
- Ein Produkt unserer digitalisierten Moderne
Auch nach dem Anschlag in Halle greifen in Medien und der Gesellschaft ritualisierte Empörung und wohlfeile Floskeln um sich. Dabei liegen die Ursachen vielfach in der medialen und sozialen Lebenswirklichkeit der Täter. Doch es scheint einfacher zu sein, ihrer billigen Selbstinszenierung zu folgen
Auf schockierende Ereignisse reagieren menschliche Gemeinschaften mit Ritualen. Traditioneller Weise etwa mit kultischen Handlungen, Gebeten oder Gottesdiensten. In säkularen und multireligiösen Gesellschaften funktionieren solche Kompensationsstrategien nicht mehr. Also müssen andere Rituale her, etwa die Flucht ins allgemein Erbauliche. Das allerdings wirkt häufig hilflos und vorgestanzt. Und so ergießt sich auch in diesen Tagen nach Halle wieder eine Flut an hilflosen Phrasen, Banalitäten und schalen Apellen über die Gesellschaft.
Sozialpsychologisch ist eine solche Reaktion einleuchtend. Hier wird aus Hilflosigkeit eine Sprache und eine Symbolik aus der privaten Kommunikation für öffentliche Betroffenheitsbekundungen gebraucht. Gefühlsbeschreibungen, die aus dem intimen zwischenmenschlichen Bereich stammen, etwa Schmerz und Trauer, werden dabei in den öffentlichen medialen Diskurs gezerrt.