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Parteineugründung - Ökonomen fordern Merkel heraus

Die CDU bekommt neue Konkurrenz von rechts. Dieser Tage wird eine weitere Partei geboren, um gegen die Politik der Etablierten zu demonstrieren.  Die „Alternative für Deutschland“ erklärt das Experiment Euro für gescheitert und erhält dafür Unterstützung vor allem von Wirtschaftsexperten und mittelständischen Unternehmern. Nur, die Initiative kommt wohl zu spät

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Lisa Schneider studierte Politik-, Medien- und Sozialwissenschaften in Düsseldorf und Prag.

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„Jetzt, da auch noch Zypern gerettet wird, ist für mich das Ende der Fahnenstange erreicht“, sagt Ulrich Blum. „Wir hatten ja einen sehr offenherzigen Finanzminister, der die Kavallerie in die Schweiz einreiten lassen wollte wegen der angeblichen Schwarzgelder und jetzt sollen deutsche Steuerzahler auf Zypern oligarchisches Schwarzgeld aus Russland retten. Irgendwann muss doch mal Schluss sein.“

Das, was Blum da sagt, würden viele Politikverdrossene unterstreichen, nachplappern, abnicken. Blum ist ehemaliger Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle und Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Halle-Wittenberg. Er weiß also, wovon er spricht. Und das erbost ihn umso mehr, denn keiner in der etablierten Politik will auf ihn hören. Darum zählt Blum nun zu den Mitbegründern der Partei „Alternative für Deutschland“. Bereits im September will die neue Partei an der Bundestagswahl teilnehmen.

Ein anderer Kopf dieser Protestbewegung ist Bernd Lucke. Der Ökonomieprofessor der Universität Hamburg war 33 Jahre lang Mitglied der CDU, bevor er 2011 austrat. Aus Protest gegen die Eurorettungspolitik. Er gründete vor einem halben Jahr die Bürgerbewegung „Wahlalternative 2013“, diese soll nun Partei werden.

Wie genau, scheint auch innerhalb der Bewegung unklar. Ebenso wie der Weg zu den noch recht überschaubaren Zielen. Die Bürgerbewegung „Wahlalternative 2013“ präsentiert auf ihrer Homepage eine Liste prominenter Unterstützer, viele von ihnen sind Wirtschaftsprofessoren, denen die aktuelle Euro-Rettungspolitik nicht zusagt. Die zentrale Forderung der neuen Partei lautet, das einheitliche Euro-Währungsgebiet aufzugeben. Stattdessen sollen kleinere Währungsverbünde organisiert oder die nationalen Währungen wiedereingeführt werden. Blum vertritt die Meinung, „dass der Währungsverbund, den wir faktisch über Jahrzehnte mit den Holländern und den Österreichern hatten, völlig unproblematisch ist“. In diesen könnten sogar skandinavische Länder und Polen eintreten. Willkommen im Zwei-Klassen-System!

Konsens ist das unter den Parteigründern nicht. Man sollte eingestehen, dass das Experiment einer gemeinsamen Währung gescheitert ist, warnt Lucke. Ob er sich für die Rückkehr zu nationalen Währungen oder kleineren Währungsverbünden einsetzen wird, wollte er im Gespräch mit Cicero Online nicht verraten. Andernorts hatte er sich deutlicher geäußert: „Mindestens ein Drittel der Deutschen wünscht sich die D-Mark zurück“, sagte Lucke gegenüber den deutschen Wirtschaftsnachrichten. „Da muss es in einer Demokratie eine Partei geben, die sich dieses Wunsches annimmt.“

Gesetzt den Fall, die zukünftigen Parteimitglieder einigen sich auf eine Richtung, bleibt der Kampf um Wählerstimmen eine große Herausforderung. Die Eurokrise ist aus den Schlagzeilen wieder weitgehend verschwunden. Als das Gespenst Eurokrise vor zwei Jahren in Europa umging,  verbreitete es Angst und Schrecken. Mittlerweile jedoch treiben die Deutschen neue Aufreger-Themen um: die Homo-Ehe, steigende Mietpreise, die Kosten der Energiewende, kurzum die politische Herstellung von Gerechtigkeit innerhalb Deutschlands. Diese Themen zu besetzen sind die roten wie die schwarzen, die grünen wie die gelben Stimmenfänger bemüht. Die Alternative für Deutschland hat sich zu diesen Themen hingegen noch nicht geäußert.

„Wir werden ein Programm haben, das deutlich breiter aufgestellt ist, aber es wird kein Vollsortiment sein“, bestätigt Lucke. Auf dem Gründungsparteitag, der für den 14. April angesetzt ist, soll die Öffentlichkeit mehr erfahren. Aber die Ablehnung der Euro-Rettungspolitik soll im Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stehen. Lucke ist überzeugt, dass seine Partei auf das richtige Thema setzt, die Zahl der Unterstützer wachse rasant.

