Empörung
Illustration eines wütenden Mädchens / picture alliance / Westend61 | Elena Helade

Böhmermann, Döp, dödö, döp und die Klicklogik - Das Geschäft mit der Empörung

Ein Partylied wird zur rechten Hymne, ein YouTuber zur Symbolfigur – und Böhmermann spielt fröhlich empört mit. Aber: Wer laut „Stopp“ ruft, beschleunigt die Verbreitung nur.

Autoreninfo

Jan Uphoff studiert Politikwissenschaft in Bremen und absolviert derzeit ein Redaktionspraktikum bei Cicero.

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Dröhnende Lautstärke erfüllt das Dresdner Umland: „Döp, dödö, döp!“ Es ist Vatertag und das Wetter vielversprechend. Unzählige Gruppen ziehen deshalb mit selbstgebauten Bollerwagen an der Elbe entlang. Einige unter ihnen spielen offen Gigi D'Agostinos „L'amour Toujours“ und grölen dazu lautstark Verse, die mit Gewissheit nicht aus der Feder des italienischen DJs stammten. Auffällig dabei: Bis auf eine der Gruppen handelt es sich immer um Teenager, die stolz die Deutschland- und die Sachsenfahne durch die Luft schwingen.

Auswüchse schlechten Geschmacks

Diese Szenen habe ich bei einer Fahrradtour an der Dresdner Elbe erlebt. Nun kann man derlei Auswüchse des schlechten Geschmacks freilich bis ins kleinste Detail skandalisieren. Das wäre aber repetitiv bis redundant. Diese Form der „Aufarbeitung von Sylt“ konnte man im vergangenen Jahr bereits bei anderen Medienhäusern im Überangebot verfolgen – dafür braucht man nicht Cicero-Abonnent sein. 

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Hans Jürgen Wienroth | Mo., 9. Juni 2025 - 09:57

Ist dieser Effekt auch der Hintergrund für die Aufregung, die von der Grünen Jette Nietzard bewusst herbeigeführt wird? Will sie damit bekannt werden?

Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen, wie junge Menschen sich den Veränderungen im Land anders entgegenstellen können. Der „politische Mainstream“ setzt sich für jedes Tier und jede Pflanze ein, der aggressive Islam wird in der jungen Generation zur bestimmenden Kraft, der Staat zieht sich in zunehmendem Maße aus seinem Gewaltmonopol zurück und der autochthone junge Mensch steht hilflos da. Wie soll er sich wehren, ohne Gewalt anzuwenden? Das geht nur durch verbalen Protest.

Da sind doch solche Ereignisse wie auf Sylt eigentlich bestens geeignet, die politischen Eliten aufzurütteln, wenn sie sich noch um die Menschen im Lande kümmern wollten.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 9. Juni 2025 - 11:13

woanders.
Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann sage ich es.
Sogesehen finde ich es richtig, wenn politische Kabarettmagazine den Finger in die Wunde legen und gerne auch etwas stärker drücken, so wie nach meiner Erinnerung die Sendung des NDR "Extra 3".
Grundvoraussetzung für eine gute Sendung ist eine genaue Recherche und klare Auslegung.
Ich empfinde schon mal das "Moralisieren" ansatzweise in der Attitüde des "Meister Lämpel" von Wilhelm Busch.
Es geht um Aufklärung und Orientierung, nicht um das zufriedene Gefühl von Guten?
Die vom Autor beschriebenen Auswüchse einer eher rechten Szene sind bekannt und es ist gut, wenn sie medial und politisch aufgegriffen und kritisiert werden!
Entscheidend ist dabei das Niveau und die Verhältnismäßigkeit.
Die Idee eines "Kulturkampfes" stößt bei mir nicht auf Gegenliebe, sondern wächst sich aus zu nun stärkerem Hinterfragen linker Kulturvisionen.
Ich könnte auch sagen, dass mir das Lachen immer öfter im Halse stecken bleibt.
Muss das sein?

Ich habe mit linker und rechter Satire kein Problem. Ähnliches Satireformat ist auch beim ZDF angesiedelt, "Die Anstalt" und ebenfalls linke Satire wie Böhmermanns "ZDF Magazin Royale". Während "Die Anstalt" die deutschen Regierungen, Opposition und Politik aufs Korn nimmt, wird bei Böhmermann weitestgehend unterhalb von Politik und Regierung kritisiert, was zu Irritationen führt. Ein wohltuender Gegenpol ist bei der ARD "Nuhr im Ersten", wo keine rein linke oder rein rechte Satire stattfindet. "Extra 3" ist als linkes Satireformat inhaltlich aushaltbar. Man muss nicht mit jedem Wort einverstanden sein. Eine Charakteristik, die in jungen Jahren der Demokratie selbstverständlich war. Mittlerweile ist ein Kulturkampf zwischen links und rechts entstanden. Die politische Mitte hat sich über Jahrzehnte langsam aufgelöst. Will keiner zugeben, weil man sich selbst in der politischen Mitte verortet (neben SPD und CDU u.a. AfD und Die Linke) und glaubt, man verteidige so die Demokratie.

