Angela Merkel und der britische Premier Boris Johnson in Chequers / dpa

Der Blick von außen auf die Ära Merkel - „Merkwürdige Abweichungen“

In einer fünfteiligen Folge ziehen Beobachter aus dem Ausland eine Bilanz der Amtszeit von Angela Merkel. Hier schreibt der britische Historiker Anthony Glees, was ihn an der deutschen Kanzlerin erstaunt, befremdet und fasziniert hat. Und er beleuchtet die unterschiedlichen Anforderungen, die Deutsche und Engländer an Regierungschefs stellen.

Autoreninfo

Anthony Glees, Sohn eines deutschen Mediziners, ist Zeithistoriker und Politologe. An der britischen University of Buckingham leitet er das Centre for Security and Intelligence Studies. 

So erreichen Sie Anthony Glees:

Einige Beobachter – vielleicht vor allem diejenigen, die keine Deutschen sind – denken, dass Angela Merkel eine Frau mit offensichtlichen Qualitäten ist, die ihr Amt unter anderem deshalb erlangte, weil sie die Werte Deutschlands nach 1945 verkörperte. Sie war kompetent, verlässlich, zuverlässig, berechenbar, stabil, rational, vorsichtig und fantasielos – so wie eben die meisten Deutschen auch. Merkel war eine wissenschaftliche Politikerin in einem Land, das die Wissenschaft schätzt; beobachtend, urteilend, ohne den von britischen Politikern so gern gepriesenen „Instinkt“ und ohne den Hang zu Experimenten, fast immer reaktiv und selten proaktiv. An dieser nüchternen Analyse ist etwas Wahres dran, aber sie ist unvollständig. 

Manche meinen nämlich auch, dass Angela Merkel ein Rätsel ist, vielleicht eine Art deutsche Babuschka, bei der man eine Puppe öffnet, um eine andere, kleinere Puppe darin zum Vorschein zu bringen, bis man die letzte Puppe erreicht, bei der es nichts mehr zu sehen gibt. Die Lösung des Merkel-Rätsels wäre letztlich ihre Leere.

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Klaus Funke | So., 26. September 2021 - 12:24

Auch wen dabei vorsichtige und zurückhaltende Kritik geäußert wird, bleibt es die Verklärung eine höchst mittelmäßigen Politikerin. Die Engländer, wie auch alle anderen ausländischen Begutachter Merkels, haben gut lachen, sie mussten die Dame weder aushalten, noch müssen sie unter den Folgen der Politik dieser hoffnungslos und in jeder Beziehung überschätzten Person leiden. Wir leider schon. Und das Leiden hat bereits mit dieser Bundestagswahl und deren fatalen Auswirkungen begonnen. Mindestens eine volle Legislaturperiode und vermutlich noch viel länger werden diese Neben- und Nachwirkungen andauern.

sich ins Unerträgliche steigern und nicht mehr vergehen.
Natürlich nur bei den Menschen, die sich in Deutschland schon lange vorkommen wie im falschen Film.
Die anderen - alte und neue Deutsche - fühlen sich noch so lange sauwohl und geborgen hier wie ihr Geld reicht bzw. der Euro seinen Wert behält.
Danach beginnt für alle, die nicht vorsorgen konnten, das große Heulen und Zähneknirschen. Es kann noch eine Weile dauern, bis es so weit ist.

Die Zukunft unseres Vaterlandes, lieber Herr Funke, wurde in den 16 Jahren, die hinter uns liegen, derart auf's Spiel gesetzt, daß niemand heute sagen kann, was
in den nächsten Jahren alles an Schlimmem auf uns zukommen wird, und zwar ganz o h n e irgendwelche unvorhersehbaren Ereignisse von außen, wie z. B. die momentane, weltweite Corona-Hysterie. Allein die hiesigen Politiker und Idiologen
reichen als Unsicherheitsfaktoren!
Ich bin froh, alt zu sein und keine Enkelkinder zu haben.
Traurig, daß man das am Lebensende sagen muß.

Christoph Kuhlmann | So., 26. September 2021 - 13:18

Mit diesen drei Fehlern hat Merkel die deutschen Steuerzahler und Stromkunden um mehrere hundert Milliarden in 20 Jahren nach der entsprechenden belastet. Die Energiepreise sind die höchsten in Europa, 66% der Flüchtlinge erhalten auch sechs Jahre nach der Einwanderung noch Hatz IV und auch der Brexit kostet Deutschland Jahr für Jahr mehrere Milliarden. Von den Kosten für die Wirtschaft mal ganz abgesehen. Die Beschaffung der Impfstoffe war ein Desaster, wir hätten drei Monate früher impfen können. Auch der Lockdown wäre in dem Ausmaß nicht notwendig gewesen.

... was das Hinausekeln Großbritanniens aus der EU angeht.

Deutsche Politik ordnet den Bezug zur Realität der eigenen moralischen Hochnäsigkeit unter, und zwar gegenüber allen europäischen Nachbarn. Je lautstärker solche einfältigen Moralapostel in Deutschland von "Europa" und den "europäischen Werten" tönen, desto tiefer treiben sie Deutschland in die außenpolitische Isolierung. Durch das "deutsche Wesen" wird sich kaum ein Land freiwillig kurieren lassen, auch wenn dieses "deutsche Wesen" mit einem grünen Anzug und mit einem grünen Hütchen daher stolziert.

Egal wer im Ergebnis der heutigen Wahl Merkels Nachfolger wird: Die Chancen sind leider extrem groß, dass diese Fehlsichtigkeit, dieses Agieren im Nebel moralingetränkter Träumereien auch beim Nachfolgekanzler die deutsche Außenpolitik bestimmen und den Zerfall der europäischen Union weiter beschleunigen wird.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 27. September 2021 - 11:39

das würde ich mal gelten lassen, vielleicht noch hinzufügen (politisch) stillos.Das will der Autor hoffentlich nicht von seiner Queen auch nur annähernd behaupten.
England war von Anfang an zu stark für die EU, da Weltmacht, das gilt aber eigentlich auch für Deutschland, da Industriemacht auf Weltniveau.
Wie man* auf die Idee kommen konnte, aus dieser Machtkonstellation die EU als "überspitzt" "Merkelland" zu zimmern, wissen vielleicht nur die Berater Frau Merkels.
Ich bin nicht nur unglücklich über den Brexit und werde es auch nicht über einen zumindest "angedrohten" Exit Osteuropas sein, vielleicht federführend unter Polen als eine Neuauflage der Hanse.
Das wirklich Gefährliche ist vielleicht, wenn bedeutende Nationen von politischen Dilettanten* gekapert werden können.
Das wäre evtl. fast gelungen.
Johnson ist vlt. ein "Querulant", aber politisch nicht unfähig.
Europa wird trotz aller Widrigkeiten zusammenbleiben, davon gehe ich aus, das geht auch mit mehreren Machtzentren.