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(picture alliance) Noch herrscht Betrieb in Tegel – aber nicht mehr lang

Stadtplanung - Was wird aus Tempelhof und Tegel?

Erst Tempelhof, jetzt Tegel. Wieder schließt ein Berliner Flughafen. Es bleiben riesige Flächen, die genutzt werden können. Was hat Berlin bislang daraus gemacht?

Der Flughafen Tegel steht kurz vor seiner Schließung. Um die künftige Nutzung dieses Geländes ist eine heftige Debatte entbrannt. Das wirft auch die Frage auf, wie Berlin eigentlich mit den anderen früheren Flugplätzen umgegangen ist, nachdem dort der Betrieb eingestellt wurde: in Tempelhof, Gatow, Johannisthal und Staakow. Ein Überblick.

BERLIN-TEGEL (1948 – 2. Juni 2012)
Damals:
Der Flughafen Tegel war während der Berlin-Blockade innerhalb von 90 Tagen mit der damals längsten Piste Europas gebaut worden. Vorher war das Areal Schießplatz, Luftschiffhafen und in den 30er Jahren Versuchsgelände für die Raketenentwicklung.

Der Boden ist heute noch verseucht. 1974 wurde der sechseckige Terminal eröffnet, der für rund fünf Millionen Passagiere im Jahr konzipiert war. Inzwischen hat sich die Zahl verdreifacht, was durch zahlreiche Aus- und Umbauten möglich geworden ist. Ein vorgesehenes zweites Sechseck ist dagegen nicht gebaut worden.

Heute:
Als „klassische Form der Symbolpolitik“ beschreibt Stadtplaner Harald Bodenschatz die Verlautbarungen des Senats zur Zukunft des Airport Tegel nach dem Ende des Flugbetriebes. Kaum Geld und Mitarbeiter für die Projektgesellschaft, ein Internetauftritt ohne Inhalte – so könne das nichts werden. Der emeritierte TU-Professor fordert eine öffentliche Debatte über den Standort, eine Task-Force in der Verwaltung – und einen Masterplan für die Anbindung an die Stadt. Immerhin: Es gibt einen Chefentwickler für das 461 Hektar große Areal – doch das ist der selbe Mann, der auch Konzepte für den zentraler gelegenen Airport Tempelhof vorlegte, Hardy Rudolf Schmitz. Ist das der Grund, dass Ideen zum Betrieb experimenteller Elektrofahrzeuge („e-mobility“) mit beiden Standorten in Verbindung gebracht werden? Schmitz hat bereits Industriebrachen in Adlershof in einen blühenden Gewerbepark verwandelt. Doch da bekam er Millionen an Fördermitteln, Forschungseinrichtungen sowie Wirtschaftsunternehmen waren schon da – all das gibt es in Tegel nicht.

Immerhin hat Schmitz eine Vision: Er will Tegel in ein „Zentrum für urban technologies“ umbauen. Konzerne wie General Electric, Siemens und RWE hätten dafür eigene Abteilungen aufgebaut – und die Beuth-Hochschule für Technik wolle ihren Forschungsbereich „Technik für die Stadt“ nach Tegel verlegen, sagt Schmitz. Beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) kommt das gut an. Am Dienstag fanden sich Vertreter von 24 Unternehmen zusammen und gründeten einen gemeinsamen „Arbeitskreis“ zu dem Thema. Versorger wie Gasag und Vattenfall, Kabelnetzbetreiber wie Tele Columbus und alles, was sonst in der Berliner Unternehmenslandschaft Rang und Namen hat, ist mit von der Partie. Der Gedanke: Berlin mit den neusten Netzen und der neusten Versorgungs- und Verkehrstechnik aufzurüsten. Von einem „Forschungsverbund“ der Versorger ist die Rede, der den Umbau Berlins in eine europäische „Modellstadt“ anleitet. Nur, woher soll das Geld dafür kommen?
„Wenn man modern und innovativ sein will, muss man bereit sein zu investieren“, sagt VBKI-Präsident Markus Voigt diplomatisch. Auch würden sich die Mitglieder des Arbeitskreises „mehr interessierte Ansprechpartner beim Senat wünschen“. Dass man dort im Verzug ist, will man nicht gelten lassen – und bekommt sogar Rückendeckung aus dem Bezirk. Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU): „Es wird keine Schwebebahn geben und auch keinen Wohnungsbau in Tegel“, sondern ein Wirtschafts- und Industriestandort soll entstehen. Die Überarbeitung von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan für das Terminal seien weit fortgeschritten – weiter als in Tempelhof, als dort der Flughafenbetrieb eingestellt worden war. „Wir könnten uns aber auch vorstellen, weiter zu sein mit der Vermarktung“, räumt Balzer ein. Auch sei das dafür bereit stehende Budget, rund eine Million Euro sollen es jährlich sein, „bei weitem zu wenig“ für diese „Riesenaufgabe“. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) kontert: „Wir können nicht mit dem Geld um uns werfen“, zumal zurzeit erst Planungsarbeiten liefen. Die Kosten für Planung und Bau des Areals werde Berlin aber „im nächsten Doppelhaushalt 2014/15 absichern“, sagt Müller.

