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Alternative für Deutschland - Was die Euro-Kritiker wirklich wollen

Was will die „Alternative für Deutschland”? Die Lockerung bis hin zur Auflösung des Euro-Zwangsverbandes ist ihre zentrale Forderung. AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam skizziert die Ziele der Bewegung

Autoreninfo

Konrad Adam ist Mitbegründer der AfD. Ende September 2020 erklärte er seinen Austritt aus der Partei. Bis 2000 war er Mitglied der Feuilleton-Redaktion der FAZ, danach bis 2007 politischer Chefkorrespondent der Welt.

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Nun also Zypern. Mag der Beitrag Zyperns zur Wirtschaftsleistung der Europäischen Union auch noch so gering sein, gilt diese Insel dennoch als systemrelevant. Nicht in den Augen der Bürger und der Wähler natürlich, dafür jedoch in denen der Banker, der Hedgefonds-Manager und Spekulanten. Die kennen die Märkte und sorgen dafür, dass dies Orakel immer genau das sagt, was sie selbst meinen. Sie beherrschen die Szene, auf der die Finanzminister nur als Kulissenschieber oder Handlanger tätig sind. Es ist genau so, wie es sich dieser Tage als Seufzer der Brust eines geplagten Zeitgenossen entrang: Die wir gewählt haben, haben nichts zu sagen. Und die das Sagen haben, haben wir nicht gewählt.

Das ist bedauerlich genug. Bedauerlicher ist jedoch, dass dieser schmähliche Zustand auch von denen hingenommen, wo nicht sogar verteidigt wird, die sich als Vorkämpfer von Demokratie und Selbstbestimmung ausgeben. Die schöne Idee eines einigen, zu wechselseitiger Hilfe verpflichteten Kontinents verstellt ihnen den Blick für die Wirklichkeit. Wie vorher schon in Griechenland haben die europäischen Finanzminister jetzt auch in Zypern nur das ausgeführt, was die wahren Machthaber, die großen Drei, gebildet aus der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und dem Chef der Euro-Gruppe, ausgeheckt hatten. Diese Troika besteht aus  Leuten, die kein Mandat besitzen: keiner von ihnen ist gewählt, alle sind ernannt worden. Und wer danach fragt, wem sie verantwortlich sind, erhält zur Antwort: den Märkten.

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Ihre Macht hat die Troika in Griechenland bewiesen. Dort hat sie die Regierung aus dem Amt gejagt, ein ganzes Parlament entmachtet und Millionen von Wählern faktisch entmündigt. Da die Millionäre, die in Griechenland reicher sind als anderswo, ihr Vermögen längst außer Landes geschafft hatten, mussten die kleinen Leute die Rechnung bezahlen, die dem Land von seine Europäischen Freunden ausgestellt worden war. Und so geschah es denn auch: die Arbeitslosigkeit erreichte neue Rekordstände, der Gesundheitsdienst brach zusammen, die Jugend verlor jede Perspektive und zog marodierend auf die  Straße, um gegen eine Politik zu protestieren, die im Namen Europas die europäischen Werte mit Füßen tritt.

„Fuck Europe“, das Schild, das ein aufgebrachter Zypriot dieser Tage in die Kamera hielt, ist ein grober, aber verständlicher Kommentar zu dieser Art von Neo-Imperialismus. Er schnürt zusammen, was nicht zusammen passt, und weigert sich, die Konsequenz zu ziehen, wenn das gewaltsam Vereinigte vor aller Augen auseinander fällt. Das griechische, das irische, das portugiesische, das zypriotische Destaster ist das Ergebnis einer Politik, die stolz darauf war, ohne Alternative zu sein: wie zum Beweis dafür, dass eine Politik, die nur noch Endsieg oder Katastrophe kennt, eine schlechte Politik ist. Europa ist tatsächlich zu einer Frage von Krieg und Frieden geworden – auf ganz anderen Wegen und mit ganz anderen Konsequenzen allerdings, als seine Erfinder sich das gedacht hatten.

