
- Ein Sieg für die Pressefreiheit – und für die Verfassung
In einer Nacht- und Nebelaktion hatte die damalige Innenministerin Nancy Faeser vor einem Jahr die Zeitschrift „Compact“ verboten. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dieses rechtswidrige Verbot aufgehoben. Ein Grundsatzurteil zur Meinungs- und Pressefreiheit, das zur richtigen Zeit kommt.
Es waren verstörende Bilder im Juni vor einem Jahr. Ein älterer Herr stand frühmorgens im Bademantel vor einer Gruppe uniformierter Polizisten. Sie durchsuchten die Redaktionsräume seiner Zeitschrift. Verstörend waren die Bilder, weil man solche Nacht- und Nebelaktionen gegen Presseorgane eher aus autoritären Staaten gewöhnt ist. Der ältere Herr war Jürgen Elsässer, der Herausgeber, und die verbotene Zeitschrift war das Magazin Compact. Die damalige Innenministerin Nancy Faeser war ganz stolz. „Ich habe heute das rechtsextremistische Compact-Magazin verboten“, verkündete sie vor der Presse so selbstgewiss wie selbstgerecht.
Mindestens so verstörend wie die Aktion selbst waren die Reaktionen in der Öffentlichkeit und in den Medien. Das war ein extrem harter Eingriff in die Pressefreiheit. Trotzdem gab es keinen Aufschrei in der Presse und den Medien. Die meisten – nicht alle – Leitmedien hielten sich mit Kritik sehr zurück. In der Medienwelt war eine klammheimliche Zustimmung zu dieser Aktion zu spüren. Das lag sicher daran, dass Compact kein Sympathieträger ist. Das Magazin veröffentlicht nicht selten extreme Inhalte, es bedient Ressentiments, verbreitet Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Thesen. Das staatliche Verbot trifft ja die Richtigen, mögen sich viele gedacht haben. Das war undemokratisch und kurzsichtig. Denn Faeser hat nicht nur Compact angegriffen, sondern die Pressefreiheit insgesamt. Nötig gewesen wäre ein klares und kompromissloses Eintreten für die Pressefreiheit und die Demokratie. Das kommt jetzt glücklicherweise von der Justiz.
Ein Sieg für die Pressefreiheit
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bescheinigt Ex-Innenministerin Faeser klipp und klar, dass ihr Compact-Verbot rechtswidrig war. Mit dem heutigen Urteil hat es das Verbot aufgehoben.
Die Richter sind nicht naiv. Sie machen sich keine Illusionen darüber, was für eine Zeitschrift Compact ist. Sie sehen vor allem das sogenannte „Remigrationskonzept“ kritisch, für das Martin Sellner, ein Vordenker der Identitären Bewegung, regelmäßig in der Zeitschrift werben darf. Aus Sicht der Richter hat sich die Zeitschrift mit diesem Konzept sogar identifiziert. Das verstößt gegen Grundpfeiler der Verfassung, gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip. Die Richter gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie beobachten, dass sich die Zeitschrift in kämpferisch-aggressiver Weise daran macht, ihre problematischen Vorstellungen in die Praxis umzusetzen. Compact schreibt nicht nur, es handelt auch – durch politische Veranstaltungen und Kampagnen.
Aber trotzdem. Das reicht nicht, um den harten Eingriff in die Pressefreiheit zu rechtfertigen. Völlig zu Recht betont das oberste Verwaltungsgericht: Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit. Die Verfassung ist zutiefst demokratisch. Sie will grundsätzlich keine Verbote. Sie will freie geistige Auseinandersetzungen mit Argumenten und Gegenargumenten. Das Grundgesetz will deshalb auch eine freie Presse. Es geht nicht an, dass der Staat oder eine Innenministerin entscheiden, welche Medien zugelassen sind – und welche nicht. Wir leben schließlich in einer freiheitlichen Demokratie, nicht in einem autoritären Obrigkeitsstaat. Das ist etwas, das in Teilen der Öffentlichkeit und der politischen Diskussion immer wieder ignoriert wird.