"Das ganze Evangelium von Karl Marx, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Hasse den Mann, der besser dran ist als du. Niemals unter keinen Umständen zugeben, dass sein Erfolg auf seine eigenen Anstrengungen zurückzuführen ist, auf den produktiven Beitrag, den er für die gesamte Gemeinschaft geleistet hat. Schreibe immer seinen Erfolg der Ausbeutung, dem Betrug, dem mehr oder weniger offenen Raub von anderen zu. Niemals unter keinen Umständen zugeben, dass dein eigenes Versagen vielleicht auf deine eigene Schwäche zurückzuführen ist, oder dass das Versagen eines anderen auf seine eigenen Fehler zurückzuführen ist – seine Faulheit, Unfähigkeit, Unvorsichtigkeit oder Dummheit."
Henry Hazlitt (1894-1993)

... 1:1 meine Meinung als auch Alle-Satiresendungen-Seher, wobei ich an Großkotz Böhmermann nichts "linkes" entdecken kann. Ausser, es steht wie beim in Bayern gebräuchlichen "link" für hinterhältig, unehrlich, bestenfalls tricky.
Und danke auch dem jungen Herrn Uphoff für diese kluge Betrachtung, wobei ich das Symbol Dorn bei unseren "All-Correcten" eher als Balken im EIGENEN Auge sehe.
Und das gilt eben leider gesamtgesellschaftlich, weswegen ich dieses links-grün-und-ähnlichen-Gehabes seit mindestens 3 Jahren SO überdrüssig bin: damit treiben diese Be-Treiber (sic!) die Masse der Leute hierzulande (+ USA), wenn nicht gleich nach rechts, so doch in die Verdrossenheit nicht gegenüber "der Politik", sondern gegenüber DER Politik dieser Betreiber.
Und dass nachfolgend Herr Johannsen so wenig von Marxens wissenschaftlicher Kapital-Analyse verstanden hat wie der von ihm zitierte Henry Hazlitt, ist eine andere Sache - mit Marxens Politphantasien ist es was anderes und auseinanderzuhalten!

Klaus Funke | Mo., 9. Juni 2025 - 11:20

Marketingexperten kennen das: Je größer die Empörung, desto größer die Aufmerksamkeit und am Ende der Kaufeffekt. Heißt: Je größer die Empörung, desto größer die Neugier und letzten Endes der erwünschte Kaufeffekt. Sprich: Effekt am Markt: Empörung als Mittel zur Kaufinspiration. Viele bekannte Marken nutzten das und nutzen es bis heute. Diese relativ einfache Vermarktungsformel scheint man beim ZDF und in der Redaktion Böhmermann nicht zu kennen. Man verhält sich dort wie die Naivlinge oder unmündige Kinder. Man will das vermeintlich ideologisch Böse bekämpfen... und schießt sich ins Bein. Wie bei "Clownswelt". Die freuen sich nun über die kostenlose Werbung. So hat Böhmermann sich als echter Dummling erwiesen und das ZDF als ahnungsloser Haufen. Das kommt davon, wenn man via Gebührenzwang im Gelde schwimmt und so verlernt hat, kreativ und nachdenkend zu sein. Man kennt das: zu viel Ideologie macht blöd. Zu viel Geld macht unvorsichtig und leichtfertig. Fazit: Böhmi absetzen + raus!!

Hans Süßenguth-Großmann | Mo., 9. Juni 2025 - 11:28

Slawomir Mrozek bereit in den Stück "Tango" verarbeitet, linke "Schlaffi Eltern" haben einen Nachwuchs der Autorität sucht und findet. Es war ein Verdienst des Theater Rudolstadt, dies in den 80er Jahren in der DDR Provinz aufgeführt zu haben. Der Begriff der Dialektik, wo Zuviel des Guten das Gegenteil bewirkt oder "Wir sind Teil von jener Kraft die Gutes will und Böses schafft", ist den linken Eliten nicht mehr geläufig. Man müsste sich ja ernsthaft mit Philosophie und den Schwierigkeiten der Begriffe befassen. Da ist laut "Nazi, Nazi.." schreien doch wesentlich bequemer.

Black Night | Mo., 9. Juni 2025 - 12:51

Über diesen unglaublichen weltweiten "Empörungsbrechreiz".

Wir sollten uns alle jetzt darüber empören, wenn ein Sack Reis in China umfällt & am besten gleich hinfliegen um diesen aufzuheben. So gehört sich das für einen "bunten & diversen Deutschen". Oder wenn sich eine "Wildsau" an einer alten Eiche kratzt. Ich bin jetzt "tief betroffen" & "schwer bestürzt". Einfach mal so, weil heute Pfingstmontag ist.

