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Jens Gyarmaty

Annegret Kramp-Karrenbauer - Merkels Lafontaine

Quote, Steuern, Pragmatismus: Saarlands Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer verkörpert die neue CDU

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Für Rainer Brüderle ist sie jetzt eine „schwarz lackierte Sozialistin“. Dabei hatte Annegret Kramp-Karrenbauer nur dafür geworben, den Spitzensteuersatz auf ein Niveau zu heben, wo er zu Zeiten von Helmut Kohls schwarz-gelber Regierungskoalition schon einmal lag. Also bei 53 Prozent. Aber weil sogar die Grünen trotz des Linksrucks mit ihren Steuerplänen noch um 4 Prozentpunkte unter Kohl-Level liegen, ist die Forderung der saarländischen Ministerpräsidentin natürlich reines Wahlkampfgift. Zumindest aus Sicht der Liberalen, die bereits kräftig Front machen gegen die angekündigten Steuererhöhungen von Rot-Grün. Auch in Kramp-Karrenbauers eigener Partei, der CDU, hat ihr Vorstoß nicht gerade für einhellige Begeisterung gesorgt. Ebenso wenig wie das Engagement der 50-jährigen Katholikin aus dem Saarland zugunsten einer festen Frauenquote. Aber sie lässt sich von dem Gegenwind nicht beeindrucken. Und bleibt ruhig.

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Denn Poltern ist nicht ihre Sprachmelodie. Die Anfeindungen wegen des Spitzensteuersatzes bezeichnet sie ganz sachlich als „eine verkürzte Diskussion“; es käme dabei ja noch auf ein paar andere Parameter an, etwa auf den Progressionsverlauf. Im Kern aber bleibt sie dabei, auch wenn Kramp-Karrenbauer die Zahl 53 „bewusst“ nicht ausdrücklich nennt. Ihr Argument: „Wir werden in den nächsten Jahren sehr viel investieren müssen, auch in Infrastruktur.“ Und wegen der Schuldenbremse komme der Staat sowieso nicht umhin, den deutschen Steuerzahlern in Zukunft einiges zuzumuten. „Das wird auf Dauer aber nur Akzeptanz finden, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass starke Schultern mehr tragen als schwache.“ Ein Satz, der genauso gut von einer Sozialdemokratin stammen könnte. Und wahrscheinlich ein erster Hinweis darauf, welche Richtung die Union einschlagen wird, wenn es nach der Bundestagswahl zur Wiederauflage der großen Koalition kommen sollte.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist ein Musterbeispiel für die neue CDU: unideologisch, pragmatisch, ein bisschen links, ein bisschen liberal. „Modern“, würden manche in der Union dazu sagen. Andere eher: „beliebig“. Sie selbst formuliert es so: „Ich bin schwer in Schubladen einzuordnen.“ Selbiges gilt für ihre Partei, zumindest für den Merkel-Flügel. Konservativ war gestern, Glaubwürdigkeit heißt stattdessen das neue Leitmotiv. Sagt auch Kramp-Karrenbauer über sich: „Man braucht ein Profil, das vor allem glaubwürdig ist.“ Im Saarland hat das gut funktioniert. Nachdem die Amtsnachfolgerin von Peter Müller dessen mühsam zusammenverhandeltes Jamaika-Bündnis im Januar vergangenen Jahres hatte platzen lassen, wurde sie im März darauf von den Wählern als Ministerpräsidentin bestätigt. Mit 35,2 Prozent der Stimmen. Die SPD, im Landtagswahlkampf noch gleichauf, landete bei schwachen 30,6 Prozent. Seitdem regiert Annegret Kramp-Karrenbauer das Saarland in einer großen Koalition. Und zwar derart geräuschlos und konfliktfrei, dass der örtlichen Presse die spannenden Themen ausgehen.

Das war nicht immer so. Im Bündnis der Saar-CDU mit Liberalen und Grünen war es vor allem die FDP, die mit hanebüchenen Intrigen und Personalquerelen für permanente Reibereien in der Regierung von Deutschlands kleinstem Flächenstaat sorgte. Schon deswegen hatte Kramp-Karrenbauer allen Grund, diese Partei ins politische Niemandsland zu befördern. Inhaltlich aber auch, denn allzu forscher Marktliberalismus ist ganz gewiss nicht ihr Ding. Wenn Kramp-Karrenbauer nämlich ihre eigene Lesart von Konservatismus beschreiben soll, dann funktioniert das in erster Linie durch „Skepsis gegenüber den Heilslehren der Moderne“. Und dazu zählt sie eben entfesselte Märkte genauso wie den „Privatisierungs-Hype“, dem auch die Landesregierung ihres Vorgängers gefolgt sei.

Und die Quote? Ist das nicht auch so eine moderne Heilslehre? Als junge Frau war Kramp-Karrenbauer noch strikt dagegen. Erst später im Beruf habe sie gemerkt, dass Frauen sogar bei besserer Qualifikation nicht die gleichen Karrierechancen hätten wie Männer. „Mit wachsender Lebenserfahrung hat sich bei mir die Überzeugung durchgesetzt, dass wir die Quote als Hilfsmittel brauchen. Sie hilft, bei der Personalauswahl den Blick zu weiten.“

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Im Bundesrat hat die CDU-Ministerpräsidentin deshalb einem Gesetzentwurf der Sozialdemokraten für eine starre Frauenquote zur Mehrheit verholfen. Und damit einige Parteifreunde in Berlin in arge Bedrängnis gebracht. Im Nachhinein ein schlechtes Gewissen deshalb? Keineswegs. „Ich habe meine Position schon einige Wochen vor der Bundesratsabstimmung deutlich gemacht.“ Heißt so viel wie: selber schuld. Dass die Frauenquote jetzt im CDU-Wahlprogramm steht, sieht Annegret Kramp-Karrenbauer auch als ihr eigenes Verdienst an. Die Rolle der einsamen Heldin liegt ihr jedoch fern, lieber stellt sie ganz sachlich fest: „Die Quote wird ins Regierungsprogramm kommen und ein ganz wichtiger Punkt bei den Koalitionsverhandlungen sein.“

Aber mit wem soll die CDU überhaupt koalieren, wenn es nach der saarländischen Ministerpräsidentin geht? Angeblich schlägt ihr Herz ja insgeheim für Schwarz-Grün; ihrer eigenen Partei riet sie von einer klaren Koalitionsaussage zugunsten der Liberalen jedenfalls ab. Dennoch: „Die größten Schnittmengen bestehen mit der FDP, deswegen wäre es auch am sinnvollsten, diese Koalition fortzusetzen.“ Es ist der einzige Satz in unserem Gespräch, bei dem Annegret Kramp-Karrenbauer nicht so richtig glaubwürdig wirkt. 

 

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