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() Willi van Ooyen
Das Trojanische Pferd

Andrea Ypsilanti ist auf die Stimmen der hessischen Linken angewiesen, will sie Roland Koch stürzen. Deren Fraktionschef Willi van Ooyen ließ sich noch im Herbst 1989 von der SED Millionen D-Mark für die Tarnorganisation „Deutsche Friedens-Union“ überweisen.

Wenn sich Andrea Ypsilanti im November zur Ministerpräsidentin wählen lassen will, dann braucht sie dazu einen Mann, der sehr viel längere politische Erfahrung hat als sie: Als die hessische Landesvorsitzende der SPD 1976 in Rüsselsheim gerade das Abitur ablegte, war der heutige Fraktionschef der Linken Willi van Ooyen bereits hauptamtlich in der Politik aktiv. Im Sommer vergangenen Jahres war van Ooyen im Schnellverfahren an die Stelle des damaligen Spitzenkandidaten der Linken in Hessen, Pit Metz, gesetzt worden. Metz, der jahrelang der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) angehörte, hatte den Schießbefehl an der früheren innerdeutschen Grenze mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan verglichen und war deshalb der Öffentlichkeit nicht mehr zuzumuten. Mit dem 61-jährigen Parteilosen van Ooyen rückte ein anscheinend unbelasteter Nachfolger an seine Stelle – nach eigenen Angaben ein harmloser Friedensaktivist, der jahrelang die „Ostermärsche“ organisierte. Doch was war das für ein Friedensengagement, dem er sich verschrieben hatte? Der Chef der Linksfraktion im hessischen Landtag war das, was man in der Zeit des Kalten Krieges einen Einflussagenten nannte. 1976, direkt nach seinem Studium, wurde er nach eigenen Angaben Landesgeschäftsführer der „Deutschen Friedens-Union“ (DFU). 1984 stieg er zum Bundesgeschäftsführer auf und damit zu einem der drei Spitzenfunktionäre dieser Organisation. Die DFU aber war nichts anderes als ein Trojanisches Pferd der DDR. Gegründet wurde die Partei 1960 auf Betreiben von SED und DDR-Staatssicherheitsdienst als Ersatz für die verbotene KPD. Als Tarnorganisation und Sympathisantensammelbecken wollte die DDR-Führung mit ihr Einfluss auf die westdeutsche Politik gewinnen. Nach dem Ja der SPD zur Westeinbindung der Bundesrepublik hatte die SED die SPD als „Arbeiterverräter“ abgeschrieben. Unter dem Deckmantel des Friedensengagements sollte die DFU in der Bundesrepublik nicht nur die Verteidigungsanstrengungen der Nato bekämpfen und die Politik der DDR propagieren, sondern langfristig den Boden für den Sozialismus bereiten. Angeleitet wurde sie aus dem SED-Zentralkomitee, weshalb das Kürzel DFU im Westen bald mit „Die Freunde Ulbrichts“ aufgelöst wurde. Die Funktionäre waren keine Agenten des Staatssicherheitsdienstes, sondern, schlimmer noch, Vorposten der SED in Westdeutschland. Trotz miserabler Wahlergebnisse hielten Ulbricht und Honecker auch dann noch an der DFU fest, als kommunistische Kader 1968 die DKP gründeten. Die DFU wurde am Leben gehalten, um sie als scheinbar unverfängliche Einflussorganisation nutzen zu können. Wie wirkungsvoll diese Strategie war, zeigt die Geschichte der Anti-Raketen-Proteste zu Beginn der achtziger Jahre, als über vier Millionen Menschen den von der DFU initiierten „Krefelder Appell“ unterzeichneten. Wären der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt und sein CDU-Nachfolger Helmut Kohl nicht so standhaft gewesen, hätte es die SED mit ihren Vorfeldorganisationen geschafft, die NATO-Nachrüstung in der Bundesrepublik zu Fall zu bringen. Die umfänglichen Geldmittel der winzigen Partei – die DFU hatte in den achtziger Jahren nur etwa eintausend Mitglieder – stammten zum großen Teil aus der DDR. Laut einer geheimen Information für das Politbüro von 1973 erhielt die DFU von der SED pro Monat 277000 D-Mark. Die von der Partei herausgegebene Deutsche Volkszeitung (DVZ) bekam zusätzlich 125000 -D-Mark, zusammengerechnet knapp fünf Millionen D-Mark pro Jahr. Während in der DDR nichts so knapp war wie Devisen, floss das kostbare Geld an die Freunde im Westen. Noch am 15.Oktober 1989 – zwei Tage vor seinem Sturz – genehmigte SED-Chef Erich Honecker für das Jahr 1990 die Zahlung von rund 65 Millionen D-Mark an die DKP und deren „befreundete Organisationen“. Laut einem internen Bericht zur Verwendung der Gelder sollten die DFU und ihre 31 Mitarbeiter 3,1 Millionen D-Mark an „Solidaritätsmitteln“ bekommen. Zuständig war die „Abteilung Verkehr“ des SED-Zentralkomitees, deren Unterlagen Ende 1989 größtenteils vernichtet wurden, als Egon Krenz und der heutige Fraktionschef der Linken Gregor Gysi den Parteivorsitz innehatten. Als die Herrschaft der SED 1990 gestürzt wurde, ging auch die DFU unter. Wie die anderen hauptamtlichen DFU-Funktionäre musste van Ooyen auf Jobsuche gehen. Doch über seine früheren Geldgeber deckt er heute den Mantel des Schweigens. So behauptete van Ooyen am 6. März dieses Jahres gegenüber der Zeitung Die Welt: „Für Geldflüsse war ich nicht zuständig. Wir haben überall gesammelt und alles genommen, was uns angeboten wurde. Bei mir ist nie jemand mit Geld aus der DDR oder Moskau angekommen.“ Die Berliner „Tageszeitung“ (taz) hatte ihm am 29.November 1989 noch ein ganz anderes Geständnis entlockt. Damals erklärte er der Zeitung offenherzig: „Durch die Entwicklung in der DDR ist eine entscheidende Finanzquelle überraschend versiegt.“ Während er heute behauptet, über die Geldflüsse aus der DDR nichts gewusst zu haben, gab er der taz damals bereitwillig über alle Einzelheiten Auskunft. So konnte das Blatt berichten: „Und so ungefähr funktionierten bislang die Zuwendungen des real existierenden Sozialismus an den noch nicht existierenden: Bundesdeutsche Handelsunternehmen im Ost-West-Geschäft investierten – notgedrungen oder gerne einen Teil ihrer Gewinne in den hiesigen Kampf für den Sozialismus. Wer in der BRD an Krim-Sekt oder Gorbatschow-Wodka verdienen wollte, hatte vertragsgemäß einen Teil der Rendite an DFU oder DKP auszuschütten. Van Ooyen plaudert damit aus, was in DFU- und DKP-Kreisen bislang allenfalls als Verleumdung hartnäckiger Antikommunisten galt.“ In einem jetzt bekannt gewordenen Brief vom Dezember 1989 kündigte van Ooyen auf DFU-Briefkopf im Namen des Bundesvorstandes auch die bevorstehende Auflösung seines Verbandes an. Die „finanzielle Krise“, so schrieb er zur Begründung, habe die DFU „schwer getroffen“. Unter dem Eindruck der schlagartigen Einstellung der Geldtransfers verkündete er, dass sich die DFU „niemals wieder in eine derartige finanzielle Abhängigkeit begeben“ dürfe. Das habe auch „etwas mit der DDR und der SED zu tun“. Der Bremer Landesvorstand schrieb damals an seine Mitglieder: „Nun ist es an den Tag gekommen, dass die DFU zu rund 80 Prozent von Geldern aus der DDR abhängig war. Das haben uns unsere politischen Gegner immer vorgehalten, wir sind dieser angeblichen Verleumdung immer mit Entschiedenheit entgegengetreten.“ Am Ende des Schreibens brachten es die Bremer auf eine einfache Formel: „Der Vorwurf besteht, wir seien in den vergangenen Jahren nichts anderes als die bezahlten Vorposten der SED gewesen.“ Einer der wichtigsten Vorposten der SED in der Bundesrepublik ist unverhofft in die Politik zurückgekehrt. Geht es nach der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti soll er sie in Kürze nicht nur ins Amt der Ministerpräsidentin befördern, sondern in den nächsten Jahren auch über die Geschicke der Wiesbadener Landespolitik entscheiden. Wenn Honecker das noch erleben könnte, würde er vermutlich sagen, dass sich die Investition in die DFU am Ende doch gelohnt hat. 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