In diesem Sinne allen Cicero Lesern alles gute. Ich bin dann mal weg, in meinen dauerhaften Liegestuhl. Da freut sich jetzt der ein oder andere ganz bestimmt. Manche mögen jetzt empört sein. Egal, wie auch immer, machen Sie es besser.

Heidemarie Heim | Mo., 9. Juni 2025 - 13:37

Wenn Sie mich fragen werter junger Herr Uphoff ist das keine Frage des Alters;)! Denn zeit meines nun 67jährigen Daseins bin ich nie sonderlich durch politische Korrektheit, Haltung zeigen oder Anpassung aufgefallen;). Schon 3x nicht wenn man versuchte mir mit fadenscheinigen Argumenten oder "Moral" Druck zu machen. Die der Jugend zähneknirschend zugestandene Freiheit zur Rebellion habe ich wohl bis ins Rentenalter retten können und ergänzt mittels Lebenserfahrung sowie einem ziemlich ausgeprägten Bullshit-Radar geht mir diese ganze Empörungskultur nicht nur auf den Geist, sondern mittlerweile total am Gesäß vorbei;-). Wobei, sollte sich jemand beflissen fühlen eine Demo "Omas gegen alles und nichts!" zu veranstalten, krame ich mein "Dagegen!"-Plakat eventuell noch mal raus😜.
Alles Gute für Sie! MfG

S. Kaiser | Mo., 9. Juni 2025 - 18:43

Je 1-dimensionaler und lauter die dominante Kultur, umso stärker wird die counter culture.
Erst durch die Skandalisierung des Syltliedes hat man d i e „Hymne“ für diejenigen geschaffen, die ausdrücken wollen, wir sind dagegen, gegen Euch, die herrschende Klasse. Die Jungen mögen es aus reiner Provokation singen, die Älteren aus einer Hintersinnigkeit heraus, den „Anti-Establishment-St***finger“ zu zeigen.
Und Clownswelt? Es ist genau wie der Kommunikationsexperte sagte: Je stärker etwas von der "Meinungs-Elite" diffamiert und skandalisiert wird, umso mehr weckt man die Neugierde, sich das selbst mal anzuschauen, gerade wenn man sich nicht repräsentiert fühlt. Nicht wenige kommentierten unterm Video, sie seien froh den Kanal erst durch die Skandalisierung entdeckt zu haben und wurden Abonnenten, weil Inhalt und Präsentation sie ansprachen.
Wären also die einen nicht so rigide in ihrer anti-pluralistischen Cancel-Culture, bestünde kein Bedarf für eine dezidierte Gegenkultur.

Günter Johannsen | Mo., 9. Juni 2025 - 20:10

Der Dumme ist in jeder Demokratur das Volk, der Souverän und Steuerzahler!
"Heute werde ich das Gefühl nicht los, dass sich gerade jetzt die alten & neuen Vertreter der Neid-Debatte „Böser Kapitalismus
– Guter Kommunismus“ bemüßigt fühlen, alle rotbeschilderten Register zu ziehen. Wittern sie – wie immer in der Not der Menschen – Morgenluft? Der sogenannte Kommunismus war
und ist nichts anderes als ungebremster Staats-Kapitalismus, bei dem sich eine Clique linksradikaler Parteifunktionäre auf Kosten
des Volkes bereichert! Denn das sogenannte Volkseigentum in der – Gott sei Dank – untergegangenen DDR gehörte nicht dem
Volk, sondern einer Horde Moral-Elite-Kommunisten – den SED-Führungskadern."
(aus "Als das Rote Meer Grüne Welle hatte" GHV 2021)
Wie gesagt: Der Dumme ist der Steuerzahler!

Ernst-Günther Konrad | Di., 10. Juni 2025 - 10:34

Jeder hat ein Umschalt- oder Aus Knopf an der Bedienungsanleitung. Der Mann bekommt medial eigentlich mehr Aufmerksamkeit als verdient. Er ist ja nicht der einzige, der angebliche Satire für Beleidigungsszenarien und Diffamierungskampagnen nutzt. Kann er ja machen, aber eben nicht mit meinem Steuergeld. Das ist der springende Punkt. Wären die Gebühren freiwillig, würde den doch keiner mehr bezahlen und wenn, dann nur Parteien, die seine Äußerungen irgendwie brauchen und weiterverwenden. Auch hier gilt den Spruch: Dreht denen z.B. auch Restle, Reschke und wie sie alle heißen, finanziell den Saft ab und das Problem erledigt sich von selbst. Aber wie im Artikel von Herr Brodkorb schon festgestellt. Auch der ÖRR ist eine NGO der etablierten Parteien geworden. Jeder bedient sich ihrer und finanziert sie großzügig mit Steuergeld.