Die „Alternative für Deutschland“ will das ändern. Die Lockerung bis hin zur Auflösung des Euro-Zwangsverbandes ist ihre zentrale, aber keineswegs einzige Forderung. Sie setzt sich vor allem für Recht, Gesetz und Vertragstreue ein: Ideen, die in Europa groß geworden sind, die von hier aus den Weg in alle Welt gefunden haben, in ihren Ursprungsländer aber keine Freunde mehr zu haben scheinen; denn der Vertrag von Maastricht ist von allen, die ihn seinerzeit feierlich unterzeichnen hatten, Jahr für Jahr gebrochen worden. Was früher als Witz kursierte – die Behauptung, die EU könne der EU nicht beitreten, weil sie die Standards nicht erfülle, die sie von ihren Mitgliedern verlangt – ist harte, bedrückende Wirklichkeit geworden.

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Inzwischen wird das gemeinsame Europa mit demselben Argument verteidigt, zu dem der real verfallende Sozialismus seinerzeit seine Zuflucht genommen hatte: eine gute Idee, aber schlecht ausgeführt. Wenn das ernst gemeint ist, müssten die Mitgliedstaaten jetzt genau das in Angriff nehmen, was David Cameron, der britische Premier, unlängst gefordert hatte: Neuverhandlungen über die Grundlagen der Zusammenarbeit mit dem Ziel, den Wildwuchs der ungewissen Zuständigkeiten und angemaßten Kompetenzen zu beschneiden, die Entscheidungen dort zu treffen, wo der meisten Sachverstand vorhanden ist, und über das Ganze das Volk in einem Referendum abstimmen zu lassen.

Das werden ihm seine Partner aber nie zugestehen. Sie leben ja davon, dass sie sich Rechte nehmen, was ihnen niemand gegeben hat; Frau Merkel nennt so etwas „Durchregieren“. Sie hat nicht vergessen, dass das Volk überall dort, wo es gefragt worden ist, das Mantra der Berufseuropäer, das ewige Erweitern und ständige Vertiefen, abgelehnt hatte. Franzosen, Niederländer und Iren haben zu diesem Europa Nein gesagt – ohne dass ihr Votum für den Fortgang des laufenden Prozesses Folgen gehabt hätte. Das Volk wird nicht gebraucht, es stört sogar. Und wird deswegen gar nicht erst gefragt.

In der politisch eingeschwärzten Sprache, wie sie in Deutschland heimisch geworden ist, wäre ein Referendum etwas Übles, etwas Gefährliches, etwas zutiefst Undemokratisches; es wäre nämlich populistisch. Wollte man diesen Einwand ernstnehmen, dann wären die Schweizer, die es doch tatsächlich wagten, das Volk zu fragen, ob sich die Industriekapitäne ihres Landes weiterhin schamlos bereichern dürften, eine überaus populistische Gesellschaft; damit wohl auch das gefährlichste Volk der Welt. Schweizer Politiker fragen das Volk nämlich ständig, zu allen möglichen Dingen; und nennen das dann Demokratie. Zumindest die Sprachgeschichte haben sie dabei für sich: populus heißt in Lateinischen dasselbe wie demos im Griechischen, nämlich Volk. Woraus zu lernen wäre, dass die Demokratie eine überaus populistische Angelegenheit ist.

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Wir, die „Alternative“, wollen die Abgeordneten, die gewählten und immer noch verantwortlich genannten Berufspolitiker, daran erinnern, wem sie ihre Mandat verdanken: uns nämlich, den Wählern, nicht den „Märkten“. Wenn sie schon retten wollen und retten können, dann bitte uns und nicht die Banken. Nur so lässt sich das gründlich erschütterte Vertrauen zwischen oben und unten, zwischen Wählern und Gewählten jedenfalls ansatzweise wiederherstellen. Um es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts zu sagen: „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist aber nicht möglich“.

Das meinen wir, die „Alternative für Deutschland“, auch. Wer anderer Ansicht ist, wer wechselseitiges Vertrauen für überflüssig hält, hat bei uns nichts zu suchen, er sollte die Partei verlassen oder, besser noch, gar nicht erst kommen. Demokratie, hat Habermas einmal gesagt, arbeitet an der Selbstbestimmung der Menschheit, „und erst, wenn diese wirklich ist, ist jene wahr“: etwas pathetisch ausgedrückt, aber gar nicht schlecht. Wir haben von unseren Gegnern eine Menge an Fragen gestellt bekommen, dabei auch manche böse Unterstellung erlebt. Aber auch wir haben Fragen, und ich bin gespannt, wie unsere Gegner sie beantworten.

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