
- Besondere Wege
Mit einem radikalen Umbau seiner Stromversorgung will Deutschland der Welt zeigen, wo es langgeht. Doch das riskante Jahrhundertprojekt droht zu scheitern – an Dogmatismus und einem Tabu. Lesen Sie darüber in unserer August-Ausgabe.
Der Idealismus deutscher Prägung hat schon auf so manchen Sonderweg geführt. Nun ist es gewiss kein Makel, eigene Pfade zu beschreiten, eigene Ideen zu entwickeln, sich eigenständige Ziele zu setzen. Mögen die anderen doch tun, was sie für richtig halten. Aber Staaten sind eben keine Selbsterfahrungsgruppen; die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, von ihren gewählten Repräsentanten in den Regierungen und Parlamenten nach bestem Wissen und Gewissen in eine gedeihliche Zukunft geführt zu werden. Der Wissensanteil ist dabei als rationale Komponente jedoch ausdrücklich unverzichtbar, denn eine idealistische Politik ohne realistische Perspektive führt regelmäßig in die Irre. Die Beispiele sind Legion.
Mit der Energiewende hat sich die Bundesrepublik abermals auf einen gefährlichen Sonderweg begeben. Denn es handelt sich um „eine Operation am offenen Herzen der wichtigsten Infrastruktur des Industrielands“, wie mein Kollege Daniel Gräber in unserer Titelgeschichte schreibt: Das Projekt kann gut gehen – oder auch nicht. Und im Moment mehren sich die Anzeichen dafür, dass der gleichzeitige Abschied von Kohle- und Atomstrom zu schwerwiegenden Verwerfungen führen wird.
Nicht einfach aus der Steckdose
Die meisten Privathaushalte mögen das, von steigenden Strompreisen abgesehen, noch gar nicht realisiert haben. Für sie kommt der Strom wie gewohnt aus der Steckdose. Aber viele Unternehmen – von der traditionellen Schwarzbrotbäckerei bis hin zum Weltkonzern – bekommen die Folgen der undurchdachten und schlecht gemanagten Energiewende bereits heute schmerzhaft zu spüren. Dass der deutsche Sonderweg dabei nicht einmal dem Klima nutzt, sei hier nur am Rande bemerkt.
Ich habe einige Jahre im Saarland verbracht und denke gern an diese Zeit zurück. Mit dem viel beschworenen savoir-vivre ist es dort zwar auch nicht viel weiter her als anderswo. Aber die Saarländer sind schon deshalb liebenswert, weil sie sich mit etlichen originellen Eigentümlichkeiten vom Rest der Republik abgrenzen. Ein Dialekt, der für Frauen den sächlichen Artikel verwendet („es Hilde“) war der aktuellen Gender-Debatte ohnehin schon immer weit voraus. Auch politisch hat die Saar ein paar haarsträubende Geschichten zu bieten. Mein Kollege Moritz Gathmann war vor Ort. Und fühlte sich manchmal an seine Zeit als Korrespondent in der Ukraine erinnert. Wo es sich, nur um jedes Missverständnis auszuschließen, natürlich auch gut leben lässt.
Die nächste Cicero-Ausgabe erscheint am 26. August.
Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.
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