpreis vorschlagen? Wie kommt der Autor darauf, dass die Bewohner des Baltikums unsere Freunde seien? Ich kenne dort niemanden, das können also per se keine "Freunde" sein. Die Merkel hatte übrigens mal von sich gegeben, wer in dieses Land kommt, darauf haben wir keinen Einfluss. Unsere Grenzen könne man nicht schützen. Jetzt plötzlich sollen wir sie dann doch verteidigen? Den Zustand, dass dieses System nicht lohnt, verteidigt zu werden, haben wir schon längst erreicht.

Jens Böhme | Di., 22. April 2025 - 19:44

Typische Diskussionskultur abseits der Realität. Entweder 95-jährige Opas mit Panzerfaust gegen Drohnen oder 14-jährige Mädchen mit Friede-Freude-Eierkuchen-Friedensverhandlungen mit dem Feind. Dazwischen gibt es nichts. Weder die Verteidigung der Infrastruktur noch die Abwehr von Raketen und Bomben auf Wohnungen, Kindergärten, Kliniken, Schulen usw. Kein Feind wird Deutschland mit Bodentruppen angreifen. Heutzutage fliegen Raketen und Drohnen, siehe Ukraine-Krieg. Warum Deutsche immer noch die Augen verschliessen, wenn man Bilder des modernen Krieges tagtäglich serviert bekommt, aber die Bilder nicht begreift - rätselhaft.

Inana | Di., 22. April 2025 - 22:13

Das eigentliche Problem ist ja was anderes. Wenn es zu einem Krieg kommen würde, würde Deutschland eher für Osteuropa kämpfen als für sich selbst. Russland würde nämlich bis Deutschland gar nicht kommen und andere Gefahren als Russland thematisiert man nicht wirklich.
Das wirkliche Problem wird sein, für dieses Projekt Konsens herzustellen. Die außenpolitische Szene ist euphorisch, weil eine "Führungsrolle" in Europa winkt. Die Öffentlichkeit wäre es vermutlich weniger, wenn sie versteht, worum es geht. Darum ist ist die Debatte so hysterisch und seltsam und auch so extrem aggressiv gegen alle Kritiker. Sie ist auch eine Ersatzdebatte. Übrigens werden noch dazu die russischen Atomwaffen ausgeklammert.

Jürgen Goldack | Mi., 23. April 2025 - 11:17

Dieses ewige Geschwurbel von der Bestie im Kreml, die mordend durchs Land zieht und ganz Europa unterjochen will, nervt mittlerweile wirklich. Will denn niemand wahrhaben, dass Putin von Anfang an drei Dinge wollte:
1. Die bewusst inszenierte NATO-Osterweiterung stoppen
2. Den Kriegshafen Sewastopol auf der Krim, der seit der Zarenzeit Russland gehörte, zurück holen
3. Die Ostoblaste Donezk und Luhansk, die seit dem Maidan von ukrainischen Milizen beschossen, unterdrückt und russischstämmige Bürger ermordet wurden, schützen.
Russland hat den Westen seit 300 Jahren nicht angegriffen außer aus Verteidigungsgründen gegen Napoleon und gegen Hitler. Und was will Russland mit Westeuropa? Was kann Westeuropa Russland bieten, was es nicht selber in Hülle und Fülle hat? Putin könnte ein "unterworfenes" besiegtes Westeuropa mangels Personal nicht einmal verwalten. Wo also läge die Logik eines Feldzuges?
Es geht faktisch nur um gezielte Hetze im Sinne einer gierigen Waffenlobby.