Vor allem bei Mittelständlern stößt die neue Partei auf große Resonanz. „Familienunternehmer machen sich viel mehr als große Aktiengesellschaften Gedanken darüber, wie sich die aktuelle Entwicklung in zehn, zwanzig Jahren auswirken wird“, sagt Lucke. Sie sorgten sich, was das für den Standort Deutschland in Bezug auf Steuerbelastung und Inflation bedeute.

Seite 2: Die Alternative steht vor großen Herausforderungen

Diese Sorgen in der Politik zu repräsentieren, ist das erklärte Ziel der Alternative für Deutschland. Für die Bürger seien die negativen Auswirkungen der Euro-Krise längst sichtbar, sagt Blum. Die Niedrigzinspolitik frisst die Zugewinnraten auch bei den lange Zeit als krisenfest gehandelten Lebensversicherungen auf, so der Wirtschaftsprofessor aus Halle. Er komme sich vor, wie in den großen Dramen, in denen einige Leute nicht mehr sehen, wie die Realität sein wird.

Das klingt wie der Ruf nach einem heldenhaften Ritter, der ausreitet, um die verstummten Bürger aus dem Joch des Euro zu befreien. Doch es scheint, als sähen die Initiatoren der neuen Partei vor lauter ökonomischer Bäume den politischen Wald nicht mehr. Sie mögen Experten in ihrem Fachbereich sein, als Wissenschaftler, Unternehmer oder besorgte Bildungsbürger. Politiker sind sie nicht.

Die Krise der Währungsunion müsse die Stunde des Parlaments sein, fordert Ulrich Blum und negiert damit die Realität des politischen Systems. Ein Blick in die Geschichte der Euro-Rettung zeigt, dass richtungsweisende Entscheidungen nie durch eine Debatte des Plenums getroffen wurden, sondern im kleinen Kreis, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, von Vertretern der Exekutive sowie Experten in Berlin und Brüssel. Man mag das als postdemokratisch bezeichnen, als intransparent oder bürgerfern. Aber jeder gewählte Repräsentant des Volkes ist auf ein Politikfeld spezialisiert und wird über die Entscheidungen außerhalb des deutschen Parlaments nicht erst unterrichtet, wenn Merkel sie ihm zur Abstimmung vorlegt. Das öffentliche Bild vom leeren Plenarsaal und den Abgeordneten als Abnickern bildet in keiner Weise den politischen Entscheidungsprozess ab.

Die Gründung einer Partei, die sich genau diesen öffentlichen Willensbildungsprozess aus dem Parlament heraus auf die Fahnen schreibt, ist dennoch folgerichtig. Politik lässt, egal wie klein die Handlungsspielräume sind, immer unterschiedliche Herangehensweisen zu. Die Christdemokraten unter Merkel profilieren sich auf internationaler Bühne aber lieber als Euro-Retter, konservative Positionen lassen sie verwaisen. In diese politische Vertretungslücke möchte die Alternative für Deutschland vordringen. Blum bezeichnet das als „Akt demokratischen Selbstverständnisses“. Das Ziel muss sein, die Wähler zu gewinnen, die von den etablierten Parteien nicht mehr erreicht werden können oder wollen. Zum einen, weil die Euro-Skeptiker, oder wie Blum sagt „die Ordnungsökonomen, in den Parteien eliminiert werden“, zum anderen, weil „das postdemokratische Konsensmodell keine Diskussion mehr zulässt“.

Für ihr Vorhaben bleibt den Parteigründern ein gutes halbes Jahr. Die Teilnahme an der Bundestagswahl im September wurde bereits beim Bundeswahlleiter angezeigt. Nun gilt es, die Menschen zu überzeugen, auf sich aufmerksam zu machen und zu verdeutlichen, wo der Unterschied zu den anderen Protestparteien liegt: zu den Piraten oder den Freien Wählern. Vor allem Letztere sprechen ähnliche Wählerschichten an, wenngleich die Forderungen der Freien Wähler moderater sind. Die Freien Wähler glauben, dass eine Reform der Währungsunion den Euro erhalten kann, die Anhänger der Wahlalternative halten eine Rettung für ausgeschlossen. Der informierte Wähler wird diesen Unterschied zur Kenntnis nehmen und sein Kreuz entsprechend setzen.

Mit den Piraten wird die neue Partei programmatisch vermutlich wenig verbinden. Dennoch konkurrieren alle drei Parteien um die Stimmen von Protestwählern. Bevor die Partei sich aber um den Stimmenfang kümmert, sollte sie sicherstellen, dass der Bundeswahlausschuss sie überhaupt als Partei anerkennt. Einige Kriterien sind eine solide Anzahl an Mitgliedern, eine Satzung, ein Parteiprogramm sowie die erfolgreiche Einrichtung von 16 Landesverbänden und Kandidatenlisten. Den Gründern der Alternative für Deutschland bleiben drei Monate, um auf diese Weise dem Bundeswahlleiter und dem Wähler die Ernsthaftigkeit ihres Vorhaben zu beweisen. Die Zeit wird knapp.

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