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() BND-Chef Ernst Uhrlau
BND-Chef Ernst Uhrlau – Ein Schweiger geht

BND-Chef Ernst Uhrlau wird Ende dieses Jahres den Dienst quittieren. Er war von der CDU-Kanzlerin Angela Merkel nicht trotz, sondern vielleicht auch wegen seines SPD-Parteibuchs an die Spitze der Pullacher Behörde berufen worden.

Das Geheimnisvolle, das Ernst Uhrlau, 64, umgibt, hat auch damit zu tun, dass er aussieht, als hätte er immer schon so ausgesehen. Aber anders als Bert Brechts Keuner würde der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND), der vieldeutig viele Sekunden nichts sagen kann, wohl kaum erbleichen, wenn ein Besucher, der ihn lange nicht gesehen hat, ihn mit den Worten begrüßte: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ Brechts „Herr K.“ sagt immerhin ziemlich beunruhigt: „Oh“! Uhrlau, der in der Lage ist, mit echter Leidenschaft wenig zu sagen, würde sich vermutlich nicht einmal diesen Seufzer entlocken lassen, sondern nach einer Weile darüber reden, dass die Arbeit des Chefs eines Nachrichtendiensts „keine statische Angelegenheit“ sei. Das müsste dann als Beschreibung seiner Befindlichkeit reichen. Manchmal scheint es, als lutsche er die Worte, bevor er sie herauslässt. Ein echter Geheimer gibt eben selbst das Erwartete nur in homöopathischen Dosen von sich, und bei einem Intellektuellen wie dem Opern- und Literaturliebhaber Uhrlau kann Schweigen eine kluge, verschlüsselte Botschaft sein. Kein anderer Deutscher hat so lange in verschiedenen Sicherheitsapparaten gearbeitet wie der Hanseat mit dem in diesen Kreisen ungewöhnlichen Titel eines Diplom-Politologen. In der Regel sind Soziologen oder Politologen Sicherheitsleuten äußerst suspekt. Ein Sozialdemokrat vom alten Schlag ist Uhrlau allerdings auch, das besänftigt in diesen Kreisen das größte Misstrauen. Außerdem ist er treu, loyal und ungewöhnlich verlässlich. Für einige Hamburger SPD-Innensenatoren arbeitete er als persönlicher Referent und Büroleiter, und aus dieser Zeit ist eine enge Beziehung zu dem früheren Innensenator Alfons Pawelczyk geblieben, der zum Freundeskreis von Helmut Schmidt gehört. Unter dem legendären Christian Lochte war Uhrlau stellvertretender Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz. Er redet heute noch gut über den vor 20 Jahren verstorbenen Querkopf Lochte. Das macht nicht jeder. Nach der Wende half Uhrlau in Potsdam beim Aufbau des Verfassungsschutzes mit; er wurde dann Amtsleiter in Kiel und Polizeipräsident in Hamburg, bis ihn Gerhard Schröder 1998 als Geheimdienstkoordinator ins Kanzleramt nach Berlin holte. Ein Mann für alle Fälle also. Uhrlau fädelte als Abteilungsleiter im Kanzleramt erfolgreich und geräuschlos humanitäre Aktionen zwischen der libanesischen Hisbollah und den Israelis ein. BND-Chef war damals der parteilose August Hanning, der ziemlich konservativ ist. Kurz nach der Wahl der Christdemokratin Angela Merkel zur ersten Kanzlerin wurde der Sozialdemokrat Uhrlau im Dezember 2005 Präsident des BND, diese Wahl hat damals manchen verblüfft. Aber Konservative haben immer schon gern Sozialdemokraten zu BND-Chefs ernannt – wegen der Risikoverteilung. Denn dieser Geheimdienst kann für jede Regierung brandgefährlich sein, und da hilft es, wenn die Sozialdemokraten mit im Boot sind. Von allen Chefjobs, die im Sicherheitsapparat zu vergeben sind, ist der des Präsidenten des Auslandsnachrichtendiensts der unangenehmste: Diese in Pullach bei München ansässige Behörde ist mit ihren rund 6000 Mitarbeitern wahrlich keine Idylle. Außen gibt es Feinde, und noch mehr Feinde gibt es innen im Apparat. Gerüchte zu streuen und Denunziationen aller Art zu verbreiten – das gehörte schon immer zum Handwerk der Geheimdienstler. BND-Gründer Reinhard Gehlen, ein früherer General der Wehrmacht und Leiter der Abteilung „Fremde Heere Ost“, war ein durchtriebener Meister in diesen Disziplinen. Das Verhältnis der politischen Klasse zu dem Nachrichtendienst war lange Zeit gestört. Die Kanzler Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl haben ihm nicht getraut. Beliebt war bei diesen Regierungschefs der Hinweis, die Lektüre der Neuen Zürcher Zeitung sei sinnvoller als das Lesen der Berichte aus Pullach. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe der BND eine „Identitätskrise“ durchlitten, sagt Uhrlau. Die „Hauptbeobachtungsobjekte Sowjetunion, Ostblock und DDR“ seien „weggefallen“. Fernab vom Regierungssitz dümpelte der Dienst ohne klaren Auftrag und ohne gesellschaftliche Anerkennung dahin. Erst der Sozialdemokrat Gerhard Schröder und dessen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier halfen, die Behörde in die Polit-Society von Berlin zu integrieren. Das war nicht nur eine Masche, um sich von den Vorgängerregierungen zu unterscheiden. Die neuen Aufgabengebiete des Dienstes wie Erkundigungen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr und die Bekämpfung des islamistischen Terrors ließen wenig Raum für die alte Vorverachtung durch die Regierenden. Immer stärker stützt der Berliner Regierungsapparat seit 1998 seine Politik auch auf Erkenntnissen des Auslandsdiensts. Zu dem neuen Vertrauensverhältnis hat der politische Beamte Uhrlau auf seinen Posten als Koordinator und als Präsident eine Menge beigetragen. Gegen erbitterten Widerstand im Dienst trieb er den Umzug nach Berlin an, er schaffte Hierarchieebenen ab, hob die strikte Trennung zwischen Beschaffern und Auswertern auf und setzte durch, dass Historiker die Geschichte des BND aufarbeiten dürfen. Zahlreiche Affären hat Uhrlau überstanden, die Kanzlerin hat ihn einmal öffentlich gerügt – und er ist doch geblieben: Wenn er Ende des Jahres ganz normal mit 65 in Pension ginge, hätte er schon allein deswegen Großes erreicht.

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