Grundrechtsschutz für Unsinn
Das Bundesverwaltungsgericht unterstreicht auch, wie ungemein weit der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit reicht. Es sagt ganz deutlich: Auch polemisch zugespitzte Machtkritik, Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Betrachtungen genießen den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit. Damit befinden sich die Leipziger Richter in guter Gesellschaft. Auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe macht immer wieder deutlich, wie extrem umfassend der Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit ist. In seiner berühmten „Wunsiedel“-Entscheidung von 2009 macht es – fast atemberaubend – klar: Sogar die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien ist von der Meinungsfreiheit geschützt. Auch Nazis dürfen ihre Meinung sagen. Das Grundgesetz vertraut darauf, dass die Demokraten sich dagegen im politischen und geistigen Kampf mit den besseren Argumenten wehren. Die Kraft der freien Auseinandersetzung ist die wirksamste Waffe gegen totalitäre Ideologien. Sagt die Verfassung.
Das ist eine sehr wichtige und leider sehr nötige Klarstellung. Denn in den letzten Jahren wird in der Öffentlichkeit immer wieder der – völlig falsche – Eindruck erweckt, nur die „richtige“ Meinung sei von der Verfassung geschützt. Es wird so getan, als gebe es einen Korridor der zulässigen Meinungen. Das ist eine undemokratische Einstellung. Die Verfassung sieht das völlig anders. Daran erinnert das Bundesverwaltungsgericht heute völlig zu Recht.
Ermahnung der Politik
Das Urteil ist auch eine grundsätzliche Mahnung an die Politik. Viel zu schnell, fast reflexhaft, wird nach Verboten gerufen, wenn einem eine Meinung oder eine politische Partei nicht passt. Mit Andersdenkenden wird nicht mehr diskutiert und gestritten, wie es in einer Demokratie üblich ist. Sie werden stigmatisiert und ausgegrenzt, als Klimaleugner, Ausländerfeinde, Putinversteher, Nazis. Aggressive Politiker und dreiste ideologische NGOs maßen sich an zu definieren, was gesagt werden darf. Es geht nicht mehr um Argumente und geistige Inhalte. Es zählt, ob man sich im erlaubten Meinungskorridor befindet. Wer eine unliebsame, also angeblich falsche Meinung äußert, wird von Meldestellen und Trusted Flaggers denunziert, von Bundesministern angezeigt und von einer übereifrigen Justiz verfolgt. Politische Parteien werden nicht mit besserer Politik und schlagkräftigeren Argumenten bekämpft. Sie werden hinter Brandmauern ausgegrenzt und – wenn es nach manchen in Politik und Gesellschaft geht – vom Bundesverfassungsgericht verboten.
Das ist alles grundsätzlich undemokratisch und widerspricht dem Grundgesetz. Die Verfassung will eine offene, politische, eine geistige, eine kritische Auseinandersetzung mit anderen Meinungen, mit Andersdenkenden und anderen politischen Parteien. Ein Denken in Verboten ist dem Grundgesetz fremd. Gut, dass die Richter in Leipzig daran deutlich erinnern.
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... mehr gibt's dazu nicht zu sagen und zu schreiben!
Faeser auf Schadenersatz zu verklagen, denn den Elsässers ist durch die Aktion der MfS Ministerin erheblicher finanzieller Schaden entstanden.
Herr Mayer, SPD-Innenminister in Thüringen, betont, dass eine demokratisch gewählte Regierung nicht zwangsläufig auch demokratisch agiert. Gemeint hatte er - wen auch sonst - die AfD. Argumente, die gegen einen selbst verwendet werden können, sind recht unklug. Das hat dieses Urteil sehr schön gezeigt. Wie klug ist eine Partei, die sich solcher dummen, GG-widrigen Argumente bedient, um sich dem demokratischen Wettbewerb zu entziehen?
Herr Boehme-Neßler, grundsätzlich stimme ich Ihnen zu.
Mit einer Einschränkung.
"Auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe macht immer wieder deutlich, wie extrem umfassend der Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit ist. In seiner berühmten „Wunsiedel“-Entscheidung von 2009",....
