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Rechtlich fragwürdig - Wirtschaftsprüfer sollen Asylanträge im BAMF bearbeiten

Noch vor drei Wochen bestritt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Unternehmensberater zur Bearbeitung von Asylanträgen einzusetzen. Nun stellt sich heraus: Genau das soll passieren. Mitarbeiter von PwC, KPMG, Deloitte und Ernst & Young sollen den Papierstau abtragen

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Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Vor rund drei Wochen recherchierte das Magazin Cicero zu Beraterverträgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ein wichtiger Bereich betraf die Frage, ob und wie viele Unternehmensberater im Bundesamt Asylanträge bearbeiten. Die Auskunft vom 22. März war klar und deutlich: „Zur Entscheidung von Asylanträgen werden keine Berater eingesetzt.“ Auch die Begründung, die die Pressestelle Cicero gab, leuchtete ein: „Die Anhörung und Entscheidung von Asylanträgen sind hoheitliche Aufgaben und obliegen der Verantwortung der Mitarbeiter des Bundesamtes.“

Nun stellt sich heraus: Behördenchef Frank-Jürgen Weise scheint sich nicht viel um diese Prinzipien zu scheren. Laut einem Bericht des „Handelsblatts“ hat er die vier großen Unternehmensberatungen um Entlastung gebeten: Sie sollen bei der Bearbeitung von Asylanträgen helfen. Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers, KPMG, Deloitte und Ernst & Young sollen demnach mit rund 800 Beamten zusammenarbeiten, die die ehemaligen Staatsunternehmen Telekom und Post bereits an die Asylbehörden ausgeliehen haben. Das BAMF bestätigte die Angaben gegenüber Cicero.

Bis zu 67.000 Euro Jahresgehalt


Es lockten 56.000 bis 67.000 Euro pro Jahr für einen so genannten Leiharbeiternehmer. Voraussetzung für den Job sei mindestens ein Jahr Berufserfahrung. Die Prüfer sollen zunächst mehrere Monate freigestellt werden, danach könne es einen befristeten Arbeitsvertrag geben. Auch Teilzeitarbeit sei möglich. Insgesamt sollen die festen Stellen von 3500 auf 6300 aufgestockt werden. Ein Sprecher von PricewaterhouseCoopers sagte, es sei noch nicht klar, ob das Unternehmen der BAMF-Anfrage nachkomme. Ein Einsatz sei eine „persönliche Entscheidung“ der Mitarbeiter.

Das BAMF sieht zwischen den Angaben gegenüber Cicero und dem Handelsblatt keinen Widerspruch. „Wenn es so kommen sollte, dass Mitarbeiter anderer Ressorts, der Wirtschaft und auch der Beratungsgesellschaften temporär unterstützen, dann tun sie dies in Zukunft auf Arbeitsvertragsbasis mit dem BAMF“, teilte eine Sprecherin mit. Sie würden dann das „normale Rekrutierungsverfahren“ durchlaufen und wie alle anderen Mitarbeiter, „entsprechend ihrer Qualifikationen geschult“. Das Amt bedient sich eines juristischen Kniffs: Die Wirtschaftsprüfer erhalten Hausverträge – und wären nicht mehr „extern“. Damit dürften sie auch „hoheitliche“ Aufgaben erfüllen.

Mehr als fragwürdig


Das BAMF operiert offenbar im juristischen Graubereich. Zudem ist mehr als fragwürdig, ob diese Konstruktion überhaupt rechtlich zulässig ist: gelernte Wirtschaftsprüfer, die über eine Flüchtlingsexistenz entscheiden. Weise steht unter Druck. Derzeit stauen sich im Flüchtlingsamt 400.000 Asylanträge.

Bereits jetzt läuft eine Klage des Personalrats gegen die Turbo-Einstellungen. Die gingen auf Kosten der Qualität. Aus Mitarbeiterkreisen heißt es, früher habe die Ausbildung rund ein halbes Jahr gedauert. Inzwischen würden Entscheider mit  mittlerem Dienst schon nach einem Zwei-Wochen-Crashkurs an die Schutzsuchenden herangelassen: „Das ist ein Qualitätsverlust ohne Ende“ und „unter aller Kanone“, sagt eine Person, die solche Asylentscheidungen seit Jahren fällt.

Die BAMF-Pressesprecherin sagte, die rund 1800 Kollegen aus anderen Behörden – darunter der Bundeswehr, der Bundesagentur für Arbeit und dem Zoll – seien in „einer sechs- bis achtwöchigen Schulung“ dafür ausgebildet worden.

Aus dem Mitarbeiterkreis heißt es, Menschen aus Syrien, Irak und Eritrea würden nun ohne individuelle Entscheidung durchgewunken. „Trittbrettfahrer können Sie gar nicht mehr aussortieren.“ Zudem habe dies eine „Sogwirkung“ ausgelöst. Im Zuge der Flüchtlingspolitik erhalte der christliche Pakistaner dagegen gar keinen Schutz mehr.

„Keine Abarbeitung von Asylanträgen“?


Das Bundesamt hat schon seit rund einem halben Jahr externe Unternehmensberater von McKinsey, Ernst & Young und Roland Berger engagiert. Die Vergabe lief ohne Ausschreibung, obwohl das ab einem Betrag von 135.000 Euro gesetzlich vorgeschrieben ist.

Auf Cicero-Anfrage bekräftigte die BAMF-Pressestelle damals, dass die Inhalte der Beraterverträge „keine Abarbeitung von Asylanträgen“ vorsehen. Stattdessen seien sie „in verschiedenen asylbezogenen Aufgabenfeldern tätig“ – zum Beispiel Prozessoptimierungen. Eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz dieses Magazins an die Behörde ist bislang nicht bearbeitet worden.

Frank-Jürgen Weise steht bei der BAMF-Belegschaft massiv in der Kritik. Es heißt, er würde Anweisungen nur mündlich geben. Umsetzen müsse diese Vorgaben häufig Vizepräsident Michael Griesbeck. Vom BAMF hieß es dazu nur: Diese „Prozesse der mündlichen und schriftlichen Anweisungen sind nichts Ungewöhnliches und werden mit entsprechenden Aktennotizen digitalisiert und gespeichert“.

Auch praktisch: Sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, wäre Frank-Jürgen Weise kaum ein Fehlverhalten nachzuweisen.

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