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Flüchtlingskrise - Brot oder Spiele

Das Gerangel um die Gelder für Hamburgs Olympische Spiele zeigt: Es ist an der Zeit, der Bevölkerung über Kosten und Folgen der Flüchtlingskrise reinen Wein einzuschenken. Es wird nicht ohne Umverteilung und neue Prioritäten gehen

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024 wackelt. Der Bund hat dem Ersten Bürgermeister der Hansestadt dessen Bitte abgeschlagen, 6,2 Milliarden Euro für die Veranstaltung zuzuschießen und damit 80 Prozent der Kosten zu übernehmen. Ohne dieses Geld vom Bund kann sich Hamburg die Spiele nicht leisten, machte Olaf Scholz klar. Die Stadt könne auf keinen Fall mehr als die 1,2 Milliarden Euro aufbringen, die bisher zu Gebote stehen. Mehr gibt die Hamburger Kasse nicht her.

Ein Zufall, aber ein symbolischer: 6,2 Milliarden, das ist ziemlich genau die Summe, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als erste Zahl in die Welt gesetzt hat, als es um die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland ging. Und etwa die 1,2 Milliarden Euro, die Hamburg maximal für die Spiele aufbringen kann, werden in diesem und im nächsten Jahr die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge in der Hansestadt kosten. Hamburg hat seine Mittel dafür wie alle Bundesländer akut und erheblich aufgestockt.

Schutzsuchende vor Olympia


Seit Beginn der Flüchtlingskrise haben Schäuble und die Kanzlerin mehrfach gesagt, dass es weder zu Steuererhöhungen komme noch die schwarze Null angekratzt werden müsse. Zahlt sich alles so aus den Überschüssen der sprudelnden Steuerquellen.

In Person des Freiburger Ökonomen Bernd Raffelhüschen hat dieser Tage erstmals ein Experte dieses Herbstmärchen der Regierung bestritten und vorausgesagt, dass es zu „massiven Steuererhöhungen“ im Zuge der Flüchtlingskrise kommen werde. 

Die Ablehnung der Finanzhilfe für Hamburgs Spiele, darf man auch in diesem Zusammenhang sehen. Deutschland muss mehr aufs Geld schauen als vorher. „Panem et circenses“, Brot und Spiele gab es im alten Rom. In Deutschland gilt jetzt: Brot oder Spiele. Verpflegung und Unterbringung der Schutzsuchenden gehen vor.

Nicht mit der Portokasse zu schaffen


Das ist in Ordnung so. Wenn man sich den Luxus einer großen internationalen Sportveranstaltung im Moment aus nachvollziehbaren Gründen nicht leisten kann oder will, dann ist das eben so. Olympische Spiele im eigenen Land sind etwas Schönes. Aber es gibt Wichtigeres, man kann das verschmerzen.

Was man nicht mehr verschmerzen kann, ist die Unredlichkeit der Regierung, der Bevölkerung weiszumachen, alles gehe trotz der Riesenaufgabe so weiter wie bisher und es müsse kein Geld umgeschichtet werden. Niemand müsse etwas abgeben. Dieser Tage haben einige Unionspolitiker die Herausforderungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise mit der Wiedervereinigung verglichen. Die größte Aufgabe seit der Wiedervereinigung hieß es da. Wenn das stimmt, und es spricht viel dafür, dann sollte man bitte nicht den gleichen Fehler machen wie damals Helmut Kohl: zu behaupten, dass das ohne eine Extra-Anstrengung (auch finanziell) zu stemmen sei. Das Ende der Debatte war der Soli. 

Das kann so angesichts der Dimensionen nicht stimmen. Das ist nicht mit der Portokasse zu schaffen. Um das zu ahnen, muss man nicht Finanzminister sein und kein Ökonom aus Freiburg. Dafür reicht das gesunde Finanzverständnis der schwäbischen Hausfrau. Also sollte man es ihr und allen anderen im Lande auch sagen: Wir werden etwas abgeben müssen von unserem Wohlstand (jedenfalls wenn man die Schwarze Null nicht außer Kraft setzt, wofür es gute Gründe gäbe). Es werden härtere Zeiten auf uns zukommen. Und wir werden uns das ein oder andere Extra eben auch mal nicht gönnen können. Zum Beispiel die Olympischen Spiele in Hamburg.

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