
- Merkels falscher Abgang
Es gab schon deutlich schlechtere Reden von Angela Merkel als die, in der sie ihren Verzicht auf den Parteivorsitz der CDU erklärte. Überzeugen konnte sie dennoch nicht. Denn ihre Worte beruhen auf einer falschen Diagnose für die horrenden Stimmenverluste der CDU
Nicht nur Weinkenner wissen: Am Abgang hängt alles. Die Aromen am Anfang, das Terroir in der Mitte mögen noch so betörend sein, vielschichtig, komplex. Ein flacher Abgang macht alles zunichte. Ein guter Abgang bleibt am Gaumen, wenn der Wein längst getrunken ist. Er hallt nach über sich selbst hinaus. Auf die Idee, Angela Merkel mit einem Spätburgunder zu vergleichen, kam noch niemand, und man sollte Parallelen nicht übertreiben. Kein noch so eleganter Abgang kann derbe Regierungshausmannskost veredeln. Was gestern sich aber zutrug, als Merkel ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende bekanntgab, war nichts Halbes und nichts Ganzes, war eine fade Angelegenheit, ein, wie es im Theater heißt, falscher Abgang: Der Schauspieler tut so, als verlasse er die Bühne, und bleibt nach allerlei Verrenkungen doch stehen.
Am Ende pathetisch
Wenn eine Vortragende sich in einer zehnminütigen Rede achtmal verhaspelt oder verspricht, mit den Augen immer wieder nach dem Papier sucht und die Arme mehr zur Unterstützung des Gesagten einsetzt als sonst, kann es an mangelnder Vorbereitung, unglaubwürdigem Text oder hoher seelischer Anspannung liegen. Auf den Vortrag der Bundeskanzlerin am vergangenen Montag trifft vermutlich Letzteres zu. Sie las schon deutlich schlechtere Reden ab, von denen sie sich deutlich öfter löste und darob in Formulierungsnot geriet. Gestern war die Situation auf Pathos gestellt. Wenn von „letzter Legislaturperiode“ und der „letzten Amtszeit“ die Rede ist, von „tiefgreifenden Auswirkungen“ (auch an dieser Stelle versprach sie sich), von „Ehre“ und „Zäsur“, stellt Ergriffenheit sich ein. Gestern wurde Verbindliches verhandelt von einer Politikerin, deren Markenkern es ist, dass es nur Unverbindliches gebe. Flapsig formuliert: Mutti würde das Kind schon irgendwie schaukeln. Damit ist Schluss.