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Bundestagswahl - Für welche Partei hat sich der Wahlkampf gelohnt?

Für welche Partei hat sich der Wahlkampf bisher gelohnt? Wie wurden die Kampagnen der Parteien in der Bevölkerung aufgenommen?

Autoreninfo

Holger Geißler ist Head of Research bei YouGov, Psychologe und doziert an der FH Köln zur Marktforschung. 2015 erschien sein Buch „Wie wir Deutschen ticken".

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Die Würfel sind noch nicht gefallen, aber zwei Tage vor der Entscheidung liegt der Großteil des Wahlkampfs bereits hinter uns. Obgleich noch Kugelschreiber und Luftballons verteilt, Reden geschwungen, an Haustüren geklingelt und TV-Wahlwerbespots gezeigt werden, ist das Budget der Parteien ausgegeben, die Plakate gehängt und die inhaltlichen Argumente sind gespielt. Auch wenn zwei Tage vor der Wahl zwischen 10% und 15% der Wähler noch immer unentschlossen sind, so ist es Zeit, erste Resümees zu ziehen. Für welche Partei hat sich der Wahlkampf eigentlich gelohnt?

Das entscheidende Kriterium, ob eine Wahl-Kampagne erfolgreich war oder nicht, ist der prozentuale Zugewinn oder Verlust an Wählerstimmen bzw. Mandaten am Wahltag. Wie das Wahlergebnis ausgehen wird, werden wir erst am Sonntag wissen. Dann weiß man, ob CDU, SPD, Linke etc. im Vergleich zu 2009 zugelegt oder verloren haben. Ob die jeweilige Wahlkampagne dafür ausschlaggebend war, kann man aufgrund des Vergleichs der beiden Wahlergebnisse 2009 und 2013 aber nur eingeschränkt analysieren. Dafür ist zu viel in den vier Jahren dazwischen passiert. So hat z.B. die FDP ihre Stimmen sicherlich nicht im Endspurt der letzten 8 Wochen, sondern in den 46 Monaten davor verloren. Und mit der AfD ist eine Partei in aussichtsreicher Position für den Einzug in den Bundestag, die sogar erst 2013 gegründet wurde.

Um den Erfolg, d.h. den Output der Kampagne zu messen, bietet sich stattdessen der prozentuale Zugewinn (oder Verlust) in den Sonntagsfragen im Kampagnenzeitraum an. Allerdings ist diese Größe vergleichsweise unscharf, da für jede Sonntagsfragen immer andere Menschen befragt werden und man keine intra-individuellen Betrachtungen vornehmen kann. Interessanter ist deshalb die Betrachtung sogenannter Längsschnitt-Daten, wie sie immer häufiger in der Wahlforschung anzutreffen sind[1]. D.h. die Aussagen von Menschen, die im Rahmen des Wahlkampfs wiederholt befragt werden. Ein solches Längsschnitt-Panel hat YouGov für verschiedene Auftraggeber wie den Cicero, Phoenix und verschiedene Lehrstühle im Rahmen der Bundestagswahl 2013 durchgeführt. Seit Anfang Juli werden über 2.000 repräsentativ ausgewählte wahlberechtige Deutsche in regelmäßigen Abständen zu ihrer Einschätzung der politischen Lage in Deutschland befragt. Dadurch sind intra-individuelle Veränderungen in der Wahlabsicht beobachtbar.

Um den Erfolg der Parteien zu ermitteln, wurden die Werte der Sonntagsfrage der Welle 1 (Feldzeit: 09. Juli, 2013 bis zum 15.Juli, 2013 also lange bevor z.B. Wahlplakate hingen oder TV-Spots der Parteien ausgestrahlt wurden) mit denen der Welle 7 verglichen (Feldzeit:10.09.2013 - 13.09.2013 d.h. die Woche vor der Bayern-Wahl). Lässt man die Nicht-Wähler und Unentschlossenen einmal außen vor, so haben über alle Parteien hinweg 66% der Befragten ihre Wahlentscheidung seit dem Juli bis zur Bayern-Wahl nicht verändert[2]. 88% der Personen, die im Juli vorhatten z.B. die CDU/CSU im Bund zu wählen, sind auch in Welle 7 bei dieser Entscheidung geblieben. Wie sehen nun aber die intra-individuellen Gewinne bzw. Verluste der Parteien zwischen Anfang Juli und Mitte September aus? Welche Partei hat im Wahlkampf den größten prozentualen Output erzeugt?