BERLIN-TEMPELHOF (1923 – 2008)
Damals:
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts starteten in Tempelhof die ersten Gasballons. Die ersten Pläne, das Tempelhofer Feld in einen richtigen Flugplatz zu verwandeln, der auch dauerhaft in Betrieb sein sollte, stammen von 1910.
Neu geplant und nahezu fertiggestellt wurde der Flughafen zur Zeit des Nationalsozialismus. „Tempelhof sollte als ,Weltflughafen’ dem damals neuesten Stand des Flughafenbaus entsprechen, zugleich aber auch der propagandistischen Selbstdarstellung des NS-Regimes dienen“, heißt es auf der Homepage der „Tempelhofer Freiheit“, einer Initiative der Tempelhof Projekt GmbH, die heute den stillgelegten Flughafen verwaltet. Die gesamte Anlage sei axial auf Karl Friedrich Schinkels Kreuzbergdenkmal von 1821 ausgerichtet. Mit der Nazi-Herrschaft begann das grausamste und dunkelste Kapitel der Flughafengeschichte in Tempelhof: Schon 1933 richteten die Nationalsozialisten am Nordrand des Tempelhofer Feldes ein Gestapo-Gefängnis und im folgenden Jahr ein Konzentrationslager ein. Es war das einzige offizielle Konzentrationslager der SS in Berlin, es wurde zwischen 1936 und 1937 aufgelöst.
Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das Image des Flughafens: Die Alliierten nutzten Tempelhof für die berühmte Luftbrücke. Tempelhof galt seitdem als „Tor zur Welt“. In den 50er Jahren hatte Tempelhof nahezu so viele Passagiere wie die anderen großen europäischen Flughäfen London und Paris.

Heute:
Der still gelegte Airport in Tempelhof bekommt das, was Tegel schmerzlich vermisst: ein Großprojekt mit Strahlkraft, die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), für 270 Millionen Euro. Rundherum soll eine Wissensstadt entstehen, so hoffen die Planer, mit privaten Bildungseinrichtungen und Wohnungen. Eine Diskussion über das Großprojekt und den Standort hat nie wirklich stattgefunden. Das haben Planer und Politiker wiederholt kritisiert. Dass Tempelhof die ZLB bekam und diese nicht in den Schlossneubau in Mitte zieht, wollte Berlins Regierender Bürgermeister so. Klaus Wowereit (SPD) hatte schon zuvor fast im Alleingang der Modemesse Bread and Butter die Nutzung des denkmalgeschützten Airport-Gebäudes gestattet – auch das eine zunächst umstrittene Entscheidung. Dem früheren Bildungsstadtrat aus Tempelhof liegt die Zukunft des Parks in „seinem“ Bezirk am Herzen. Dennoch legte auch Tempelhof einen Stolperstart hin: Bis heute fließen Millionen zur Deckung der Verluste für den Betrieb des Flughafengebäudes aus der Landeskasse. Die Sanierung des „größten Baudenkmals Europas“ wird weitere Millionen verschlingen. Und dauerhafte Mieter für die vielen tausend Quadratmeter Büro- und Lagerflächen im Altbau sind wegen der sanierungsbedürftigen Räume kaum zu finden. Steuergelder fließen auch in die Vorbereitung der Internationalen Gartenbauausstellung im Jahr 2017 – und in die Öffnung der „Tempelhofer Freiheit“ auf angrenzende Straßenzüge. Dass das Airport-Areal nur vorübergehend durch „Zwischennutzungen“ wie Messen, Volksläufe, Kräutergärten, Kung-fu-Shows, bespielt wird, stört niemanden: Umfragen unter Berlinern ergaben, dass sie am liebsten das ganze Gebiet unberührt ließen – und die Brache, so wie sie ist, nutzen möchten. Dennoch sollen am östlichen Rand des Parks Wohnungen gebaut werden, um das Gebiet an Neukölln anzuschließen, und im Süden sollen Gewerbeflächen entstehen. Auch das Dahlemer Alliierten-Museum soll herziehen.

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