Diese Entscheidung ist vor 17 Jahren getroffen worden. Inzwischen haben die Richter in vielen Fällen anders entschieden und haben sich dem Zeitgeist angepaßt.
Es läßt doch etwas hoffen, daß die Leipziger Richter sich am Grundgesetz orientierten und dieses Urteil gefällt haben.
Klar ist, Frau Faser hat ideologisiert gehandelt und entschieden. Sie hat die Antifa gehätschelt und alle Konservativen als Nazis denunziert. Rein fachlich ist ihre Amtszeit wie bei fast allen Ministern der Ampel ein großes Versagen gewesen. Gut, dass diese Dame jetzt weg ist. Was Compact betrifft, so hat das tatsächlich viel mit der Person Elsässer zu tun. Man weiß, er ist von ganz links nach ganz rechts gewechselt. Das passiert öfters in der deutschen Politik. Das prägnanteste Beispiel ist Joseph Goebbels. Das von Elsässer geleitete Magazin ist ein Kampfblatt der AfD, durchaus vergleichbar mit dem seinerzeitigen "Stürmer". Es fehlen natürlich die menschenrechtsfeindlichen Einlassungen, was man auch der AfD nicht nachweisen können wird. Ja, nach diesem Urteil aus Leipzig wird es allen Verbotsphantasten von Grünen und Sozialdemokraten schwerer fallen, sich nun an der AfD zu vergreifen. Vielleicht ist das Urteil auch in Bezug zur AfD zu verstehen, quasi ein Wink mit dem Zaunspfahl .
Egal ob Verfassungsgericht, BVerwG oder BGH. In den Ministerien sitzen doch Juristen und einige Minister sind gar selbst welche, also angeblich mit sogar mit Abschluss und dennoch wird versucht, bei dem Staat unbequemen Äußerungen alles dran zu setzen, die Meinungsfreiheit einzuschränken bzw. zu schleifen. Das Faeser eine Antidemokratin ist hat sie nicht erst mit diesem Verbotsverfahren bewiesen. Dass die Gerichte nicht anders konnten, weil eben das BVerfG als oberster nationales Hüter unserer Gesetze, zum Thema Meinungsfreiheit klare Positionen bislang bezieht, war das Urteil so zu erwarten. Und dennoch war ich skeptisch. Warum? Wenn ich sehe wie sich oberste Gerichte beim Thema Corona verbogen bis rausgehalten haben. Wenn ich derzeit sehe, wie lang es dauert, bis das BVerfG mal zu diesem § 188 StGB und anderen Meinungsparagrafen seine Rechtsprechung in Erinnerung ruft, diesen gelenkten unteren Instanzen und Staatsanwaltschaften wieder ans Gesetz heranführt, habe ich meine Zweifel.
Leider las ich Ihre Anfrage zum Artikel des Herrn Grau erst, als er bereits geschlossen war. Hier meine Rückantwort an Sie.
Danke für Ihre Zustimmung. Nein, was mit Herr Lenz oder Herr Hügle ist, weiß ich nicht. Ja, man kann viel spekulieren, ob es sie wirklich gibt oder nicht. Ob sie vom Verfassungsschutz waren/sind oder nicht. Ob vom Cicero eingesetzt, um die Kommentarspalte entsprechend zu beleben. Vielleicht gibt/gab es ihn und er ist gesundheitlich angeschlagen, ich war ja auch einige Wochen hier aus dem Leserkreis raus, nach meiner Bypass-OP. Es gibt sicher weitere Theorien, die man über diese beiden Herren spinnen könnte. Ich mache mir aber keine Gedanken darüber. Ich vermisse sie nicht wirklich. Auch Ihnen eine schöne Woche noch.
Wer die auf Rede- und Pressefreiheit einschränkt, ohne das jemand zu Straftaten aufruft müsste vom Verfassungsschutz wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe unter Beobachtung gestellt werden. Nur schade, dass Faeser die Dienstherrin der Behörde war. Die SPD entblödet sich jetzt wirklich ein Verbotsverfahren für AfD in Gang zu setzen. Damit stabilisiert sie bröckelnde Zustimmung zu dieser Partei termingerecht zu den nächsten Bundestagswahlen.