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Künast fordert Rücktritt - „Das war’s für Klaus Wowereit“

„Jetzt reicht’s“, sagt Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Nachdem bekannt wurde, dass die Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg erneut verschoben werden muss, wollen die Grünen den amtierenden Bürgermeister Berlins per Misstrauensvotum zum Rücktritt drängen. Auch für Matthias Platzeck, Peter Ramsauer und Flughafenchef Rainer Schwarz könnte es eng werden

Autoreninfo

Jana Illhardt studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Politikwissenschaften und Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität in Berlin. Sie schreibt für Cicero Online und lebt in Berlin.

So erreichen Sie Jana Illhardt:

Die Grünen sagen Klaus Wowereit sei „zu einer Belastung für die Stadt geworden“. Ihr Co-Fraktionschef Jürgen Trittin warf ihm eine „wurstige Unfähigkeit“ vor. Was genau werfen Sie Berlins Regierendem Bürgermeister vor?
Der BER ist ein Milliardengrab. Es entstehen ja nicht nur Kosten für den Bau des Flughafens, sondern auch für den Rückbau der Schlampereien. Kabel müssen rausgerissen werden, die Brandschutzanlage faktisch völlig neu gebaut werden und, und, und. Die Verantwortung dafür trägt allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit. Man muss sich das klar machen: Wir stehen vor dem fünften Eröffnungstermin. Daraus kann man nur schließen, dass der Regierende Bürgermeister es nicht kann. Wowereit ist eine Belastung für Berlin geworden. Er hat die Öffentlichkeit jahrelang hinter die Fichte geführt. Deshalb ist der Misstrauensantrag richtig. Besser wäre noch, wenn Wowereit Berlin ein solches Verfahren ersparen würde und von sich aus zurückträte.

Es hat doch schon viele Baupannen gegeben. Warum stellen Sie gerade jetzt den Misstrauensantrag? Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?
Vor Weihnachten wurde noch so getan, als würde der vierte Eröffnungstermin stehen. Wowereit ist sehr aggressiv gegen alle Kritiker vorgegangen. Jetzt wissen wir, dass dieser Termin bereits vor Weihnachten intern in Frage gestellt wurde. Jetzt reicht es, das war’s für Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister betreibt ein desaströses Krisenmanagement. Erstens braucht Berlin eine verlässliche Fertigstellung dieses Flughafens. Zweitens sind die neuen Milliardenbelastungen unakzeptabel. Das ist Geld, das Berlin etwa für Lehrer und Lehrerinnen ausgeben könnte. Es ist schon jetzt ein ganz konkreter Schaden entstanden. Der geht bis dahin, dass der Flughafen Tegel, der ein neues Wirtschaftsgebiet für moderne Stadttechnologien, mit neuen Arbeitsplätzen werden sollte, nicht entwickelt werden kann.

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Hätte man den Misstrauensantrag schon früher stellen sollen?
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

Und jetzt soll es ganz schnell gehen: Noch in dieser Woche wollen Sie eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses einberufen…
Ja, das ist der Berliner Vorschlag. Parlamentspräsident Wieland muss nun auf unseren Antrag hin eine Sondersitzung anberaumen. Frühestens 48 Stunden nach der Debatte über den Misstrauensantrag ist er dann zu entscheiden. Wir sind dafür, dass das schnellstmöglich passiert – sofern nicht Herr Wowereit das einzig richtige tut und selbst seinen Rücktritt erklärt.

Woran liegt es, dass sowohl der BER als auch beispielsweise die Hamburger Elbphilharmonie oder der Neubau der BND-Zentrale in einem Desaster enden?
…ganz zu Schweigen von Stuttgart 21. Das hat unterschiedliche Gründe. Bei der Elbphilharmonie hat es sicherlich etwas mit Gigantonomie zu tun. Bei Stuttgart 21 war es von Anfang an ein Fehler, dass nicht über eine preisgünstigere überirdische Alternativen nachgedacht wurde. Zudem hat man die Bürger außen vor gelassen und nur an die Aufträge der Bauwirtschaft gedacht. Der Flughafen Berlin zeigt aber noch etwas anderes: eine Mischung aus Chuzpe, Größenwahn und Unfähigkeit. Wenn man einen großen Flughafen bauen will, muss man von Anfang an dafür sorgen, dass es eine gute Planung gibt,  dass die fähigsten Leute mitarbeiten und es keine Korruption gibt. Da müssen alle beteiligten täglich dran sein. Das ist in Berlin nicht passiert, statt dessen wurde in unvorstellbarem Ausmaß geschlampt.

Seite 2: „Auch Platzeck muss sich verantworten

Was ist mit Matthias Platzeck. Müsste er nicht genauso zur Verantwortung gezogen werden wie Klaus Wowereit?
Das müssen die Brandenburgerinnen und Brandenburger entscheiden. Uns geht es vor allem um den Regierenden Bürgermeister von Berlin. Klaus Wowereit hat als Aufsichtsratsvorsitzender auch rechtlich eine besondere Verpflichtung. Sobald es Hinweise darauf gibt, dass die Geschäfte nicht ordentlich laufen, obliegt ihm eine besondere Sorgfaltspflicht. Und dieser ist er ganz offensichtlich nicht nachgekommen. Natürlich muss sich auch Platzeck im Brandenburger Landtag verantworten. Wir haben zudem eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Bundestages veranlasst. Wir wollen auch wissen, was Peter Ramsauer eigentlich getan hat. Der Bundesverkehrsminister darf sich nicht hinter seinen zwei Staatssekretären verstecken und immer nur kryptische Äußerungen von sich geben. Es muss im Aufsichtsrat endlich befähigte Leute geben, die dafür Sorge tragen – und das hat auch Ramsauer nicht durchgesetzt – dass jemand wie der Flughafenchef Schwarz Verantwortung übernimmt und seinen Hut nimmt.

Wie sinnvoll ist es eigentlich, gerade jetzt die offene Konfrontation mit der SPD zu suchen – wenige Monate vor der Bundestagswahl?
Wir wollen einen ordentlichen Umgang mit dem Projekt BER. Dafür Sorge zu tragen ist unsere Pflicht, egal ob auf Berliner- oder Bundesebene.

Den Wahlkampf berührt diese Debatte nicht?
Es geht hier nicht um Wahlkampf, sondern um eine gigantische Fehlentwicklung und um die Verschwendung öffentlicher Gelder. Verschwendung gibt es nicht nur, wenn Geld für überflüssige Projekte ausgegeben wird, sondern auch, wenn man Projekte nicht professionell umgesetzt und deshalb weit über eine Milliarde Euro unnütz ausgegeben werden. Das muss man auch rechtfertigen. Wir haben keinen einzigen Euro zu verschenken.

Frau Künast, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jana Illhardt

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