[1] Eine der interessantesten Längsschnitt-Untersuchungen ist z.B. die Wahlstudie Baden-Württemberg 2011 http://www.sowi.uni-mannheim.de/wahlstudie/, die den Landestagswahlkampf mit einem Panel von 4.000 Mitgliedern des YouGov-Panels ab Beginn der Kampagne Ende 2010 verfolgt hat.

[2] Außen vorgelassen wurden die sonstigen Parteien inkl. Freie Wähler, da hierfür keine Budget-Angaben zu finden waren.

 

 

Prozentualer Zugewinn zwischen Juli und September

 

AfD

+38%

Die Linke

+28%

Piratenpartei

+26%

SPD

+21%

CDU/CSU

-2%

FDP

-16%

Bündnis 90/Die Grünen

-25%

Betrachtet man die Werte, so konnten AfD, Linke, Piraten und die SPD im Laufe des Wahlkampfs deutlich Anhänger dazugewinnen. CDU/CSU blieben fast konstant, FDP und Grüne haben in diesem Zeitraum zum Teil deutlich Anhänger verloren.

Die Ergebnisse sind besonders interessant, wenn man sich die Budgets der Parteien für Ihre Wahlkämpfe ansieht, denn diese sind sehr unterschiedlich. Dank der Aussagen der Wahlkampfmanager und Werbeagenturen der Parteien auf der Konferenz „Wahlkampf-Strategien 2013: Das Hochamt der Demokratie“ im Juni 2013 sind diese Werte zumindest annährend bekannt[1]: Die SPD wollte 23 Millionen Euro in den Wahlkampf stecken, die CDU 20 Mio., die Grünen 5,5 Mio., die Linke 4,5 Mio., die FDP 4 Mio. und die Piraten ca. 0,4 Mio. Das sind zwar Schätzgrößen, aber immerhin von Leuten, die es wissen müssten. CSU und AfD waren auf dieser Konferenz nicht auf dem Podium, aber es finden sich in den Medien ebenfalls Budgetschätzungen: Die CSU soll lt. der FAZ 9,5 Mio. in den Bundes- und Landtagswahlkampf investiert haben[2], die AfD habe 2,3 Mio. an Spenden eingesammelt.

Rechnet man nun die Wahlkampf-Budgets dagegen, so hat die AfD in den neun Wochen des Befragungszeitraums einen sehr guten Output für ihr Budget erzielt: 38% mehr Wählerstimmen für 2,3 Mio. Euro. Ebenfalls effizient haben die Kampagnen der Linke und der Piraten gearbeitet. Bei der SPD wurde der Zuwachs teuer erkauft. Bei CDU, FDP und Grünen haben die Kampagnen nicht effizient gearbeitet: Viel Geld investiert, aber dennoch Anhänger auf dem Weg verloren. Natürlich hat diese Betrachtung ihre Unschärfe und bis zur Wahl kann es noch Verschiebungen geben.

Und es spielen neben der Kampagne viele andere Faktoren im Wahlkampf eine Rolle: Die Auftritte der Spitzenkandidaten, das TV-Duell, die Wahlprogramme und - nicht zuletzt – die Berichterstattung in den Medien. Diese wiederum wollten die jeweiligen Parteistrategen in diesem Wahlkampf besonders häufig für Ihre Zwecke kapern. Zum Teil sogar mit Erfolg. So dürfte die Strategie von CDU und FDP bei jeder sich bietenden Gelegenheit, insbesondere die Grünen als die Partei der Steuererhöhungen zu verteufeln, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Verlust an potenziellen Wählerstimmen geführt haben.

 

 

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